Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.05.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2007 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Zur Verfahrensrüge, die den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 24. April 2007 zum Gegenstand hat (RB S. 23 bis 27), bemerkt der Senat ergänzend:
Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Ablehnungsgesuch vom 20. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer im Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensabtrennung als befangen abgelehnt hat, kann diese Rüge bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil das Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen war. Das Ablehnungsgesuch war entgegen § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich angebracht worden.
a) An die Auslegung des Begriffs „unverzüglich” im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ist im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen. Die Ablehnung muss zwar nicht „sofort”, aber „ohne schuldhaftes Verzögern”, das heißt ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung geltend gemacht werden. Durch die Sachlage begründet ist lediglich die Verzögerung, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuchs benötigt. Welche Zeitspanne dafür einzuräumen ist, ist eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls (st. Rspr.; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben muss der Angeklagte nicht zwingend vor Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes das Ablehnungsgesuch anbringen. Es ist ihm gegebenenfalls eine gewisse Zeit zur Überlegung und Absprache mit dem Verteidiger einzuräumen. Erforderlichenfalls hat er jedoch das Ablehnungsgesuch außerhalb der Hauptverhandlung anzubringen, insbesondere dann, wenn mehrere Werktage zwischen den Hauptverhandlungsterminen liegen (st. Rspr.; BVerfG NStZ-RR 2006, 379, 380; BGH NStZ 1996, 47, 48; 1993, 141; 1982, 291). So verhält es sich auch hier.
Der Angeklagte hatte bereits vor der Anordnung der Vorsitzenden Richterin vom 16. April 2007, das gegen ihn durch Kammerbeschluss unmittelbar zuvor abgetrennte Verfahren bis zur Fortsetzung am 24. April 2007 zu unterbrechen, Kenntnis von den seiner Ansicht nach die Richterablehnung begründenden Umständen. Ein Ablehnungsgesuch hat der Verteidiger daraufhin gleichwohl nicht angekündigt; vielmehr haben er und der Angeklagte den Sitzungssaal verlassen. Das Ablehnungsgesuch ist erst am Freitag, den 20. April 2007 per Telefax angebracht worden. Dies ist nicht unverzüglich. Angesichts des überschaubaren Sachverhalts (Abtrennung des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens) wäre es möglich und zumutbar gewesen, spätestens am Vormittag des 17. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
b) Der Umstand, dass das Landgericht die Verwerfung der Ablehnung nicht auf den Verwerfungsgrund der Verspätung gestützt hat, ist unbeachtlich. Denn das Revisionsgericht ist im Rahmen des § 338 Nr. 3 StPO nicht gehindert, auf einen nach dem Revisionsvorbringen ersichtlich vorliegenden anderen Verwerfungsgrund aus § 26a Abs. 1 StPO abzustellen, weil in einem solchen Fall die Anwendung des § 26a Abs. 1 StPO dem Angeklagten den gesetzlichen Richter nicht entziehen kann (BVerfG – Kammer – NStZ-RR 2006, 379, 380; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5; § 26a Unzulässigkeit 16).
Unterschriften
Basdorf, Brause, Schaal, Jäger, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 2565422 |
NStZ 2008, 578 |
StRR 2008, 322 |
StV 2008, 562 |