Leitsatz (amtlich)
a) Eine Vollstreckungsabwehrklage, mit der die Verwirkung des titulierten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten geltend gemacht wird, bleibt auch dann Familiensache, wenn die Klage in der Vorinstanz mit der Begründung abgewiesen worden ist, der Kläger könne sich infolge einer nachträglich getroffenen Vereinbarung über das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs auf die eingetretene Verwirkung des titulierten Anspruchs nicht berufen.
b) Der Ausschluß der zulassungsfreien Revision in Familiensachen, die vermögensrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Normenkette
GVG § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 6; ZPO § 621d Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Revision den Klägers gegen das Urteil des Senats für Familiensachen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 6. Oktober 1978 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Ehe der Parteien wurde am 15. Januar 1975 rechtskräftig aus dem alleinigen Verschulden des Klägers geschieden. Im Scheidungsrechtsstreit schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kläger für den Fall der Scheidung aus seinem Verschulden unter anderem verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen Unterhalt in Höhe von DM 900,– zu bezahlen.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, daß die Beklagte den im Scheidungsvergleich festgelegten Unterhaltsanspruch durch schwere Verfehlungen gegen den Kläger verwirkt habe. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat er – ebenfalls unter Berufung auf die behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruchs – zusätzlich beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung für unzulässig zu erklären. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat unter Abweisung des Feststellungsbegehrens dem letzteren Antrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision ist vom Oberlandesgericht nicht zugelassen worden. Der Kläger hat das Berufungsurteil gleichwohl mit der Revision angefochten. Er erstrebt mit seinem Rechtsmittel die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreite an das Landgericht.
II.
Die Revision ist nicht statthaft, weil es an der nach § 621 d Abs. 1 ZPO erforderlichen Zulassung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht fehlt.
1. Der Rechtsstreit betrifft die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht und ist damit eine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GVG und § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
a) Die Scheidungsvereinbarung, gegen die sich die vom Kläger zunächst neben dem Feststellungsbegehren erhobene und nunmehr allein weiterverfolgte Vollstreckungsabwehrklage richtet, begründete keinen selbständigen, vom Gesetz losgelösten Unterhaltsanspruch (vgl. hierzu BGH NJW 1978, 1924 = FamRZ 1978, 674). Der aus seinem alleinigen Verschulden geschiedene Kläger war vielmehr gegenüber der Beklagten kraft Gesetzes nach Maßgabe der §§ 58 f. EheG unterhaltspflichtig und ist dies auch nach Inkrafttreten den neuen Scheidungsrechts geblieben (Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG). Die Unterhaltsregelung stellt sich danach nur als vertragliche Festlegung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs dar, durch die der Anspruch als solcher in seinem Wesen nicht verändert wurde (BGHZ 24, 269, 276; 31, 210, 218; BGH 1979, 550 = FamRZ 1979, 220).
Wenn aber die Scheidungsvereinbarung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Beklagten zum Gegenstand hatte, dann betrifft auch die dagegen gerichtete Vollstreckungsabwehrklage diesen Anspruch (BGH NJW 1978, 1811 = FamRZ 1978, 672).
b) Der Kläger verkennt diese Rechtsgrundsätze letztlich nicht. Er leitet die Zulässigkeit der Revision jedoch daraus her, daß das Berufungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei zwar verwirkt, aber vertraglich neu begründet worden. Der Kläger meint, daß es sich danach nicht mehr um einen Streit über die gesetzliche Unterhaltspflicht und damit auch um keine Familiensache mehr handle.
Dem kann nicht beigetreten werden.
Das Berufungsgericht hat im einzelnen ausgeführt:
Die Beklagte habe sich einer schweren Verfehlung gegen den Kläger schuldig gemacht, weil sie durch ihr Verhalten Anlaß zu einer für den Kläger abträglichen Presseveröffentlichung gegeben habe. Der Kläger könne sich jedoch auf die danach gemäß § 66 EheG eingetretene Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht berufen, weil er in Kenntnis dieser Verfehlung noch über längere Zeit den Unterhalt an die Beklagte weitergezahlt habe. Damit habe er gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, er volle ihr ungeachtet der Verwirkung wie bisher weiter Unterhalt leisten, und die Beklagte habe dieses Anerbieten angenommen. Der verwirkte Unterhaltsanspruch sei dadurch von den Parteien nachträglich vertraglich wieder begründet worden. Nach der Vereinbarung der Parteien habe der im Scheidungsvergleich geregelte gesetzliche Unterhaltsanspruch des Beklagten im gleichen Umfang wie bisher fortbestehen sollen.
