Entscheidungsstichwort (Thema)
gewerbsmäßige Hehlerei
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.01.1997) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Januar 1997 nach § 349 Abs. 4 StPO
- mit den zugehörenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betruges (Fall 21 der Anklage), wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen und wegen gewerbsmäßiger Hehlerei verurteilt worden ist,
- im Strafausspruch mit den zugehörenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen sowie wegen Diebstahls in drei Fällen, Betruges in fünf Fällen, Urkundenfälschung in fünf Fällen, mittelbarer Falschbeurkundung sowie vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten erstrebt mit der Sachrüge die vollständige Aufhebung des Urteils. Sie hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stellte der Angeklagte, nachdem sein Touristenvisum abgelaufen war, im Mai 1995 unter dem Namen S. beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Antrag, ihm in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu gewähren. Er wollte sich auf diese Weise seinen weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik ermöglichen und finanzielle Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln verschaffen. Er bewirkte so, daß für ihn eine Aufenthaltsgestattung nach § 63 Abs. 1 AsylVfG auf den Namen … S. ausgestellt wurde. Insoweit ist der Angeklagte ohne Rechtsfehler (vgl. BGH NStZ 1996, 385; BGH, Urt. v. 24. September 1996 – 5 StR 213/96 –) wegen mittelbarer Falschbeurkundung verurteilt worden (Fall 22 der Anklage).
2. Unter Vorlage dieser Aufenthaltsgestattung und unter Vorspiegelung, „er sei Asylsuchender mit dem Namen … S. und sei ohne Vermögen”, beantrage der Angeklagte im Mai 1995 Leistungen für Asylbewerber und erhielt in der Folgezeit bis Juni 1996 solche Leistungen, wodurch „dem Fiskus insgesamt mindestens ein Schaden von DM 7.500 entstand” (UA S. 5).
Dies rechtfertigt nicht die Verurteilung wegen Betruges (Fall 21 der Anklage).
a) Der Angeklagte hat Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der Fassung vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074; nunmehr gültige Fassung vom 26. Mai 1997: BGBl. I, S. 1130) erhalten. Es ist davon auszugehen, daß die Amtsträger, die Leistungen gewahrt haben, hier nicht getauscht worden sind, weil sie nach der Auslegung der Vorschriften, die den Leistungen zugrundeliegen, die Identität des Angeklagten nicht zu prüfen brauchten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG sowohl in der zur Tatzeit als auch in der heute gültigen Fassung ist leistungsberechtigt ein Ausländer, der sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhält und eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzt. Diese Anspruchsvoraussetzungen hat der Angeklagte nach den Feststellungen erfüllt. Sie sind nicht dadurch entfallen, daß der Angeklagte den Asylantrag gestellt hatte, um Sozialhilfsleistungen zu erlangen. Eine der Regelung des § 120 Abs. 3 Satz 1 BSHG – wonach Ausländer, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch haben – vergleichbare, auf die Motive des Asylantrags abstellende Ausschlußvorschrift enthält das Asylbewerberleistungsgesetz nicht § 120 BSHG ist für die Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG auch nicht entsprechend anwendbar (OVG Berlin NVwZ-Beilage 1996, 20; VGH Mannheim NVwZ-Beilage 1995, 19; VG Frankfurt a.M. NVwZ-Beilage 1994, 21).
b) Eine Strafbarkeit ist auch nicht gegeben, soweit der Angeklagte vom 20. Mai 1996 bis zum 21. Juni 1996 Bargeldleistungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG in der zur Tatzeit geltenden Fassung erhalten hat, nachdem über seinen Asylantrag zwölf Monate nach Antragstellung noch nicht unanfechtbar entschieden worden war (in der heute gültigen Fassung ist das Bundessozialhilfegesetz unter bestimmten Voraussetzungen entsprechend auf Leistungsberechtigte anzuwenden, die über eine Dauer von 36 Monaten, frühestens beginnend am 1. Juni 1997, Leistungen nach § 3 erhalten haben). Hier liegt der Leistungsgewährung folgende Gesetzesregelung zugrunde: Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist das Bundessozialhilfegesetz entsprechend anzuwenden. Ob es sich dabei nur um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (Deibel NWVBL 1993, 441, 443; Wienand NZS 1993, 329, 335) und der Leistungsausschluß nach § 120 Abs. 3 Satz 1 BSHG deshalb auch insoweit nicht anwendbar ist (so wohl VGH Mannheim NVwZ-Beilage 1995, 19; a.A. VGH Kassel NVwZ-Beilage 1994, 27), braucht der Senat nicht zu entscheiden, da jedenfalls eine Täuschungshandlung des Angeklagten über die Motive seines Asylantrages gegenüber der Leistungsbehörde nicht festgestellt ist und eine Pflicht des Angeklagten zur Aufklärung gegenüber der Leistungsbehörde nicht besteht.
