Entscheidungsstichwort (Thema)
sexueller Mißbrauch von Kindern
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 2. Juli 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit sie in den Fällen II. 8. bis 11. der Urteilsgründe wegen Förderung der Prostitution in 14 Fällen verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 25 Fällen und wegen Förderung der Prostitution in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Januar 2000 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen ging die Angeklagte dazu über, den Geschlechtsverkehr der am 28. Juli 1973 geborenen Zeugin L. mit anderen Männern gegen Bezahlung zu vermitteln. Ihr kam es dabei auf die Erlangung des vorab mit den Männern vereinbarten Entgelts an. Sie bestimmte jeweils, wann, wo, mit wem und zu welchem Preis die Zeugin mit den Männern geschlechtlich verkehren sollte. Sie organisierte die Treffen und hielt die Zeugin zu den sexuellen Handlungen an. Die Angeklagte wirkte vor der Vermittlung jeweils dahingehend auf die Zeugin ein, daß die sexuellen Kontakte zwischen ihr und den dafür bezahlenden Männern notwendig seien, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren und Fehlbeträge auszugleichen, die durch teuere Geschenke entstanden seien, welche sie der Zeugin gemacht habe. Außerdem setzte die Angeklagte die Zeugin unter Druck, indem sie ihr sagte, es gebe Ärger, wenn ihr Vater die Fehlbeträge auf dem Konto entdecken würde. Zwischen Sommer 1988 und Anfang 1990 vermittelte die Angeklagte in 14 Fällen sexuelle Kontakte zwischen der Zeugin L. und insgesamt fünf Männern und erhielt von diesen dafür Geld oder geldwerte Leistungen. Im ersten Fall wehrte sich die Zeugin gegen die Annäherungsversuche des Mannes, in den weiteren Fällen kam es jeweils zum Geschlechtsverkehr.
2. Der festgestellte Sachverhalt trägt die Verurteilung wegen Förderung der Prostitution in 14 Fällen gemäß § 180 a Abs. 4 (2. Alternative) StGB (F.: 10.3.1987) nicht. Aus ihm ergibt sich zwar, daß die Angeklagte jeweils auf die zu den Tatzeiten noch nicht 21 Jahre alte Zeugin eingewirkt hat, weil dazu wiederholtes Drängen und Überreden ausreicht (BGHR StGB § 180 a Abs. 4 Einwirken 1 und 2; BGH NJW 1985, 924 – jeweils zu § 180 a Abs. 4 2. Alternative StGB F.: 10.3.1987). Den Feststellungen kann jedoch nicht entnommen werden, in welchen und in wievielen Fällen das Einwirken in der Absicht („um”) erfolgte, die Zeugin zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen.
Die Zeugin L. ging ab dem Zeitpunkt der Prostitution nach, zu dem sie bereit war, gegen Bezahlungwiederholt und mitwechselnden Partnern sexuelle Handlungen vorzunehmen (Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 180 a Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 180 a Rdn. 3). Die Vorstellungen der Angeklagten darüber ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Nachdem die Zeugin aus der Sicht der Angeklagten die Prostitutionsausübung aufgenommen hatte, konnte die Angeklagte auf die Zeugin nur noch zur Fortsetzung der Prostitution einwirken, da das Tatbestandsmerkmal der Aufnahme der Prostitution nur bei Personen zur Anwendung kommt, die im Zeitpunkt der Einwirkung der Prostitutionsausübung noch nicht nachgehen (Laufhütte in LK 10. Aufl. § 180 a Rdn. 25). Von einem Einwirken zur Fortsetzung der Prostitution geht das Landgericht aus, ohne den Zeitpunkt näher zu bestimmen (UA S. 26).
Auch die Absicht der Angeklagten, die Zeugin zur Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen, ist nicht ausreichend festgestellt. Die Prostitution setzt fort, wer die Prostitution bereits ausübt und mit dieser Tätigkeit weitermacht. Zur Fortsetzung bestimmt werden kann nur eine Person, die den Willen hat, die Prostitution zu beenden (Laufhütte in LK aaO Rdn. 25). Die Einwirkung zur Fortsetzung der Prostitutionsausübung setzt allerdings nicht voraus, daß die Person, auf die eingewirkt wird, den aktuellen Willen hat, die Prostitutionsausübung zu beenden. Es reicht vielmehr aus, daß der Täter auf die Person einwirkt, weil er davon ausgeht, daß sie möglicherweise die Prostitution beenden will (BGH, Urt. vom 28. Juli 1999 – 3 StR 206/99, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 1999, 3275). Dazu, ob und in welchen Fällen die Zeugin L. ihren Willen zur Beendigung der Prostitutionsausübung geäußert hat oder die Angeklagte von einem solchen Willen ausging, verhält sich das Urteil nicht.
3. Der dargestellte Mangel in den Feststellungen führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 8. bis 11. der Urteilsgründe. Diese zieht den Wegfall der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Die wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 25 Fällen verhängten Einzelstrafen haben hingegen Bestand. Der Senat schließt aus, daß deren Höhe von dem Rechtsfehler beeinflußt sein kann.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556772 |
NStZ 2000, 368 |