Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 03.12.2012) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; ansonsten ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Rz. 2
1. Die Strafzumessung des Landgerichts begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, weil sie lückenhaft und widersprüchlich ist.
Rz. 3
a) Das Tatgericht hat den Angeklagten mit sachverständiger Hilfe für uneingeschränkt schuldfähig gehalten und dies bei einer zugrunde gelegten (wahrscheinlichen) Alkoholisierung von 2,2 ‰ vornehmlich damit begründet, der Angeklagte habe nur geringe Ausfall- und keine Entzugserscheinungen gehabt. Überdies sei er morgens auch nicht angetrunken gewesen. Zudem sprächen Wucht und Zielgerichtetheit der Schläge gegen Koordinationsstörungen. Diese Einschätzung werde durch eine Rückrechnung bei einer festgestellten Atemalkoholkonzentration von „0,99 ‰” gestützt. Diese Bewertung des Landgerichts ist nicht tragfähig.
Rz. 4
Die Strafkammer ist bei der Ermittlung des Alkoholisierungsgrades einem Sachverständigengutachten gefolgt. Dabei hat sie wohl das Gewicht des Angeklagten, den Trinkbeginn, die Tatzeit und die Anzahl der ausgetrunkenen Rotweinflaschen mitgeteilt, nicht aber den Alkoholgehalt und die Menge des konsumierten Rotweins. Der Senat vermag unter diesen Umständen und mangels weiterer Anhaltspunkte schon den vom Tatgericht zugrunde gelegten Alkoholisierungsgrad, der mit 2,2 ‰ deutlich über 2,0 ‰ liegt, mit Blick auf die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit nicht nachzuvollziehen. Die Feststellung vollends vorhandener Schuldfähigkeit wird darüber hinaus umso fragwürdiger, als das Tatgericht – gewissermaßen als Kontrolle – den Einklang seiner Annahme auf Grund der festgestellten Atemalkoholkonzentration von „0,99 ‰” festzustellen glaubt, freilich ohne das näher zu belegen. Abgesehen von der Unsicherheit eines Atemalkoholkonzentrationswertes (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. April 2001 – 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358), ergibt sich bei einem angenommenen (Indiz-)Wert (vgl. BGH, Urteil vom 1. November 1994 – 5 StR 276/94, NStZ 1995, 96, 97) von „0,99 ‰” und einer vorzunehmenden Rückrechnung zur acht Stunden zurückliegenden Tatzeit einschließlich des Sicherheitszuschlags schon ein Alkoholisierungsgrad von 2,79 ‰. Unter diesen Umständen sind die vom Tatgericht aufgeführten psychodiagnostischen Anzeichen einer neuen Bewertung zuzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2007 – 2 StR 465/07, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 39). Dies gilt umso mehr als die vom Landgericht festgestellte Äußerung des Angeklagten „Bruder, verzeih mir” (UA S. 6) wie auch derart heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers, dass der Zeuge C. den Geschädigten lediglich an dessen Jacke erkannte (UA S. 6), eher den Schluss auf eine rauschbedingte Vorgehensweise nahe legen.
Rz. 5
b) Überdies besorgt der Senat, dass die Strafkammer bei ihren Zumessungserwägungen dem von ihr selbst zugrunde gelegten Umstand, der Angeklagte habe bis unmittelbar vor seiner Tat auf Grund des Verhaltens des Opfers „nicht rechtswidrig” (UA S. 15) gehandelt, nicht das genügende Gewicht beigemessen hat. Damit hat das Tatgericht eine dem Tatbestand des § 213, 1. Alt. StGB mindestens ähnliche Situation beschrieben, die in die Zumessungserwägungen deutlich einzubeziehen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 221/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 4, und vom 10. August 2004 – 3 StR 263/04, StV 2004, 654, 655).
Rz. 6
c) Angesichts der Schwere der Verletzungen des Opfers ist zwar nachvollziehbar, dass die Tat erhebliche Sanktionen zur Folge haben muss. Dies kann indes nicht ohne weitere Begründung damit untermauert werden, dass mit einem entsprechenden Strafausspruch auch generalpräventive Zwecke erfüllt würden. Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, generalpräventive Gesichtspunkte bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Allerdings dürfen dafür nur Umstände herangezogen werden, die über die bei der Bestimmung eines konkreten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigte allgemeine Abschreckung hinausgehen. Dies ist gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährdende Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, feststellen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 – 2 StR 427/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 6). Daran fehlt es hier.
Rz. 7
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass angesichts des Alkoholkonsums des Angeklagten „seit seinem 16. Lebensjahr” und auch des Umstandes, dass er regelmäßig bis zur Trunkenheit trinkt (UA S. 3), sich die Frage der Anwendung von § 64 StGB erneut stellen wird. Insoweit wird § 246a StPO zu beachten sein.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Schneider, Dölp, Bellay
Fundstellen