Durch diese Ausführungen des Berufungsgerichts ist der vom Berufungsgericht für gegeben erachtete vertragliche Unterhaltsanspruch nicht Streitgegenstand des Verfahrens geworden mit der Folge, daß dieses seine Eigenschaft als Familiensache verloren hätte. Die Klage zielt nach wie vor darauf ab, die Vollstreckung aus dem Titel, der über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch errichtet ist, für unzulässig erklären zu lassen. Sie betrifft damit den titulierten Anspruch und wird vom Kläger auch weiterhin mit dem gegen diesen Anspruch gerichteten Einwand der Verwirkung begründet. Die Rechtsnatur des titulierten Anspruchs ändert sich nicht, wenn es dem Kläger – wie das Berufungsgericht angenommen hat – infolge einer nachträglich getroffenen Vereinbarung über das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs verwehrt sein sollte, sich auf die eingetretene Verwirkung des titulierten Anspruchs zu berufen. Dadurch wäre der Vollstreckungstitel über den ursprünglichen Anspruch nicht in einen solchen über den nachträglich begründeten vertraglichen Anspruch umgestaltet worden. Das Verfahren wäre danach selbst dann Familiensache geblieben, wenn der Eintritt der Verwirkung außer Streit stünde und nur noch darüber zu entscheiden wäre, ob sich der Kläger auf die Verwirkung berufen kann. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, daß die Frage, ob die Beklagte den titulierten Unterhaltsanspruch überhaupt verwirkt hat, zwischen den Parteien weiterhin im Streit ist.
2. Die Revision macht vorsorglich noch geltend, daß § 621 d ZPO gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, soweit er in Familiensachen, die vermögensrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben, die zulassungsfreie Revision ausschließt, die sonst in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bei einem Wert der Beschwer von mehr als M 40.000,– nach §§ 545, 546 Abs. 1 ZPO statthaft ist.
Auch dem kam nicht gefolgt werden.
Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, für den Rechtsweg in allen Zweigen einen Instanzenzug einzuräumen und insbesondere stets das Rechtsmittel der Revision zu gewähren (BVerfGE 19, 323, 327 m. w. N.). auch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist er nicht gehindert, bei der Ausgestaltung des Rechtsmittelzuges zwischen einzelnen Gruppen von Streitigkeiten zu differenzieren, wenn sich dafür sachliche Gründe finden lassen (BVerfG a.a.O. S. 326).
Der Ausschluß der zulassungsfreien Revision in Familiensachen, die vermögensrechtliche Ansprüche betreffen, läßt sich sachlich begründen. Die Gesetz gewordene Regelung des § 621 d ZPO ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages in das 1. EheRG aufgenommen worden. Der Vorschlag ist vom Rechtsausschuß damit begründet worden, daß für diejenigen Familiensachen, über die im Verbund gemeinsam verhandelt und entschieden wird, ein einheitlicher Rechtsmittelzug bestehen solle; dieselbe Regelung des Rechtsmittelzuges solle aber auch dann gelten, wenn eine isolierte Entscheidung über eine Familiensache ergehe, da bei einem weitergehenden Rechtsmittelzug außerhalb des Entscheidungsverbundes das vom Gesetzgeber erstrebte Ziel, den Anspruchstellern die Geltendmachung der Ansprüche im Verbund mit dem Ehescheidungsverfahren nahezulegen, gefährdet wäre (BT-Drucks. 7/4361 S. 66).
Diese Erwägungen sind sachbezogen und beruhen nicht auf Willkür. Die in Frage stehenden Streitigkeiten erfordern auch ihrer Natur nach nicht zwingend eine Gleichbehandlung mit den vermögensrechtlichen Streitigkeiten, in denen die zulassungsfreie Revision eröffnet ist. Daß sich der Gesetzgeber in den nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten und damit auch in Ehescheidungssachen, die Grundlage des Verfahrensverbundes nach § 623 ZPO sind, auf die Einführung der Zulassungsrevision beschränken konnte, ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (BVerfG a.a.O. S. 223, 326 f.). Aber auch Familiensachen, die Unterhaltsansprüche betreffen, verlangen nicht ihrer Natur nach die Eröffnung der zulassungsfreien Revision. Gesetzliche Unterhaltsansprüche dienen der Befriedigung des Lebensbedarfs. Von daher besteht in besonderem Maße ein Bedürfnis nach einer kurzen Verfahrensdauer, die durch einen kurzen Instanzenzug gefördert wird. Dementsprechend waren Streitigkeiten über eine durch Ehe oder Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht nach der vor Inkrafttreten des 1. EheRG geltenden Regelung der Revision grundsätzlich sogar überhaupt entzogen (§§ 23 a Nr. 2, 72 GVG a.F. i.V.m. §§ 545, 566 a ZPO).
Fundstellen