Entscheidungsstichwort (Thema)
deutsches Patent 34 47 925
Leitsatz (amtlich)
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann.
Normenkette
PatG 1981 § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 38
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungseinrichtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom 9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar 1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennanmeldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprüchen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
„1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet
daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reib- oder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung dieser Verbindung veränderbar ist.”
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit begründet worden ist, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung abgegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen verteidigt, von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 kursiv):
„Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zweiüber eine Lagerung koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtungrelativ zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
dadurchgekennzeichnet,
daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.”
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung der Worte „über eine Lagerung” eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluß der Patentabteilung Beschwerde eingelegt und beantragt,
- den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Streitpatent mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
- die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluß vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Beschwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die – zugelassene – Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin, mit der diese beantragt,
den Beschluß des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam angesehen, da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungserklärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprünglichen Figur 1 verblieben sei. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch, mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0 unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grundsätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtliche Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfähigkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne und nicht auf das den Beschluß der Patentabteilung tragende Material beschränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht habe übersehen, daß die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vorschrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Patentabteilung habe gerade nicht festgestellt, daß der Gegenstand des erteilten Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daß das im Einspruchsverfahren neu eingefügte Merkmal „über eine Lagerung” in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in veränderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 128, 280, 292 f. – Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998 – X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 – Polymermasse) im Einspruchsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufsgründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Beschwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v. 2.3.1993 – X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 – Rohrausformer). Im Streitfall hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der „geltende Patentanspruch”, als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentabteilung hat dies damit begründet, daß die Einfügung der Worte „über eine Lagerung” in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager, sondern ausschließlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entnehme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinstehen, ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit derÄnderung des Anspruchs hätte prüfen und in Anbetracht der – nach ihrem Standpunkt – unzulässigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersuchung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109, 110 f., und – für das Nichtigkeitsverfahren – wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl., § 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen müßte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhalten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzuprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf dasjenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweiterung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfachmann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebigen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum anderen erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ursprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung ergebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwungmassen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daß die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ursprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich – abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angesehenen Einfügung des Wortes „relativ” – bereits in Anspruch 1 der zugrundeliegenden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint, der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämpfungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaßt, daß ein Bezug zu der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden konkreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bildeten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenommene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in Zweifel, daß in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht in Zweifel, daß der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft dessen die Schwungmassen – in den Worten des verteidigten Anspruchs – entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind. Unter diesen – dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden – Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der Anmeldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Erweiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmeldung gewesen wäre. Der Umstand, daß die Anmeldung nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform „einer ganz bestimmten Baukonzeption” mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern (ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt (Sen., BGHZ 111, 21, 26 – Crackkatalysator I). Ein „breit” formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.
b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann entnehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrennbarer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zusammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verlagerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben. Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daß das durch den Reibring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daß bei Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der Folge verlagert werde, daß der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämpfung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwungmassen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirkenden Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar, die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterlagen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertragungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nachteilig angesehen, daß der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit großer Kraft verspannt werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auftrete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unverzichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluß über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daß an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen., BGHZ 66, 17, 29 – Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 – Spleißkammer). Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 – X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 – Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 – X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 – Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 – X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 – Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Fachmann den in dem verteidigten – wie in dem erteilten – Patentanspruch bezeichneten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daß der Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaßte Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 – Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 – X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 – Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 – X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 – Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126 – Spleißkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daß der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muß vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 – X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 – Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts umfaßt die Angabe im verteidigten Patentanspruch, daß die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Bestandteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaßt ist daher auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd verspannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Ausführungen, die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen können, daß die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemeinen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angesprochen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lägen unzutreffende Maßstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentgerichts, für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Ausführungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentgericht nicht zum Ausdruck gebracht,nur bei einem solchen (weiteren) Ausführungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe angenommen, Rechte aus dem Streitpatent könnten „(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend gemacht werden”. An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht vielmehr – zutreffend – ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daß das Streitpatent (selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Beschwerdegerichts, die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstandes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in unzulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da wesentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vorrichtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinflußt sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststellungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwirkenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei „aus Offenbarungsgründen nicht statthaft” und führe zu einer sich dem Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erschließenden und deshalb unzulässigen Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daß der verteidigte Anspruch auf eine Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.
c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12 angegeben sei, zu dem erfindungsgemäßen Steuerungsmechanismus, wogegen sprechen könnte, daß eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17) lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und deswegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Meier-Beck
Fundstellen
DB 2002, 582 |
BGHR 2002, 116 |
GRUR 2002, 49 |
Nachschlagewerk BGH |
BPatGE, 284 |
Mitt. 2001, 556 |