Verfahrensgang
LG Paderborn (Beschluss vom 20.03.2014; Aktenzeichen 5 T 83/14) |
AG Brakel (Entscheidung vom 06.02.2014; Aktenzeichen 4 XVII Z 4016) |
Tenor
Auf ihre Gegenvorstellung wird der Betroffenen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bewilligt und Rechtsanwalt W. beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Paderborn vom 20.3.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die 75-jährige Betroffene leidet unter einer organisch wahnhaften Störung mit chronifiziertem Wahn. Unter Ausnutzung ihrer Wahnvorstellungen wurde sie von einem Betrüger über einen längeren Zeitraum mit Wahrsagung manipuliert. An ihn zahlte die Betroffene mehrfach Geldbeträge i.H.v. insgesamt mindestens 3.500 EUR, wodurch sie sich zu verschulden drohte.
Rz. 2
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, Bestellung eines Verfahrenspflegers und persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das AG in ihrem Einverständnis eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten einschließlich Empfang und Öffnen der Post eingerichtet und die Beteiligte zu 1) (Betreuerin) als Berufsbetreuerin bestimmt.
Rz. 3
Dagegen hat die Betreuerin im Namen der Betroffenen Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, dass die Betroffene ihr Einverständnis mit der Betreuung widerrufen habe. Das LG hat die Beschwerde nach erneuter Anhörung der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Rz. 5
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Betroffene infolge einer psychischen Krankheit nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten in den übertragenen Aufgabenkreisen selbst zu besorgen. Die Einrichtung der Betreuung sei daher auch gegen den Willen der Betroffenen erforderlich, da diese zu einer freien Willensbestimmung nicht in der Lage sei.
Rz. 6
2. Die Rechtsbeschwerde rügt zutreffend, dass die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist.
Rz. 7
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gem. § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (BGH v. 7.8.2013 - XII ZB 691/12, FamRZ 2013, 1725 Rz. 11 m.w.N.).
Rz. 8
Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht. Aus der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass das vom AG eingeholte Gutachten der Betroffenen bekannt gegeben worden ist. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene durch dessen Bekanntgabe an sie Gesundheitsnachteile entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.
Rz. 9
Der angefochtene Beschluss beruht auf diesem Verfahrensfehler. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das LG bei ordnungsgemäßem Verfahren zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
Fundstellen