Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 11. Mai 1998 werden verworfen.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
- Liste, numerisch
- Liste, alpha
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und den Angeklagten M. wegen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1, 253, 255 StGB a.F.). Im übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben keinen Erfolg.
I.
Auf die Sachrügen ist allein zu erörtern, ob der durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998, in Kraft seit 1. April 1998, eingeführte § 250 StGB n.F. gegenüber der zur Tatzeit geltenden Fassung das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB ist.
Die Rückwirkung des milderen Strafgesetzes muß nach § 2 Abs. 3 StGB auch noch das Revisionsgericht beachten. Das gilt selbst für Rechtsänderungen, die nur den Rechtsfolgenausspruch betreffen (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 354 a Rdn. 1 m.w.N.).
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Am 13. Dezember 1996 überfiel der Angeklagte M. gegen Geschäftsschluß mit zwei nicht ermittelten Mittätern einen -Markt in D. , in dem sich drei weibliche Angestellte aufhielten. Dabei bedrohte er eine Kassiererin mit einer silberfarbenen Pistole und ein Mittäter "fuchtelte" mit einem massiven Fleischermesser vor dem Gesicht der Marktleiterin herum, um die Herausgabe des Tresorschlüssels zu erzwingen. Mit einer Beute von über 20.000 DM gelang den Tätern die Flucht. Die Angestellten ließen sie gefesselt und geknebelt zurück.
2. Am 24. Dezember 1996 überfiel der Angeklagte N. mit zwei nicht ermittelten Mittätern gegen Ladenschluß den -Markt in L. , in dem sich drei weibliche Angestellte aufhielten. Im Verlaufe des Überfalls drückte der maskierte Angeklagte einer Kassiererin eine silberfarbene Pistole in den Nacken. Die dem Tresor und den Registrierkassen entnommene Beute betrug ca. 18.000 DM. Die Angestellten, die den Tätern auch noch ihren Schmuck aushändigen mußten und wegen deren brutaler Vorgehensweise um ihr Leben fürchteten, wurden an Händen und Füßen gefesselt auf dem Boden liegend in einem Lagerraum zurückgelassen.
3. Am 4. Juli 1997 überfiel der Angeklagte M. mit einem nicht ermittelten rumänischen Landsmann gegen Geschäftsschluß den -Markt in W. , in dem sich vier weibliche Angestellte befanden. Gleich zu Beginn des Überfalls hielt er einer Kassiererin eine silberfarbene Pistole an die Schläfe. Der zweite Täter bedrohte die übrigen Verkäuferinnen mit einer kleineren schwarzen Pistole. Die aus dem Tresor und den Registrierkassen entnommene Beute belief sich auf ca. 26.000 DM. Während des Überfalls verlor der Angeklagte M. im Tresorraum das mit Platzpatronen gefüllte Magazin der silberfarbenen Pistole. Die vier Frauen, denen die Täter auch noch ihren Schmuck abnahmen, wurden gefesselt und geknebelt auf dem Boden des Lagerraums liegend zurückgelassen.
II.
Das Landgericht hat die Angeklagten nach dem zur Tatzeit geltenden Recht wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. (richtig: § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.), der Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vorsah, verurteilt, die Annahme minder schwerer Fälle des Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB a.F. unter Würdigung aller wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei abgelehnt und Einzelstrafen von jeweils sieben Jahren verhängt. Die Anwendung neuen Rechts hat die Strafkammer nicht geprüft.
Die Strafaussprüche haben trotz der Neugestaltung des § 250 StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts Bestand:
1. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist in den Fällen I 1 und 3 (Straftaten des Angeklagten M. ) das neue Recht nicht das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB. In beiden Fällen haben die Täter gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F., der ebenfalls eine Mindeststrafe von fünf Jahren vorsieht, "bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet".
a) Das bei dem ersten Raubüberfall eingesetzte Fleischermesser ist ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. Dieses hat ein Mittäter des Angeklagten bei der Tat verwendet, indem er es gegenüber der Marktleiterin in einer sie konkret gefährdenden Weise als Drohmittel eingesetzt hat (vgl. BGH StV 1998, 487; BGH, Beschluß vom 30. Juli 1998 - 4 StR 336/98).
b) Bei dem dritten Raubüberfall hat der Angeklagte M. selbst einer Angestellten die mit Platzpatronen geladene silberfarbene Pistole an die Schläfe gehalten. Zwar handelt es sich bei einer geladenen Schreckschußpistole - soweit sich deren Benutzung darin erschöpft, die Existenz einer scharfen Schußwaffe vorzutäuschen - um eine sog. "Scheinwaffe", die von dem "Auffangtatbestand" des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. erfaßt wird (vgl.BGH StV 1998, 486; BGH, Beschluß vom 28. Juli 1998 - 4 StR 240/98). Hingegen unterfällt eine mit Platzpatronen geladene Schreckschußpistole, die dem Opfer an die Schläfe gehalten wird, dem Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. (BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 1998 - 4 StR 245/98 und vom 19. August 1998 - 3 StR 333/98). Bei einer solchen Verwendungsart wird die geladene Schreckschußpistole nämlich zu einem gefährlichen Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Ein aufgesetzter Schuß mit einer Platzpatrone führt aufgrund der austretenden Explosionsgase und der mitgerissenen Munitionspartikel regelmäßig zu gefährlichen Verletzungen. Er kann sogar tödliche Verletzungen hervorrufen (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Schußwaffe 3 m.w.N.).
2. Der Angeklagte N. hat bei dem von ihm verübten Raubüberfall ebenfalls die silberfarbene Pistole mit sich geführt und sie einer Verkäuferin in den Nacken gedrückt. Obwohl es naheliegend ist, daß sich die Schreckschußpistole in dem gleichen Ladezustand befunden hat wie bei dem später von M. verübten Raubüberfall - entsprechende Feststellungen des Landgerichts dazu fehlen -, ist zu Gunsten des Angeklagten N. von einer ungeladenen Schreckschußpistole auszugehen. Der damit anwendbare § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. (vgl. BGH StV 1998, 486) sieht einen Strafrahmen von (nur) drei bis 15 Jahren vor und ist somit das im Vergleich zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. mildere Gesetz.
Die gegen den Angeklagten N. verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren kann gleichwohl bestehen bleiben. Nach dem Tatbild und den Strafzumessungserwägungen des Landgerichts ist auszuschließen, daß die Strafkammer bei Zugrundelegung des Strafrahmens des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F., dessen Höchststrafe im übrigen mit der nach § 250 Abs. 1 StGB a.F. identisch ist, auf eine geringere Strafe erkannt hätte, zumal der Umstand, "daß die verwendeten Waffen nicht scharf waren", bei der Strafzumessung im engeren Sinne ausdrücklich Berücksichtigung gefunden hat (UA 19).
Unterschriften
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 538415 |
NStZ 1999, 136 |
NStZ-RR 1999, 102 |