c) die Leistungsberechtigung des Angeklagten ist auch nicht dadurch entfallen, daß der Angeklagte seinen Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat. Dies führt zwar nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG dazu, daß der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz setzt aber nur eine Aufenthaltsgestattung voraus. Die Aufenthaltsgestattung des Angeklagten ist nach dem Zusammenhang der Urteilsfeststellungen aber bis zum Ende der Tatzeit, der Inhaftierung des Angeklagten im Juli 1996, nicht erloschen. Für die die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährenden Amtsträger kommt es auf die Berechtigung des Asylantrags ebensowenig an wie darauf, ob die Personalien der Aufenthaltsgestattung zutreffen. Für die Amtsträger ist entscheidend, daß für den Antragsteller nur unter diesen Personalien ein Asylverfahren durchgeführt wird. Daß der Angeklagte unter mehreren Personalien jeweils Asylanträge stellen und mehrfach Leistungen erlangen wollte, ist nicht festgestellt.
d) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt bestehen bleiben, daß der Angeklagte nach den Feststellungen gegenüber der Leistungsbehörde verschwieg, daß er „einen PKW der Marke BMW im Wert von mehreren 100 DM besaß” (UA S. 5). Diese Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob es sich dabei um „Vermögen, über das verfügt werden kann,” handelte, das der Angeklagte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der zur Tatzeit geltenden und in der heute gültigen Fassung vor Leistungen nach diesem Gesetz aufbrauchen und über das er Auskunft geben mußte. Der neue Tatrichter wird feststellen müssen, ob und ggf. zu welchem Preis der Angeklagte das Fahrzeug hätte verkaufen können.
e) Nach den Feststellung des Urteils hat der Angeklagte tateinheitlich zu dem ihm vorgeworfenen Betrug den Tatbestand des § 273 StGB verwirklicht, indem er durch die Vorlage der Aufenthaltsgestattung über die Richtigkeit der darin beurkundeten Tatsachen getäuscht hat. Jedoch hat das Gebrauchmachen der falschen Beurkundung hier neben der vorsätzlichen Bewirkung der unrichtigen Beurkundung, um sich finanzielle Unterstützungen aus öffentlichen Mittel zu verschaffen, keine selbständige Bedeutung (RGSt 58, 34), da der Angeklagte den Plan, die Aufenthaltsgestattung zu gebrauchen, um finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zu erhalten, bereits gefaßt hatte, als er den Asylantrag unter falschem Namen stellte (für das Verhältnis von Fälschen und Gebrauchen von Urkunden nach § 267 StGB vgl. BGHSt 5, 291; 17, 97).
