Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 28. Juni 1994 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 9.000 DM.
Tatbestand
I.
Die Parteien haben am 1. November 1963 geheiratet. Am 20. August 1992 ist dem Ehemann (Antragsgegner) der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin) zugestellt worden.
In der Ehezeit (1. November 1963 bis 31. Juli 1992, § 1587 Abs. 2 BGB) hat die Ehefrau Anwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte) in Höhe von monatlich 252,38 DM erworben. Der Ehemann hat lediglich aufgrund seiner seit 1962 bestehenden Betriebszugehörigkeit bei der PS AG Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung erlangt, und zwar solche beim Arbeitgeber selbst (AT-Ausgleichsrente) und solche beim „Essener Verband”.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, daß es den Ehemann verpflichtet hat, zur Begründung von Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 283,56 DM zugunsten der Ehefrau den Betrag von 57.810,09 DM zu zahlen.
Gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, mit der sie einen höheren Ausgleich erstrebt hat. Das Oberlandesgericht hat die Einzahlungsmodalitäten geringfügig geändert, die für die Ehefrau zu begründenden Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung der Höhe nach aber unverändert gelassen und das Rechtsmittel mit dieser Maßgabe zurückgewiesen (veröffentlicht in FamRZ 1995, 363). Hiergegen wendet sich die Ehefrau mit der zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der sie noch geltend macht, die Versorgungsanwartschaft des Ehemannes beim „Essener Verband” sei im Ausgleich zu gering bewertet worden.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der „Essener Verband” stellt eine betriebliche Altersversorgung dar, die im Versorgungsausgleich nach den Grundsätzen für Gesamtversorgungssysteme zu behandeln ist. Mach der maßgebenden „Leistungsordnung A in der Fassung vom 1. Januar 1992” werden auf das zugesagte Ruhegeld 50 % der jeweiligen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet (§ 8 Abs. 1 Buchst. a). Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, daß der Ehemann in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versichert war, sondern lediglich mehrere befreiende Lebensversicherungen auf Kapitalbasis unterhalten hat. Dazu bestimmt § 8 Abs. 2 Buchst. b der Leistungsordnung, daß für die Anrechnung von dem Sozialversicherungswert auszugehen ist, der sich ergeben hätte, wenn die gezahlten Arbeitgeberzuschüsse zusammen mit den entsprechenden Arbeitnehmerbeiträgen als Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung eingezahlt worden wären.
Bei der Ermittlung des ehezeitlich erworbenen Wertes der Versorgungsanwartschaft hat das Oberlandesgericht die sog. Hochrechnungsmethode angewendet, die dadurch gekennzeichnet ist, daß nicht nur von dem fiktiv bei Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren betrieblichen Ruhegeld ausgegangen und der Ehezeitanteil nach dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur gesamten Betriebszugehörigkeit im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze errechnet wird, sondern auch die zu berücksichtigenden Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Altersgrenze hochgerechnet und im entsprechenden Zeit-Zeit-Verhältnis aufgeteilt werden. Mach der Rechtsprechung des Senats ist hingegen der Ehezeitanteil einer privaten betrieblichen Altersversorgung mit Gesamtversorgungssystem grundsätzlich nach der sog. VBL-Methode zu bestimmen, die bei den Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung von einer Hochrechnung absieht, insoweit auf den tatsächlich bei Ende der Ehezeit erreichten Wert abstellt und diesen Wert von dem nach dem Zeit-Zeit-Verhältnis berechneten betrieblichen Ruhegeld absetzt. Dem liegt zugrunde, daß diese Methode eine der Bewertungsregel des § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB widersprechende Nivellierung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung durch Anwendung des Zeit-Zeit-Verhältnisses vermeidet; ferner wird verhindert, daß die beträchtlichen Unsicherheiten, die bei einer Hochrechnung hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom Ende der Ehezeit bis zum Erreichen der Altersgrenze unvermeidlich auftreten, sich verzerrend auswirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. September 1991 – XII ZB 161/88 und 165/88 – FamRZ 1991, 1421 und 1416 sowie vom 5. Oktober 1994 – XII ZB 129/92 – FamRZ 1995, 88; s. auch Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1995 – XII ZB 38/94 – FamRZ 1996, 93, 94).
Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, daß jedenfalls aufgrund der besonderen Verhältnisse des vorliegenden Falles die Anwendung der Hochrechnungsmethode unbedenklich sei. Dazu hat es ausgeführt, der Ehemann habe in der Ehezeit tatsächlich keine Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, sondern solche seien lediglich gemäß § 8 Abs. 2 Buchst. b der Leistungsordnung auf der Grundlage der geleisteten Arbeitgeberzuschüsse zu den unterhaltenen befreienden Lebensversicherungen fiktiv zu errechnen. Ein Konflikt mit der für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Bewertungsregel des § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB trete daher nicht auf, sondern es handele sich um eine reine Berechnungsmodalität.
Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde im Ergebnis zu Recht. Wie die vom Oberlandesgericht zugrunde gelegte Auskunft des Versorgungsträgers ergibt, beruht die Berechnung der auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkte der angenommenen gesetzlichen Rentenversicherung auf festen Grundlagen, nämlich den tatsächlich in dieser Zeit gezahlten Arbeitgeberzuschüssen, dem jeweiligen Jahresverdienst des Ehemannes und der dazu ins Verhältnis zu setzenden allgemeinen Bemessungsgrundlage. Für die zu berücksichtigende Folgezeit, also den Zeitraum vom 1. August 1992 bis zum 31. März 2002, werden diese drei Ansätze mit den am Ende der Ehezeit festgestellten Beträgen unverändert fortgeschrieben, eine Grundannahme, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge als realitätsfern angesehen werden muß. Einer der Gründe, die den Senat zur grundsätzlichen Ablehnung der Hochrechnungsmethode bewogen haben, spricht danach gegen deren Anwendung auch bei den im vorliegenden Fall gegebenen Verhältnissen. Deshalb ist eine Ausnahme nicht gerechtfertigt und muß der VBL-Methode auch hier der Vorzug gegeben werden. Soweit der Versorgungsträger in seiner Stellungnahme zur Beschwerde darauf hingewiesen hat, daß sich bei Anwendung dieser Methode höhere auszugleichende Werte ergeben als bei Anwendung der Hochrechnungsmethode, stellt dies im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz des Gesetzes keinen Grund für die Nichtanwendung der ersteren dar (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 25. September 1991 a.a.O. S. 1419).
2. Nicht zu beanstanden ist, daß das Oberlandesgericht die Versorgung des „Essener Verbandes” nicht als volldynamisch beurteilt hat und daher von der Notwendigkeit einer Umrechnung gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V. mit § 2 Abs. 1 BarwertVO ausgegangen ist. Soweit die Versorgung ihre „Gruppenendbeträge” in der Zeit von 1967 bis 1992 gesteigert hat (keine Anpassungen erfolgten in den Jahren 1970, 1972, 1977, 1978 und 1988), lagen die Steigerungsraten jeweils knapp unter einem Prozentpunkt, bezogen auf die zeitlich vorausgehenden Werte. Infolge der hälftigen Anrechnung der gesetzlichen Rente, deren Anpassungen jeweils höher lagen, fielen die effektiven Steigerungsraten noch geringer aus (vgl. dazu auch OLG Hamm FamRZ 1980, 898, 899). Im Anwartschaftsstadium ist daher ein Steigerungsniveau, das mit demjenigen der kraft Gesetzes volldynamischen Versorgungen auch nur vergleichbar wäre (vgl. die Übersicht FamRZ 1997, 793), bisher nicht erreicht worden. Für das Leistungsstadium bestimmt § 11 Abs. 6 der Leistungsordnung, daß Veränderungen der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Ausscheiden des Angestellten in Kraft treten, außer Betracht bleiben; vielmehr werden die Leistungen durch die Mitglieder nach § 16 BetrAVG überprüft. Mögliche Anpassungen auf der Grundlage des § 16 BetrAVG begründen für sich keine Volldynamik im Leistungsstadium (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1985 – IVb ZB 15/85 – FamRZ 1985, 1235, 1236; s. auch Senatsbeschluß vom 25. September 1991 a.a.O. S. 1423 f.). Es begegnet entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, daß Steigerungen von Versorgungsanrechten, wie sie vorliegend allenfalls in Rechnung zu stellen sind, beim Ausgleich ganz außer Betracht bleiben und die Bewertung aufgrund von § 1 Abs. 3 BarwertVO so erfolgt, als handele es sich um rein statische Anrechte (vgl. dazu im einzelnen Senatsbeschluß vom 10. Juli 1985 – IVb ZB 836/80 – FamRZ 1985, 1119, 1122).
3. Der oben dargelegte methodische Fehler gefährdet im Ergebnis den Bestand der angefochtenen Entscheidung nicht, wie sich aus folgendem ergibt: Der Senat hat bereits entschieden, daß bei der Bemessung des Ehezeitanteils nicht der Zeitpunkt der Versorgungszusage oder der Beginn der Mitgliedschaft in einer betrieblichen Versorgungseinrichtung maßgebend ist, sondern daß gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB auf das Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur insgesamt möglichen Betriebszugehörigkeit abzustellen ist (Beschluß vom 9. Oktober 1996 – XII ZB 188/94 – FamRZ 1997, 166, 167). Dieses Verhältnis beträgt für die Anwartschaft des Ehemannes beim Essener Verband – unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 6 der Leistungsordnung – 483 Monate (1. Januar 1962–31. März 2003) zu in die Ehezeit fallenden 345 Monaten und für die Anwartschaft auf die AT-Ausgleichsrente 475 Monate (1. September 1962–31. März 2003) zu ehezeitlichen 345 Monaten. Das ergibt für die Versorgung des Essener Verbandes als Ehezeitanteil des „Gruppenendbetrages” (4.025 DM) den Betrag von 2.875 DM; vermindert um die vom Oberlandesgericht für die VBL-Methode angenommene fiktive Sozialversicherungsrente (909,60 DM) verbleiben 1.965,40 DM. Die Dynamisierung ergibt den Monatsbetrag von 631,30 DM. Bei Berücksichtigung des Ehezeibanbeils der AT-Ausgleichsrenbe (210,29 × 345: 475 = 152,74 DM) und der gegenzurechnenden Anwartschaften der Ehefrau (252,38 DM) ergibt sich ein Werbunberschied von 531,66 DM, so daß der Ehefrau als Ausgleich 265,83 DM zustehen. Dieser Betrag unterschreitet den vom Oberlandesgericht als gerechbfertigt angesehenen Ausgleichsbetrag von 283,56 DM. Mach dem auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich geltenden Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 85, 180) hab es daher bei der angefochtenen Entscheidung zu verbleiben.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Bundesrichterin Dr. Hahne ist urlaubsbedingt gehindert zu unterschreiben. Blumenröhr, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1237764 |
FamRZ 1998, 420 |