Normenkette

StPO § 462a Abs. 1 S. 1; StGB § 57 Abs. 1, § 57a

 

Tenor

Zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Lennestadt vom 12. Mai 2020 - 5 Ds 363/19 (81 Js 1375/19) - in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Lennestadt vom 25. August 2020 und dem Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Lennestadt vom 23. März 2021 ist das

Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Köln.

 

Gründe

Rz. 1

Der Strafvollstreckungskammern der Landgericht Köln und Bielefeld streiten über die Zuständigkeit für die Entscheidung der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.

I.

Rz. 2

Die Verurteilte verbüßt - nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - eine Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Betruges aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Lennestadt vom 12. Mai 2020 in Verbindung mit dem den Einspruch verwerfenden Urteil des Amtsgerichts Lennestadt vom 25. August 2020 und dem Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Lennestadt vom 23. März 2021. Der Zwei-Drittel-Termin ist auf den 5. März 2022 datiert, das Strafende auf den 15. April 2022.

Rz. 3

Nach ihrer Festnahme am 16. Dezember 2021 wurde die Verurteilte zunächst der Justizvollzugsanstalt Köln zugeführt. Dort befand sie sich bis zu ihrer Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne am 4. Januar 2022 in Strafhaft.

Rz. 4

Bereits am 28. Dezember 2021 hatte die Staatsanwaltschaft Siegen die Justizvollzugsanstalt Köln um eine Stellungnahme zur Frage der bedingten Strafaussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe ersucht. Am 1. Februar 2022 forderte sie - in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Verlegung der Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne - erneut eine Stellungnahme per Fax an. Am 2. Februar 2022 legte sie das Vollstreckungsheft der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln vor und beantragte, die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung auszusetzen. Eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen und sollte nachgereicht werden.

Rz. 5

Das Landgericht Köln erklärte sich mit Beschluss vom 15. Februar 2022 für örtlich unzuständig. Es sei erst infolge der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 2. Februar 2022 mit dem Verfahren befasst worden; zu diesem Zeitpunkt habe sich die Verurteilte bereits in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne befunden. Das Landgericht Köln hat die Sache sodann an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bielefeld abgegeben. Am 17. Februar 2022 hat die Staatsanwaltschaft Köln mit einer zwischenzeitlich eingeholten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne gegenüber dem Landgericht Bielefeld unter Bezugnahme auf ihren an das Landgericht Köln gerichteten Antrag vom 2. Februar 2022 beantragt, die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung auszusetzen.

Rz. 6

Mit Beschluss vom 1. März 2022 erklärte sich das Landgericht Bielefeld ebenfalls für örtlich unzuständig und verwies darauf, dass der Zwei-Drittel-Zeitpunkt bereits bei der Verlegung der Verurteilten am 4. Januar 2022 herangenaht und das Landgericht Köln daher bereits mit der Sache befasst gewesen sei. Es hat daher dem Bundesgerichtshof das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

Rz. 7

1. Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 14 StPO als gemeinschaftliches oberstes Gericht der Landgerichte Köln (Oberlandesgerichtsbezirk Köln) und Bielefeld (Oberlandesgerichtsbezirk Hamm) zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.

Rz. 8

2. Für die Entscheidung über die Reststrafenaussetzung ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln zuständig. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 31. März 2022 u.a. ausgeführt:

„Nach dieser Vorschrift ist, wenn gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach § 454 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Bei Entscheidungen, die von Amts wegen ergehen, ist das Gericht im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO bereits „mit der Sache befasst“, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine solche Entscheidung rechtfertigen können, unabhängig davon, ob sich die Verfahrensakten zu diesem Zeitpunkt bei der (zuständigen) Strafvollstreckungskammer befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 2 ARs 335/21 -, juris, Rn. 10; Appl in: KK-StPO, 8. Aufl., § 462a Rn. 17, jeweils m. w. Nachw.). Mit der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung ist die Strafvollstreckungskammer deshalb schon dann befasst, wenn der nach § 57 Abs. 1 StGB maßgebliche - stets aktenkundige - Zeitpunkt herannaht, auch wenn sie bislang untätig geblieben und ein Aussetzungsantrag noch nicht bei ihr eingegangen ist. Die erforderliche Vorlaufzeit ist so zu bemessen, dass der Verurteilte im Falle einer Bewilligung der Strafaussetzung nach vorheriger Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung bei Eintritt der Aussetzungsreife entlassen werden könnte (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO); dabei ist auch ein möglicherweise durchzuführendes Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - 2 ARs 322/21 -, juris, Rn. 8 m. w. Nachw.). Wenn allerdings der Verurteilte bereits drei Monate vor dem Zwei-Drittel-Termin verlegt worden ist, kann von einem „Befasstsein“ der Strafvollstreckungskammer, welche für die frühere Justizvollzugsanstalt zuständig war, in der Regel nicht mehr ausgegangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 2 ARs 335/21 - juris, Rn. 11 m. w. Nachw.).

In vorliegender Sache ist demnach bereits vor der Verlegung der Verurteilten am 4. Januar 2022 die für die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln entscheidende gerichtliche Befassung mit der Frage der Reststrafenaussetzung eingetreten. Die Staatsanwaltschaft Siegen hatte bereits mit Schreiben vom 28. Dezember 2021 bei der Justizvollzugsanstalt Köln „umgehend“ die Übersendung eines Führungsberichtes, die Stellungnahme zur Frage der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und zur Frage, ob die Verurteilte mit einer Strafaussetzung einverstanden ist, angefordert. Um eine rechtzeitige (rechtskräftige) Entscheidung über die Reststrafenaussetzung zu gewährleisten, hätte sie die Akten bei einem regulären Verfahrensgang nicht erst am 2. Februar 2022 - nur viereinhalb Wochen vor Eintritt der Aussetzungsreife am 5. März 2022 - dem Gericht vorgelegt. Vielmehr hätte die Aktenvorlage angesichts der Kürze der zu verbüßenden Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorlaufzeit bereits zu einem Zeitpunkt, als die Verurteilte noch in der Justizvollzugsanstalt Köln aufgenommen war, erfolgen müssen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft beantragt hat, die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung auszusetzen, so dass im Falle einer Bewilligung der Strafaussetzung mit einer sofortigen Beschwerde zu rechnen ist.“

Rz. 9

Dem tritt der Senat bei.

Franke     

Krehl     

Zeng   

Grube     

Schmidt     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15498440

NStZ-RR 2022, 358

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