Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Urteil vom 07.07.2004) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung der §§ 141 ff. StPO zu gewähren, wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 7. Juli 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung zweier früherer Verurteilungen zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Verfahrensrüge zu gewähren, mit der er der die Ablehnung seines vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrages vom 7. Mai 2004 beanstandet, ihm anstelle von Rechtsanwalt Sch. seinen Wahlverteidiger Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist unzulässig.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ausführung einer bisher nicht in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge kommt, wenn die Revision – wie hier – jedenfalls mit der Sachrüge form- und fristgerecht begründet worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4, 7; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1997 – 4 StR 152/97; BGH, Beschluß vom 8. August 2001 – 2 StR 313/01). Sie ist in der Rechtsprechung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen für zulässig erachtet worden (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. zahlr. N.), etwa wenn dem Verteidiger bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung keine Akteneinsicht gewährt oder das Sitzungsprotokoll nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurde (vgl. BGH NStZ 1984, 418; Meyer-Goßner aaO m. w. N.) und er dadurch an einer ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge gehindert war. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nach dem Vorbringen des insoweit darlegungspflichtigen (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 10; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1997 – 4 StR 152/97 m.w.N.) Beschwerdeführers nicht vor.
Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die Revisionsbegründung die den geltend gemachten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen nicht vollständig angegeben hat, sondern lediglich „der Einfachheit halber auf die Schriftsätze in den Akten verwiesen und Bezug genommen” hat (vgl. Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rn. 39 m. w. N.). Der Beschwerdeführer hat sich aber nur, soweit es den von ihm handschriftlich verfaßten Antrag vom 7. Mai 2004 betrifft, darauf berufen, daß der „konkrete Wortlaut” in der Revisionsbegründung nicht habe mitgeteilt werden können, weil seinem Wahlverteidiger – obwohl von diesem beantragt – „keinerlei Akteneinsicht” gewährt worden sei.
Im übrigen ist auch nicht dargetan, daß sich der Wahlverteidiger vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in angemessener Weise um eine umfassende Einsichtnahme in die Akten bemüht hat. Dieser hatte Gelegenheit in die Bände I bis VIII der Zweitakten am 13. Mai 2003 Einsicht zu nehmen (Vermerk Bd. VIII Bl. 2173 R d.A.) und sandte sie mit Schriftsatz vom gleichen Tage an das Landgericht zurück (Bd. IX Bl. 2310 d. A.). Sofern die Zweitakten zu diesem Zeitpunkt unvollständig gewesen sein sollten, hätte es einer nochmaligen Einsicht in die Akten bedurft. Mit seiner Revisionseinlegungsschrift vom 10. Juli 2004 hat der Wahlverteidiger jedoch lediglich die Überlassung des Bandes der Akten beantragt, „in dem sich die Sitzungsniederschriften befinden”, und diesen zur Einsicht erhalten (Bd. X Bl. 2699 d. A.).
2. Zu den erhobenen Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 11. November 2004:
a) Die unzulässige Rüge der Verletzung der §§ 141 ff. StPO hätte auch in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hält die Ablehnung des vom Angeklagten zwei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrags, ihm Rechtsanwalt G. als Anwalt seines Vertrauens anstelle von Rechtsanwalt Sch. beizuordnen, durch den Vorsitzenden der Jugendkammer rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn konkrete Umstände vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Angeklagtem endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist, daß die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3697; BGHSt 39, 310, 314 f; BGH StV 2004, 302). Diese Grenze für die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den beigeordneten Pflichtverteidiger gilt allerdings nur dann, wenn zuvor im Rahmen des Bestellungsverfahrens dem Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör und – regelmäßige – Beiordnung des von ihm bezeichneten Vertrauensanwalts Genüge getan worden ist (vgl. BVerfG aaO; BGH NJW 2001, 237, 238). Das war hier jedoch der Fall.
