Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 13.06.2003) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 13. Juni 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes (in der Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten.
1. Der Angeklagte R. hat seine Revision – entgegen der ersten Stellungnahme des Generalbundesanwalts – nicht nachträglich zurückgenommen. Seinen Schreiben an den Vorsitzenden bzw. an die Mitglieder der Strafkammer vom 28. Juli und vom 3. August 2003 läßt sich nicht die eindeutige Erklärung entnehmen, das fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel solle nicht durchgeführt werden. Insbesondere das zweite Schreiben, in dem der Beschwerdeführer die eventuelle Rücknahme der Revision in Aussicht stellt, macht deutlich, daß seine bisherigen Äußerungen nicht als Rücknahmeerklärung zu verstehen sind.
2. Die Rechtsmittel haben Erfolg. Die getroffenen Feststellungen belegen nicht, daß die Angeklagten die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht haben.
a) Das Landgericht begründet seine rechtliche Würdigung damit, daß der Angeklagte G. bei dem Überfall auf das Tiermittelgeschäft „Futterhaus” eine ungeladene Schreckschußpistole der Marke Walter P99 eingesetzt hat, um die Angestellten damit einzuschüchtern. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Durch die Bedrohung der Angestellten mit der ungeladenen Schreckschußpistole haben die Angeklagten nicht im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Waffe verwendet. Allerdings ist eine geladene Schreckschußpistole, wie der Große Senat für Strafsachen in seinem Beschluß vom 4. Februar 2003 (GSSt 2/02) klargestellt hat, stets als „Waffe” im Sinne der strafrechtlichen Bestimmungen einzuordnen; maßgebend dafür ist, daß die geladene Schreckschußwaffe, bei der beim Abfeuern der Explosionsdruck nach vorn aus dem Lauf austritt, nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (NStZ 2003, 606 f.; in BGHSt 48, 197 zum Abdruck vorgesehen). Der ungeladenen Schreckschußpistole fehlt dagegen die generelle Gefährlichkeit. Sie unterfällt daher – wie auch die ungeladene „echte” Schußwaffe (BGHSt 44, 103, 105) – nicht dem strafrechtlichen Waffenbegriff.
b) Einen gezielten Einsatz der Schreckschußpistole als Schlagwerkzeug, der sich als Verwenden eines „anderen gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellen könnte, hat die Strafkammer nicht angenommen, obwohl diese Möglichkeit nach dem festgestellten äußeren Sachverhalt nicht ganz fernliegt. Sie geht vielmehr davon aus, daß der Angeklagte G. die Pistole, mit der er den Zeugen S. an der Stirn traf, als er dem Tatplan gemäß in das Gebäude stürmte, nur deshalb in Kopf- bzw. Brusthöhe vor sich hielt, um bei einem – zwar billigend in Kauf genommenen aber nicht planmäßig herbeigeführten – Zusammenprall mit den Angestellten des „Futterhauses” nicht selbst verletzt zu werden (UA S. 9).
c) Das vom Angeklagten R. mitgeführte Elektroschockgerät ist ein „anderes gefährliches Werkzeug” i. S. v. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die Strafkammer hat aber nicht sicher feststellen können, daß R. den Elektroschocker tatsächlich verwendet hätte, etwa indem er – zumindest durch schlüssiges Verhalten – mit dem Einsatz des Geräts gedroht hätte (UA S. 26). Da die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen zweckgerichteten Einsatz des gefährlichen Werkzeugs voraussetzt, reicht es nicht aus, daß der Zeuge S. seinen Angaben zufolge unter anderem deshalb auf weiteren Widerstand verzichtete, weil er das Elektroschockgerät in der Hand des Angeklagten R.sah.
d) Jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen scheidet auch ein zweckgerichteter Einsatz des Pfeffersprays als Nötigungsmittel aus. Danach probierte der anderweitig verfolgte Mittäter Ge. die Spraydose, die ihm von dem Angeklagten R. übergeben worden war, unmittelbar vor dem Überfall aus. Die Strafkammer hat sich nicht davon überzeugen können, daß Ge. nach dem Betreten des „Futterhauses” die Spraydose noch einmal betätigte; sie hält es für möglich, daß sich bei der „Probesprühung” Pfefferspray in Ge. Kleidung verfangen hatte, welches dann auf die Zeugin K. einwirkte, als Ge. die Zeugin zu Boden drückte (UA S. 10).
e) Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß auch eine stramme Fesselung die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklichen kann (vgl. einerseits BGH NStE Nr. 17 zu § 223 a StGB, andererseits BGH StV 1999, 91, 92). Voraussetzung hierfür wäre, daß im konkreten Fall die Kabelbinder nach der Art ihrer Verwendung geeignet waren, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Jedenfalls hinsichtlich der Zeugin K., deren Hände infolge der Fesselung blau anliefen (UA S. 10), erscheint dies nicht von vornherein ausgeschlossen. Der neue Tatrichter wird hierzu nähere Feststellungen treffen müssen.
Unterschriften
Tolksdorf, Pfister, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2557911 |
RÜ 2004, 317 |
StV 2004, 380 |