Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 25.04.2022; Aktenzeichen 108 KLs 19/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. April 2022, soweit es den Angeklagten A. betrifft, im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 23 Fällen sowie wegen „unerlaubten“ Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von drei Jahren und neun Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Außerdem hat das Landgericht eine halbautomatische Selbstladepistole des Herstellers Pietro Beretta einschließlich Magazin, 33 Patronen des Kalibers 7,65 mm, ein Navigationsgerät der Marke „Snooper" und 84 Pakete mit „jeweils etwa 1 Kilogramm Kokain“ sowie den Erlös aus der Notveräußerung eines „LKW MAN Pferdetransporters“ eingezogen und gegen den Angeklagten die Einziehung des „Wertersatzes von Taterträgen“ in Höhe von 110.000 Euro angeordnet.
Rz. 2
Die auf den Straf- und Maßregelausspruch wirksam beschränkte, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang - gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten - Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Strafausspruch aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 4
2. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat hingegen keinen Bestand.
Rz. 5
a) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - angenommen, dass der Angeklagte trotz der seit seiner mehrjährigen Inhaftierung aufrecht erhaltenen Abstinenz einen Hang zum Konsum von Kokain im Übermaß aufweise. Zwischen diesem Hang und den abgeurteilten Taten bestehe auch ein symptomatischer Zusammenhang; dass er „nur einen kleineren Teil der erheblichen aus den Taten erwirtschafteten Gelder für seinen Drogenkonsum aufwandte“, stehe der Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs nicht entgegen, da es ausreiche, „dass die Taten mitursächlich auf den Hang des Angeklagten zurückgehen“.
Rz. 6
b) Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den von der Strafkammer angenommenen Hang und den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten.
Rz. 7
Die Annahme eines Hangs erfordert nunmehr eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Zudem muss die Anlasstat nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung - positiv festzustellen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, juris Rn. 2 mwN). Daran fehlt es hier.
Rz. 8
c) Die Aufhebung der Unterbringungsanordnung entzieht dem Ausspruch über den Vorwegvollzug die Grundlage. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Sollte das neue Tatgericht abermals die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird es über einen Vorwegvollzug nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 und 5 StGB nF zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2023 - 4 StR 347/23, NStZ-RR 2024, 48, 49).
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Fundstellen
Dokument-Index HI16325910 |