Leitsatz (amtlich)

a) Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist im Verfahren betreffend die Anordnung eines Gerichtsvollziehers, die Durchführung eines Vollstreckungsauftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, auch dann nicht statthaft, wenn das LG als Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, DGVZ 2008, 187).

b) Eine derartige unstatthafte Rechtsbeschwerde kann regelmäßig in eine weitere Beschwerde umgedeutet und die Sache an das zuständige OLG abgegeben werden.

 

Normenkette

GvKostG § 4 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 3, 2 S. 2; GKG § 66

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Beschluss vom 12.07.2017; Aktenzeichen 4 T 103/16)

AG Göppingen (Beschluss vom 28.11.2016; Aktenzeichen 1 M 591/16)

 

Tenor

Die Sache wird zur Entscheidung über die weitere Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Ulm vom 12.7.2017 an das OLG Stuttgart abgegeben.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreibt, wendet sich dagegen, dass die Obergerichtsvollzieherin M. die Durchführung eines Vollstreckungsauftrags von der Zahlung eines Vorschusses i.H.v. 150 EUR abhängig gemacht hat.

Rz. 2

Der Gläubiger, der die Bezeichnung "Sondervermögen Studienfonds im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg" trägt, ist der Ansicht ist, als Teil des Landes Baden-Württemberg von der Zahlung von Gerichtsvollzieherkosten befreit zu sein. Er hat daher gegen die Vorschussanforderung Erinnerung eingelegt.

Rz. 3

Mit Beschluss vom 28.11.2016 hat das AG - Vollstreckungsgericht - G. die Erinnerung des Gläubigers gegen die Vorschussanforderung der Obergerichtsvollzieherin M. vom 30.3.2016 zurückgewiesen.

Rz. 4

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das LG U. mit Beschluss vom 12.7.2017 zurückgewiesen.

Rz. 5

Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein vorinstanzliches Begehren weiter.

II.

Rz. 6

1. Gegen die Beschwerdeentscheidung des LG bezüglich der Anforderung eines Kostenvorschusses seitens der Obergerichtsvollzieherin ist die Rechtsbeschwerde zum BGH nicht statthaft.

Rz. 7

a) Auf die Erinnerung des Kostenschuldners gegen die Anordnung des Gerichtsvollziehers, die Durchführung des Auftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GvKostG), und auf die Beschwerde ist § 5 Abs. 2 GvKostG entsprechend anzuwenden, § 5 Abs. 3 GvKostG. Für die Erinnerung und die Beschwerde gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG die Regelung in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend. Nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Damit ist auch eine Rechtsbeschwerde an den BGH ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, DGVZ 2008, 187, juris Rz. 7 m.w.N.; Beschl. v. 17.9.2014 - I ZB 71/14, DGVZ 2014, 257, juris Rz. 3). Dieser Ausschluss gilt auch hinsichtlich der Anforderung eines Kostenvorschusses seitens eines Gerichtsvollziehers im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vollstreckungsauftrags. Aus dem in § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GvKostG geregelten Vorrang des § 766 Abs. 2 ZPO folgt nicht, dass damit der gegen die Entscheidung über die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO vorgesehene Rechtsmittelweg eröffnet wäre. Soweit § 5 Abs. 3 i.V.m. § 5 Satz 2 Satz 1 GvKostG auf § 766 Abs. 2 ZPO verweist, ist damit allein die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erinnerung geregelt, nicht hingegen der Rechtsmittelweg (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, a.a.O., S. 187 f., juris Rz. 8 ff.; Beschl. v. 17.9.2014 - I ZB 71/14, DGVZ 2014, 257, juris Rz. 4, jeweils zum Ansatz von Gerichtsvollzieherkosten, bei denen es sich um Vollstreckungskosten handelt).

Rz. 8

Danach findet gegen die Entscheidung über die Erinnerung des Kostenschuldners die (unbefristete) Beschwerde statt. Ferner ist gegen die Entscheidung über die Beschwerde unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Erinnerung oder die Beschwerde gegen den Ansatz von Vollstreckungskosten oder gegen den Ansatz von anderen Kosten richtet. Gegen die Entscheidung des AG - Vollstreckungsgericht - über eine Erinnerung gegen die Anordnung des Gerichtsvollziehers, die Durchführung des Auftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, ist daher weder nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO die sofortige Beschwerde zum LG (§ 72 GVG) statthaft, noch kann das LG gegen seine Beschwerdeentscheidung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 133 GVG) zulassen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, a.a.O., S. 188, juris Rz. 12).

Rz. 9

b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das LG bindet den BGH nicht. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO tritt nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffnet aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, a.a.O., S. 188, juris Rz. 15; Beschl. v. 7.2.2013 - VII ZB 58/12, NJW-RR 2013, 1081 Rz. 8).

Rz. 10

2. Gegen die Beschwerdeentscheidung des LG ist nach § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zum OLG zulässig, weil das LG sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat.

Rz. 11

3. Die Rechtsbeschwerde ist mit Rücksicht darauf, dass gegen die Beschwerdeentscheidung des LG nicht die Rechtsbeschwerde zum BGH, sondern nur die weitere Beschwerde zum OLG Stuttgart statthaft ist, nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern in eine weitere Beschwerde umzudeuten. Bei Rechtsmittelerklärungen ist eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handelt, die sich in ihrer Intention und rechtlichen Wirkung entsprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2008 - I ZB 22/07, a.a.O., S. 189, juris Rz. 17; Beschl. v. 7.2.2013 - VII ZB 58/12, a.a.O., Rz. 9). So verhält es sich hier. Die weitere Beschwerde zielt ebenso wie die Rechtsbeschwerde auf die Änderung einer Beschwerdeentscheidung des LG durch ein übergeordnetes Gericht; die weitere Beschwerde setzt zudem wie die Rechtsbeschwerde voraus, dass das LG die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Die Sache ist danach zur Entscheidung über die weitere Beschwerde an das OLG Stuttgart abzugeben, dem auch die Entscheidung darüber obliegt, ob die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Vollstreckungsgericht - G. vom 28.11.2016 unbeschadet des Umstands zulässig ist, dass die Anforderung der Obergerichtsvollzieherin M. einen Kostenvorschuss zum Gegenstand hat, der 200 EUR nicht übersteigt (vgl. die Verweisung gem. § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GvKostG auf § 66 Abs. 2 GKG sowie Schröder-Kay/Gerlach, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 13. Aufl., § 4 GvKostG Rz. 64, der bei derartigen Anforderungen eines Vorschusses seitens eines Gerichtsvollziehers von einer Wertgrenze für die Beschwerde entsprechend § 67 GKG absehen will).

Rz. 12

4. Wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11519611

NJW 2018, 10

NJW 2018, 1606

FA 2018, 106

JurBüro 2018, 193

DGVZ 2018, 118

JZ 2018, 181

MDR 2018, 426

ZInsO 2018, 482

FoVo 2018, 151

RVGreport 2018, 196

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