1. Auch die Verurteilung wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen (Fälle 13, 14, 16, 18 und 20 der Anklage) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, der im Mai 1995 unter dem Namen S. den Asylantrag gestellt hatte, im Mai, Juni und Juli 1995 bei Ladendiebstählen und im Juni 1995 beim Fahren mit einem PKW mit gefälschten Kennzeichen festgestellt. Er wurde deswegen unter dem Namen S. vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin in zwei Verfahren, einmal davon im Wege des Strafbefehls, wegen Diebstahls und Urkundenfälschung verurteilt (UA S. 3). Im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz unterschrieb der Angeklagte in der Zeit zwischen September 1995 und Januar 1996 in drei Fällen ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll und in zwei Fällen einen polizeilichen Anhörungsbogen mit dem Namen S. (UA S. 7 f.). Nach diesen Feststellungen liegt es nahe, daß der Angeklagte seit Mai 1995 ständig unter dem Namen S. gelebt hat. Die mehrfache Verurteilung des Angeklagten unter dem Namen S. spricht dafür, daß der unzutreffende Name zum Identitätsmerkmal des Angeklagten wurde. Damit hätte er lediglich über seinen Namen und nicht über seine Identität getäuscht (vgl. BGHSt 33, 159, 160; Tröndle 48. Aufl. Rdn. 21, Tröndle in LK 10. Aufl. Rdn. 128, Cramer in Schönke/Schröder 25. Aufl. Rdn. 50 jeweils zu § 267 StGB). Der neue Tatrichter wird darüber genauere Feststellungen zu treffen und zugleich zu prüfen haben, ob der Angeklagte auch in diesen Fällen die Aufenthaltsgestattung vorgelegt und sich deswegen wegen einer möglicherweise nicht von vornherein geplanten und damit selbständigen Tat nach § 273 StGB strafbar gemacht hat (vgl. BGHSt 17, 97, 99).
2. Die Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte in zwei Fällen (Fälle 3 und 5 der Anklage) Täter einer gewerbsmäßigen Hehlerei war. Danach hat der Angeklagte zum Absatz eines in Berlin und eines in Lauchhammer gestohlenen Kraftfahrzeugs dadurch beigetragen, daß er jeweils in Berlin in einem Fall gefälschte Kennzeichen beschafft oder diese an dem Fahrzeug angebracht und im anderen Fall die Originalkennzeichen von dem Fahrzeug abmontiert hat (UA S. 10 f.). Die Urteilsfeststellungen lassen offen, ob der Angeklagte dabei für die Täter der Diebstähle, für Personen, welche sich die Kraftfahrzeuge als Zwischenhehler verschafft hatten, oder für selbst als Absetzer oder Absatzhelfer handelnde Personen tätig wurde; in den beiden ersten Fällen wäre er Täter, im letzten Fall wäre er nur Gehilfe einer Hehlerei (vgl. BGHSt 33, 44, 47 f; 27, 45, 52). Sollten die Ausführungen des Landgerichts (UA S. 9) dahin zu verstehen sein, der Angeklagte habe im Einverständnis mit den Tätern der Diebstähle gehandelt, hielte dies sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, da das Urteil eine Begründung für diesen wesentlichen Umstand nicht enthält und dieser angesichts der bestreitenden Einlassung des Angeklagten und der weiteren Umstände – auch zwei andere Kraftfahrzeuge waren jeweils in größerer Entfernung von Berlin entwendet worden – eher fern lag. Sollte der neue Tatrichter genauere Feststellungen nicht treffen können, könnte der Angeklagte nur wegen Beihilfe zur Hehlerei bestraft werden (vgl. BGHSt 33, 44, 47).
3. Soweit die Revision im übrigen gegen den Schuldspruch gerichtet ist, hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
Rechtskräftig sind damit der Schuldsprüche wegen mittelbarer Falschbeurkundung (Fall 22 der Anklage), wegen Diebstahls in drei Fällen (Fälle 12, 15 und 19 der Anklage), wegen Betruges in vier Fällen (Fälle 7, 9, 10 und 11 der Anklage) sowie wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz (Fall 17 der Anklage).
4. Die Aufhebung der übrigen Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Senat hat auch die übrigen Einzelstrafen aufgehoben, nachdem das Landgericht seine Entscheidung, in jedem Fall kurzfristige Freiheitsstrafen als Einzelstrafen festzusetzen, mit dem „von dem Angeklagten gewonnenen Eindruck, sich während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland fortlaufend über Rechtsnormen hinweg zu setzen” (DA S. 16) begründet hat, und der Senat deshalb nicht ausschließen kann, daß die Höhe der Einzelstrafen auch von den jetzt aufgehobenen Schuldsprüchen beeinflußt worden ist.
Unterschriften
Laufhütte, Häger, Nack, Pfister, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1398913 |
wistra 1998, 27 |
StV 1997, 635 |