Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren kommt, soweit kein Fall im Sinne des § 350 Abs. 3 StPO vorliegt, nach Ablauf der Begründungsfrist nur ausnahmsweise in Betracht.
Tenor
Der Antrag des Angeklagten, ihm für den weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens Rechtsanwalt Horst G. Fischer als Pflichtverteidiger beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Das Schöffengericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Das Landgericht Berlin hat seine Berufung verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Rechtsanwalt F , dessen Antrag vom 6. Januar 2003 (Bd. I, Bl. 246, 248) nicht zu einer Beiordnung durch die Tatrichter geführt hatte, ist seither für den Angeklagten als Wahlverteidiger aufgetreten. Als solcher hat er auch die Revisionsbegründung gefertigt, die den (erneuten) Antrag auf Beiordnung enthält. Der Antrag hat keinen Erfolg.
1.
Auf den Antrag vom 6. Januar 2003 kann nichts mehr veranlaßt werden. Denn in den tatrichterlichen Rechtszügen ist das Verfahren abgeschlossen. Es lebte nur dann wieder auf, wenn der Senat die Sache zurückverweisen sollte. Eine rückwirkende Beiordnung kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 141 Rdn. 8 mit Nachw.).
2.
Im Revisionsverfahren ist dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn entweder die Voraussetzungen des § 350 Abs. 3 Satz 1 StPO oder diejenigen des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO vorliegen (vgl. Kuckein in KK, StPO 5. Aufl., § 350 Rdn. 11, 12; Laufhütte in KK, § 140 StPO Rdn. 6).
a)
Zuständig ist im Falle des § 350 Abs. 3 StPO der Vorsitzende des zur Entscheidung über die Revision berufenen Senats. Aus dieser Vorschrift kann sich die Zuständigkeit indes in der vorliegenden Sache nicht ergeben. Denn eine Hauptverhandlung ist nach dem derzeitigen Stand des Revisionsverfahrens nicht erforderlich; der Senat kann im Beschlußwege entscheiden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat einen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO gestellt; eine Aufhebung und Zurückverweisung wäre ebenfalls im schriftlichen Verfahren gemäß § 349 Abs. 4 StPO möglich.
b)
Die Zuständigkeit folgt aus § 141 Abs. 4 StPO, wonach über die Bestellung des Verteidigers der Vorsitzende des Gerichts entscheidet, bei dem das Verfahren anhängig ist. Das ist regelmäßig zwar der Vorsitzende des letzten Tatgerichts, dem es obliegt zu entscheiden, ob dem Angeklagten für die Begründung der Revision ein Verteidiger zu bestellen ist (vgl. Senat, Beschluß vom 29. November 1999 - (5) 1 Ss 235/99 (84/99) -; Meyer-Goßner, § 141 Rdn. 6 mit Nachw.). Hier liegt aber die Besonderheit vor, daß der Verteidiger die Revisionsbegründung bereits gefertigt und das Landgericht die Akten dem Kammergericht bereits übersandt hat. In diesem Fall muß der Vorsitzende des Revisionsgerichts über den Antrag befinden (vgl. BGH NStZ 1997, 48, 49; KG aaO).
3.
Der Antrag ist unbegründet.
a)
Auf die Schwere der Tat, die in den tatrichterlichen Rechtszügen bei einer Straferwartung von etwa einem Jahr ab angenommen wird (vgl. Laufhütte, § 140 StPO Rdn. 21), kommt es im Revisionsverfahren nicht mehr an (vgl. Laufhütte, § 140 StPO Rdn. 6), weil das Gericht an die Feststellungen im Urteil gebunden ist (vgl. BGHSt 19, 258, 259 = NJW 1964, 1035). Eine Strafhöhe, die es wegen des Anspruchs auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfG NJW 1978, 151 mit Anm. Dahs NJW 1978, 140) geböte, einen Verteidiger beizuordnen, steht nicht in Rede.
b)
Im Revisionsverfahren kann die Bestellung eines Verteidigers verlangt werden, wenn die Revisionsbegründung besondere Schwierigkeiten bereitet (vgl. OLG Koblenz RPfleger 1984, 366; Senat, Beschluß vom 9. Juli 1996 - 5 Ws 351-352/96 -; Meyer-Goßner, § 140 StPO Rdn. 29). Für diese Annahme besteht kein Anlaß, weil der Rechtsanwalt die Revisionsbegründung bereits in seiner Eigenschaft als Wahlverteidiger gefertigt hat und Verfahrensrügen wegen des Ablaufs der Begründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) nicht mehr nachgereicht werden können. Allein für die Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO, deren Einreichung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, im Belieben des Rechtsmittelführers steht und eher selten tatsächlich gefertigt wird (vgl. Park StV 1997, 550), kommt eine Beiordnung nicht in Betracht.
Fundstellen