Rechtsanwalt Sch. wurde am 25. November 2003 zum Beistand bestellt (Bd. III Bl. 642 d.A.). Dieser hatte seine Bestellung zum Pflichtverteidiger ausweislich der Akten, deren Inhalt die Revision insoweit jedoch nicht vorgetragen hat, mit dem Einverständnis auch des Angeklagten beantragt, den er zuvor bereits in einem anderen Strafverfahren vor dem Amtsgericht Mainz verteidigt hatte. Nach seiner Festnahme in dieser Sache hatte der Angeklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung am 22. November 2003 erklärt, an der Vorführung beim Haftrichter solle sein Rechtsanwalt, dessen Name er allerdings „momentan” nicht wisse, teilnehmen, und den Vernehmungsbeamten gebeten, dies seinem Vater mitzuteilen (Bd. I Bl. 58/59 d.A.). An der Vorführung des Angeklagten nahm Rechtsanwalt Sch. (Bd. III Bl. 473 d.A.) aufgrund ausdrücklicher Bitte des Vaters und auch auf Wunsch des Anklagten teil (Stellungnahme des Pflichtverteidigers vom 10. Mai 2004, Bd. VIII Bl. 2129). Der Pflichtverteidiger suchte den Angeklagten danach mehrfach in der Justizvollzugsanstalt auf und verteidigte den Angeklagten in zwei Hauptverhandlungen vor dem Amtsgericht Mainz (Bd. VIII Bl. 2129 d.A.).
Konkrete Umstände, aus denen sich ein wichtiger Grund für die Ersetzung seines Pflichtverteidigers ergeben könnte, hat der Angeklagte im Entpflichtungsverfahren nicht vorgetragen. Die Ablehnung der Entpflichtung des Pflichtverteidigers war daher nicht ermessens- und damit auch nicht rechtsfehlerhaft (vgl. BGH StV 1997, 564, 565 m. w. N.), zumal der Wahlverteidiger, der an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, noch mit Schriftsatz vom 8. Mai 2004 (Bd. VIII Bl. 2123) die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers angeregt hatte.
b) Auch die Rüge, der Wahlverteidiger habe am Nachmittag des 21. Juni 2004 nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen können, weil die Termine nur mit dem Pflichtverteidiger abgesprochen worden seien, kann keinen Erfolg haben. Dem Revisionsvorbringen lässt sich schon nicht entnehmen, ob der Wahlverteidiger unter Hinweis auf seine Verhinderung eine Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt und – gegebenenfalls – darüber einen Gerichtsbeschluß herbeigeführt hat. Zudem ermöglicht die Revisionsbegründung weder die nach § 337 StPO erforderliche Prüfung des Beruhens des Urteils auf der von der Revision nicht näher bezeichneten Gesetzesverletzung noch die im Falle einer Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO gebotene Prüfung, ob die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden ist. Hierfür läßt sich im übrigen der Sitzungsniederschrift nichts entnehmen.
3. Die Überprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; daß er wegen Totschlags und nicht wegen Raubmordes verurteilt worden ist, beschwert ihn nicht.
4. Für den beim Landgericht am 18. Oktober 2004 eingegangenen Antrag des Angeklagten vom 14. Oktober 2004, ihm zur Durchführung des Revisionsverfahrens Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist – anders als für die Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung (vgl. Kuckein aaO § 350 Rdn. 11 m.w.N.) – der Vorsitzende des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, zuständig (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 3; Meyer-Goßner aaO § 141 Rdn. 6 m.w.N.). Eines Zuwartens mit der Entscheidung des Senats über die Revision bedurfte es nicht. Die Bestellung des erstinstanzlichen Verteidigers wirkt im Revisionsverfahren fort. Zudem ist die Revision des Angeklagten sowohl von seinem Pflichtverteidiger als auch von seinem Wahlverteidiger form- und fristgerecht mit der Sachbeschwerde begründet worden.
Unterschriften
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben. Kuckein, Athing, Kuckein, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2556986 |
NStZ-RR 2005, 240 |
NStZ-RR 2007, 3 |