Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 15.10.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 15. Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf Beanstandungen des Verfahrens und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat weitgehend Erfolg.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen überfiel der Angeklagte ein Gardinenstudio, wobei er dessen Inhaberin ein Messer vorhielt. Diese schlug ihm mit einem Kleiderbügel aus Metall auf die Hand und rannte in Richtung Ladentür, um zu flüchten. „Der Angeklagte lief hinter ihr her, entweder um sie an der Flucht zu hindern oder, um selbst zu flüchten.” Vor Erreichen der Tür schlug die Ladeninhaberin nochmals mit dem Kleiderbügel gegen die Hand des Angeklagten, der daraufhin das Messer fallen ließ. Sodann lief die Zeugin aus dem Laden und rief um Hilfe. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannte der Angeklagte, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr an das in der geschlossenen Kasse befindliche Geld gelangen konnte, … weshalb er ebenfalls das Gardinenstudio verließ und flüchtete.”
Rz. 4
Einen strafbefreienden Rücktritt hat die Strafkammer abgelehnt, weil der Versuch spätestens in dem Moment fehlgeschlagen gewesen sei, als die Inhaberin des Gardinenstudios durch die Eingangstür auf die Straße gelaufen sei und um Hilfe gerufen habe.
Rz. 5
b) Diese Wertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 6
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (Senat, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 mwN). Jedoch liegt ein fehlgeschlagener Versuch nicht vor, wenn der Angeklagte bereits zuvor von dem – in diesem Zeitpunkt noch nicht fehlgeschlagenen – Versuch zurückgetreten war (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 – 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263). Dies ist gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes festzustellen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2003 – 4 StR 25/03 [juris Rn. 4], und vom 13. Juni 2006 – 4 StR 67/06, NStZ 2006, 685).
Rz. 7
Auf dieser Grundlage belegen die Feststellungen die Annahme eines den Rücktritt ausschließenden fehlgeschlagenen Versuchs nicht hinreichend. Denn danach ist möglich, dass der Angeklagte seinen Tatentschluss bereits aufgegeben hatte, als er hinter der in Richtung Eingangstür flüchtenden Ladeninhaberin herlief. Dass er – worauf die Strafkammer ebenfalls abstellt (UA S. 8) – dabei erkennen „musste”, dass er die Tat mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln nicht mehr vollenden konnte, und er nicht davon ausgehen „konnte”, ohne die Mithilfe der Zeugin an das Geld gelangen zu können, belegt nicht, dass die Voraussetzungen eines Fehlschlags tatsächlich gegeben waren, er also erkannt hat, dass die Tat objektiv nicht mehr vollendet werden kann, oder er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hielt.
Rz. 8
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils, jedoch können die zum äußeren Tathergang rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 15).
Rz. 9
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- Die beim Angeklagten festgestellte, die Prüfung von Schwachsinn nahe legende „mittelschwere Intelligenzminderung” – er verfügt über einen Intelligenzquotienten von 48 – kann für Rückschlüsse aus dem äußeren Tathergang auf die Vorstellungen des lediglich seine Anwesenheit am Tatort einräumenden Angeklagten insbesondere zur Aufgabe der Tatvollendung Bedeutung erlangen, selbst wenn die Strafkammer erneut zu einem uneingeschränkt erhalten gebliebenen Einsichts- und Steuerungsvermögen gelangen sollte.
- Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kommt – unabhängig von den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 30. Januar 2014 aufgeworfenen Fragen – nur in Betracht, wenn die Therapie voraussichtlich innerhalb der Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB, mithin innerhalb von zwei Jahren, erfolgreich abgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413 mwN). Die Feststellung des Landgerichts zur erwarteten Therapiedauer von „mindestens” zwei Jahren belegt dies nicht.
Unterschriften
Mutzbauer, Roggenbuck, Cierniak, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 6682428 |
NStZ 2014, 634 |
NStZ-RR 2014, 137 |