Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestreiten einer negativen Tatsache mit Nichtwissen. Verletzung rechtlichen Gehörs. Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Sache
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulässigkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen, wenn die Partei alle Erkenntnisquellen über einen in ihrem Bereich liegenden Vorgang ohne Erfolg ausgeschöpft hat, bezieht sich nicht auf den Sonderfall des Bestreitens einer negativen Tatsache.
2. Wird dem steuerlichen oder rechtlichen Berater ein Unterlassen der gebotenen Belehrung zur Last gelegt, so kann er sich nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Rechtsnachfolger des Steuerberaters in Anspruch genommen wird. Die Rechtsprechung, wonach ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist, wenn die Partei alle Erkenntnisquellen über einen in ihrem Bereich liegenden Vorgang ohne Erfolg ausgeschöpft hat, bezieht sich nicht auf den Sonderfall des Bestreitens einer negativen Tatsache.
3. Bei auslaufendem Recht – § 68 StBerG in der bis 14. Dezember 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 4. November 1975 – setzt der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage voraus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde einen fortbestehenden Klärungsbedarf darlegt, wofür sie die Feststellungslast trägt.
Normenkette
StBerG § 68; ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Abs. 2, § 543 Abs. 2
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 7 U 147/07) |
LG Mühlhausen (Entscheidung vom 28.11.2006; Aktenzeichen 3 O 769/05) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 13. Februar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 80.988,63 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Rz. 2
1. a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen sei nicht zulässig, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Wird dem steuerlichen oder rechtlichen Berater ein Unterlassen der gebotenen Belehrung zur Last gelegt, so kann er sich nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet (BGH, Urteil vom 5. Februar 1987 – IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322, 1323; vom 23. November 2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 12; vom 1. März 2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 12). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Rechtsnachfolger des Steuerberaters in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 – IX ZR 127/04, WM 2005, 2345, 2347). Die von der Beschwerde zitierte Rechtsprechung, wonach ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist, wenn die Partei alle Erkenntnisquellen über einen in ihrem Bereich liegenden Vorgang ohne Erfolg ausgeschöpft hat (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192, 2194; vom 19. April 2002 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613), bezieht sich nicht auf den Sonderfall des Bestreitens einer negativen Tatsache.
Rz. 3
b) Das Berufungsgericht hat auch nicht das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der Beklagten verletzt. Aus den von der Beschwerde in Bezug genommenen Aktenstellen ergeben sich keine durchgreifenden Indizien dafür, dass die Gesellschafter das Erfordernis der Eintragung der Klägerin in die Handwerksrolle kannten. Danach hat der Gesellschafter H. in dem Antrag auf Gewährung der erhöhten Investitionszulage lediglich wahrheitsgemäß angegeben, er selbst sei in die Handwerksrolle eingetragen.
Rz. 4
2. Das Berufungsgericht ist nicht von dem Rechtssatz abgewichen, dass der Verlust einer rechtlichen Position, deren Erhalt der Geschädigte nach der Rechtslage nicht beanspruchen kann, keinen ersatzfähigen Schaden darstellt. Es konnte hierbei die Frage offen lassen, ob es für die erforderliche Mehrheitsbeteiligung eines am 9. November 1989 im Beitrittsgebiet wohnhaften Gesellschafters (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a und b InvZulG in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2149, 2207)) allein auf den Anteil an der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Einlage ankam (Jasper/Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung Handbuch, § 5 InvZulG Rn. 10 (Stand: Dezember 2000); Kaligin in Kaligin/Goutier, Beratungshandbuch Eigentum und Investitionen in den neuen Bundesländern, 6110 Rn. 116 (Stand: März 1996)) oder ob der auf den einzelnen Beteiligten entfallende Anteil am (hypothetischen) Liquidationserlös zum (hypothetischen) Liquidationswert des Gesellschaftsvermögens ins Verhältnis zu setzen war (Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 5 InvZulG Rn. 6 f (Stand: Mai 1996)). Die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage hätten dadurch sichergestellt werden können, dass dem Gesellschafter H. auch nominell eine Beteiligung von 51 v.H. eingeräumt worden wäre. Zu einem entsprechenden Rat, der jedes Risiko im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage ausgeschlossen hätte, wäre Dr. S. nach dem Grundsatz des sichersten Weges verpflichtet gewesen.
Rz. 5
3. a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Rechtsfrage zu, ob § 25 HGB auf den Fall der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis entsprechend anzuwenden ist. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil es jedenfalls an der Voraussetzung einer Fortführung unter der bisherigen Praxisbezeichnung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2009 – II ZR 7/09, WM 2010, 1946 Rn. 6).
Rz. 6
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, nach den Umständen des Einzelfalls sei eine umfassende Vertragsübernahme anzunehmen, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten nicht allein mit dem Rundschreiben an die Mandantschaft begründet, sondern die Zustimmung der Klägerin zu der zwischen der Erbin des Dr. S. und der Beklagten vereinbarten Vertragsübernahme in dem anschließend geführten Mandantengespräch gesehen. Die Auffassung des Berufungsgerichts führt nicht zu einer Haftung des Übernehmers für sämtliche Altverbindlichkeiten aufgrund eines inhaltlich und formal üblichen Rundschreibens, sondern eine Begrenzung der Haftung hätte ausdrücklich in dem Übernahmevertrag vereinbart und die Zustimmung der Mandanten auf dieser Grundlage eingeholt werden können.
Rz. 7
4. Es fehlt schließlich auch an einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache im Hinblick auf die Reichweite der sekundären Hinweispflicht des Praxiserwerbers, wenn er das Mandat, das den Schaden ausgelöst haben soll, nicht selbst bearbeitet hat. Bei auslaufendem Recht – § 68 StBerG in der bis 14. Dezember 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 4. November 1975 – setzt dieser Zulassungsgrund voraus, dass die Beschwerde einen fortbestehenden Klärungsbedarf darlegt, wofür sie die Feststellungslast trägt (Beschluss vom 19. April 2007 – IX ZB 269/05, NJW-RR 2008, 220 Rn. 8; vom 12. Februar 2009 – IX ZR 11/07 Rn. 3 n.v.; vom 7. Mai 2009 – IX ZR 151/07 Rn. 3 n.v.; vom 21. September 2009 – IX ZR 239/08 Rn. 2 n.v.). An dieser Darlegung fehlt es.
Rz. 8
5. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
Unterschriften
Kayser, Gehrlein, Vill, Lohmann, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2647991 |
BFH/NV 2011, 959 |
KP 2011, 191 |
KP 2012, 78 |
BRAK-Mitt. 2011, 138 |