Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 22.07.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. Juli 2003
im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig ist
des Diebstahls in Tateinheit mit Bedrohung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung,
des versuchten Diebstahls,
des unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis,
der versuchten Nötigung und
- im Strafausspruch im Fall II. 3. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Nötigung, Diebstahls in Tateinheit mit Bedrohung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung, wegen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall und wegen unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeuges in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
I. Nach den Feststellungen, die dem Schuldspruch nach § 240 StGB zugrunde liegen, wollte der Angeklagte einen Besuch bei seiner Lebensgefährtin im Krankenhaus über die Besuchszeit hinaus ausdehnen. Die Nacht- schwester wies ihn darauf hin, daß er hierzu das Einverständnis der im Nachbarbett liegenden Zeugin U. benötige. Nachdem die Nachtschwester das Zimmer verlassen hatte, fragte der Angeklagte die Zeugin U., ob er noch bleiben dürfe. Die Zeugin verneinte dies. Darauf zog der Angeklagte ein Messer, drückte es der Zeugin U. an den Hals und forderte sie auf, zur Nachtschwester zu gehen und ihr zu erklären, sie sei mit seinem weiteren Verbleiben im Krankenzimmer einverstanden. Die Zeugin verließ daraufhin den Raum, begab sich zur Nachtschwester und schilderte dieser die Bedrohung durch den Angeklagten.
Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich danach der vollendeten Nötigung schuldig gemacht, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Entscheidungsgründe
II. 1. § 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die Gewaltanwendung muß in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen (BGHSt 37, 350, 353). Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat (BGH MDR 1979, 280 f.); ein solcher Teilerfolg des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann dann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach der Vorstellung des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH NJW 1997, 1082 f.; BGH NStZ 1987, 70 f.). Dagegen reicht es für die Vollendung des Tatbestandes nicht aus, wenn es dem Täter lediglich gelingt, das Opfer nur zu einem kurzfristigen Verhalten zu zwingen, das nicht Zweck, sondern lediglich Mittel ist, um das vom Täter gewollte Verhalten zu ermöglichen (Tröndle/ Fischer, StGB 51. Aufl. § 240 Rdn. 55) oder wenn das Opfer nur scheinbar mitwirkt, um den Täter zu überführen (Träger/Altvater in LK StGB 11. Aufl. § 240 Rdn. 67).
Ausgehend von diesen Maßstäben tragen die Feststellungen die Annahme einer vollendeten Nötigung nicht. Zwar leistete das Opfer der Aufforderung des Angeklagten insoweit Folge, als es das Zimmer verließ und die Nachtschwester aufsuchte. Damit allein erreichte der Angeklagte aber noch keinen – selbständig bedeutsamen – Teilerfolg. Da das Opfer die verlangte Handlung, sich mit einem weiteren Aufenthalt des Angeklagten im Krankenzimmer einverstanden zu erklären, nicht vorgenommen hat, liegt nur eine versuchte Nötigung vor.
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und bei der Neufassung berücksichtigt, daß das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele nicht in die Urteilsformel aufgenommen wird (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 25). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler bedingt die Aufhebung der verhängten Einzel- und Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe sowie der Gesamtstrafe. Der Senat kann trotz der angesichts des Tatbildes an sich nicht unangemessen hohen Einsatzstrafe nicht völlig ausschließen, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, den zugrunde gelegten bereits nach §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen nochmals nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB abzusenken, und danach auf eine niedrigere Einzel- und Gesamtstrafe erkannt hätte.
3. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat bemerkt ergänzend, daß das Landgericht mit der Wendung in den Urteilsgründen, eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erscheine nicht von vorneherein aussichtslos, zwar den Maßstab für die erforderliche Erfolgsaussicht unzutreffend formuliert hat. § 64 Abs. 2 StGB ist, soweit er auch Fälle erfaßt, in denen es an einer hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlt, nichtig (BVerfGE 91, 1 ff.; vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 64 Rdn. 13). Den weiteren Ausführungen der Strafkammer kann jedoch noch mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß sie den durch die genannte Entscheidung wesentlich erhöhten Anforderungen an den Grad der Erfolgsaussicht einer Entziehungsbehandlung Rechnung getragen hat.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, Winkler, RiBGH Pfister ist im Urlaub und daher an der Unterzeichnung gehindert. Tolksdorf, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2557959 |
NStZ 2004, 442 |
RÜ 2004, 206 |
StraFo 2004, 250 |