Entscheidungsstichwort (Thema)
gewerbsmäßige Steuerhehlerei
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Strafzumessung wegen Steuerhehlerei ist auch auf die Höhe der hinterzogenen Abgaben abzustellen.
2. Die Steuerstrafnormen §§ 374, 373 AO sehen keine bandenmäßige Steuerhehlerei vor. Denn § 374 Abs. 1 AO verweist hinsichtlich des anzuwendenden Strafrahmens nur für den Fall einer gewerbsmäßigen Tatbegehung auf die Rechtsfolge des § 373 AO. Die Kennzeichnung von Taten der Steuerhehlerei als bandenmäßig begangen, hat deshalb in Schuldsprüchen zu entfallen.
Normenkette
AO §§ 373, 374 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 07.07.2006) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 7. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in sämtlichen Rechtsfolgenaussprüchen, hinsichtlich der Art und Höhe der hinterzogenen Einfuhrabgaben auch mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben. Die Verfallsanordnung entfällt.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe der nachfolgenden Neufassung der Schuldsprüche.
Es sind schuldig:
- der Angeklagte D. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in fünf Fällen, des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in vier Fällen sowie der Unterschlagung in zwei Fällen,
- der Angeklagte K. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in vier Fällen, des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in fünf Fällen sowie der Unterschlagung in zwei Fällen,
- der Angeklagte S. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in drei Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in fünf Fällen,
- der Angeklagte Sa. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in drei Fällen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten D. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in fünf Fällen, wegen Betrugs in vier Fällen und wegen Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten K. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, wegen Betrugs in fünf Fällen und wegen Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten S. (unter Freispruch im Übrigen) wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in drei Fällen und wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten Sa. (unter Freispruch im Übrigen) wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei und wegen Betrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zu Lasten des Angeklagten Sa. hat das Landgericht den Verfall von sichergestellten Bargeldbeträgen in Höhe von 4.500 Euro, 4.750 US-Dollar und 185 britischen Pfund angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Februar 2007 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor ersichtlich, zu berichtigen. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils bezüglich der Schuldsprüche keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
a) Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen Steuerhehlerei (§ 374 AO) in den Fällen III. 1 Buchstaben a bis e, in denen die Angeklagten Absatzhilfe im Auftrag der unbekannt gebliebenen Hinterleute jeweils nach Abschluss der Vortaten leisteten (vgl. dazu BGH NJW 2007, 1294). Der Senat kann den Feststellungen noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich die Taten auf Zigaretten bezogen haben, hinsichtlich derer Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) im Sinne des § 374 Abs. 1, Abs. 2 AO hinterzogen wurden.
b) Die Steuerstrafnormen §§ 374, 373 AO sehen keine bandenmäßige Steuerhehlerei vor. Denn § 374 Abs. 1 AO verweist hinsichtlich des anzuwendenden Strafrahmens nur für den Fall einer gewerbsmäßigen Tatbegehung auf die Rechtsfolge des § 373 AO. Die Kennzeichnung der Taten der Steuerhehlerei als bandenmäßig begangen hat deshalb in den Schuldsprüchen zu entfallen.
c) Das Landgericht hätte nach rechtsfehlerfrei angenommener gewerbs- und bandenmäßigen Begehung der Betrugstaten (§ 263 Abs. 5 StGB) diese Verbrechensqualifikation entsprechend tenorieren müssen. Dies holt der Senat nach.
2. Die Einzel- und Gesamtstrafen haben keinen Bestand.
a) Die Strafzumessung in den Steuerhehlereifällen leidet jedenfalls an folgenden durchgreifenden Rechtsfehlern: Das Landgericht hat ungeachtet der Besonderheiten der Einzelfälle und der teilweise um ein Mehrfaches voneinander abweichenden Höhe der Hinterziehungsbeträge bei jedem Angeklagten ohne weitere Begründung stets für ihn identische Einzelstrafen verhängt. Bereits dies begegnet hier Bedenken, weil das Landgericht bei der Strafzumessung maßgeblich auf die Höhe der hinterzogenen Abgaben abgestellt hat. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, warum sich diese Differenzen nicht auf die Bemessung der Einzelstrafen ausgewirkt haben. Zudem sind die Beteiligungen in den Fällen III. 1 Buchstaben b und d, in denen die Zigaretten vor Auslieferung an die englischen Abnehmer sichergestellt wurden, mit den gleichen Strafen wie in den übrigen Fällen geahndet worden. Einer Auseinandersetzung mit dem entlastenden Umstand der Sicherstellung hätte es bei der Verhängung gleich hoher Strafen indes bedurft.
b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die rechtsfehlerhafte Strafzumessung im Tatkomplex III. 1 die Straffindung in den übrigen Fällen der Unterschlagungen und Betrugstaten beeinflusst hat, zumal auch bei den Betrugstaten ungeachtet des zum Teil deutlich unterschiedlichen Schadensumfanges jeweils die gleichen Einzelstrafen verhängt wurden. Um dem nunmehr berufenen Tatrichter eine insgesamt neue und in sich stimmige Strafenbildung zu ermöglichen, hebt der Senat daher sämtliche Strafen auf.
3. Der nach § 73 StGB angeordnete Verfall des beim Angeklagten Sa. sichergestellten Geldes kann ebenfalls keinen Bestand haben. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass es sich bei diesen Geldbeträgen um die Belohnung des Angeklagten für seine Beteiligung an den verfahrensgegenständlichen Taten handelt. Indes hat das Landgericht nicht bedacht, dass die erheblich höheren zivilrechtlichen Ansprüche der durch die Betrugstaten geschädigten Firmen L. S. GmbH, M. GmbH und U. sowie der Anspruch des Steuerfiskus gemäß § 71 AO i.V.m. § 374 AO (vgl. dazu BGH wistra 2001, 96, 97 f.) den Verfall hier gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausschließen.
4. Das neue Tatgericht wird bei der insgesamt neu vorzunehmenden Strafzumessung die Strafen für die Unterschlagungen dem Strafrahmen des § 246 Abs. 1 StGB zu entnehmen haben. Die bisherigen Feststellungen belegen nicht ausreichend, dass die Sattelzüge auch den Angeklagten D. und K. im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB anvertraut waren. Weitere Feststellungen hierzu sind angesichts des Zeitablaufs und der Besonderheiten des Einzelfalls auszuschließen. Zudem wird der neue Tatrichter Art und Höhe der hinterzogenen Einfuhrabgaben – selbst wenn er nur den Mindestschaden annehmen will – in einer Weise darzulegen haben, die den vom Bundesgerichtshof hierzu aufgestellten Grundsätzen (vgl. nur BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 4, 10) genügt.
Unterschriften
Basdorf, Gerhardt, Raum, Brause, Jäger
Fundstellen
NWB 2008, 2253 |
wistra 2007, 311 |
NStZ-RR 2007, 237 |
PStR 2007, 176 |
StV 2007, 574 |