Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 13.01.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 13. Januar 2015, auch soweit es den Mitangeklagten B. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten H. wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten – nach Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO – jeweils wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von je drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte H. mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Diese führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs, die auf den Nichtrevidenten zu erstrecken ist (§ 357 Satz 1 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts gewann ein nicht näher identifizierbarer „E.” die Angeklagten, für ihn aus der Wohnung seines Bekannten P. das von diesem dort zum gewinnbringenden Verkauf gelagerte Marihuana zu entwenden, um dieses anschließend selbst verkaufen zu können. Als Lohn versprach er den Angeklagten 2.000 EUR, die sich ebenfalls in der Wohnung des P. befinden und von den Angeklagten an sich genommen werden sollten. Den Angeklagten war Art und Menge der Diebesbeute sowie die diesbezügliche Verwendungsabsicht des „E.” bewusst. Dieser holte am 8. Juli 2014 den P. unter einem Vorwand aus dessen Wohnung ab, wobei er ein Fenster entriegelte, um den Angeklagten das Einsteigen zu erleichtern. Der Angeklagte B. drang in die Wohnung ein und reichte knapp 26 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13,6 % heraus, die der Angeklagte H. zum späteren Abtransport die Aufgangstreppen heruntertrug. Kurz danach nahm die Polizei, die von einer Nachbarin benachrichtigt worden war, beide fest und stellte das Rauschgift sicher.
Rz. 3
II. Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht jedoch die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zum vollendeten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; denn die Haupttat des „E.” ist nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt.
Rz. 4
1. Zutreffend hat das Landgericht allerdings zunächst die Tathandlungen der Angeklagten nicht als täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 25 StGB, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), sondern lediglich als Beihilfe hierzu (§ 27 StGB) gewertet.
Rz. 5
Zum einen war es nicht das Bestreben der Angeklagten, sich durch den Diebstahl das Marihuana zu beschaffen, um damit ein eigenes, von „E.” unabhängiges Umsatzgeschäft zu tätigen. Insbesondere wollten sie nach den Feststellungen das Rauschgift nicht ihrerseits an „E.” veräußern, sondern es diesem übergeben, damit er es seinerseits verkaufen konnte. Dies wird insbesondere daraus deutlich, dass die „versprochenen” 2.000 EUR nicht als – den Marktpreisen nicht annähernd entsprechendes – Entgelt für die Betäubungsmittel, sondern als Lohn für deren Diebstahl zugesagt wurden. Nicht das Rauschgift sollte bezahlt, sondern deren Beschaffung vergütet werden.
Rz. 6
Zum anderen wirkten die Angeklagten aber auch nicht an dem (beabsichtigten) Umsatzgeschäft des „E.” als dessen Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) mit. Zwar lag in der Entwendung des Marihuanas dessen eigentliche Beschaffung für den von „E.” geplanten Umsatz, was grundsätzlich für die Stellung der Angeklagten als Mittäter sprechen könnte. Jedoch erschöpfte sich ihr Tatbeitrag – ähnlich wie derjenige eines reinen Kuriers (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 468/07, NStZ-RR 2008, 152) – in der „Abholung” der Betäubungsmittel am vorgegebenen Aufbewahrungsort und deren Transport zu „E.”. Entscheidend für die Annahme von Beihilfe spricht darüber hinaus, dass den Angeklagten die weitere Entwicklung des Umsatzgeschäftes durch „E.” gleichgültig war, nachdem ihre Tätigkeit mit dem Diebstahl und der Weitergabe des Marihuanas an diesen abgeschlossen gewesen wäre.
Rz. 7
2. Die Haupttat des „E.” erweist sich indes nur als versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Rz. 8
Zwar stellt die Inbesitznahme von Betäubungsmitteln in Verwertungsabsicht vollendetes Handeltreiben auch dann dar, wenn diese nicht auf abgeleitetem Erwerb beruht (hierzu BGH, Urteile vom 20. Januar 1982 – 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 360 f.; vom 23. September 1992 – 3 StR 275/92, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 35). Zu einer solchen ist es durch „E.” aber gerade nicht gekommen. Der (kurzzeitige) Besitz des Marihuanas durch die Angeklagten ist ihm – wie dargelegt – auch nicht über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Danach kann der Sachverhalt nicht anders beurteilt werden als der Fall, dass sich ein Täter das von ihm zum Verkauf bestimmte Betäubungsmittel eigenhändig durch Diebstahl beschaffen will, hierzu ansetzt, aber bereits vor Besitzerlangung des Rauschgifts scheitert (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, NJW 2007, 2269, 2273 f.; dazu auch Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 601). Hier trat „E.” spätestens in dem Moment in den Versuch des Handeltreibens ein (§ 22 StGB), in dem er P. unter einem Vorwand aus dessen Wohnung lockte und ein Fenster entriegelte. Mit der Festnahme der Angeklagten und Sicherstellung der Betäubungsmittel schlug dieser Versuch fehl.
Rz. 9
III. Der Senat ändert – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch hinsichtlich des Nichtrevidenten (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 357 Rn. 2 mwN) – den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 analog StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Strafrahmenbestimmend war die täterschaftliche Verwirklichung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG durch den Besitz der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge. Der strafschärfend berücksichtigte Umstand der mehrfachen Tatbestandsverwirklichung bleibt durch die Schuldspruchänderung unberührt.
Unterschriften
Becker, RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Mayer, Becker, Gericke, Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Fundstellen
Haufe-Index 8141585 |
NJW 2016, 98 |
NStZ 2016, 6 |
NStZ 2016, 612 |
NStZ-RR 2015, 280 |
NStZ-RR 2016, 374 |
StV 2015, 633 |