Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 17.05.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 17. Mai 2018 – auch bezüglich der Angeklagten K. –
- im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung schuldig sind,
- im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. und die nicht revidierende Mitangeklagte K. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (Angeklagter M.) bzw. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt (Angeklagte K.), wobei es die Vollstreckung letzterer zur Bewährung ausgesetzt hat.
Rz. 2
Die Revision des Angeklagten M., mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist insofern auf die Angeklagte K. zu erstrecken (§ 357 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 3
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestiegen die Angeklagten am 27. September 2016 in Meißen eine S-Bahn. Wenig später betrat die Geschädigte das Abteil und setzte sich lautstark telefonierend wenige Meter vom Angeklagten M. entfernt auf einen Sitzplatz. Nachdem dieser die Geschädigte aufgefordert hatte, das laute Telefonieren zu unterlassen, entwickelte sich ein Wortgefecht mit gegenseitigen Beleidigungen. Als sich die Angeklagten um 23:24 Uhr zum Ausstiegsbereich begaben, um die S-Bahn zu verlassen, belebte sich das Wortgefecht aufs Neue, in dessen Verlauf die Geschädigte den Angeklagten M. bespuckte. Zudem fertigte sie mit ihrem Handy Bildaufnahmen von den Angeklagten an.
Rz. 4
Der Angeklagte M. fasste nunmehr den Entschluss, sich in den Besitz des Handys der Geschädigten zu bringen, um die Bilder zu löschen. In dieser Absicht führte er einen Tritt in ihre Richtung aus, um ihr das Handy aus der Hand zu treten, traf jedoch das Gesicht der Geschädigten. Unmittelbar darauf zog die Mitangeklagte K. eine mit Bleikugeln gefüllte CO2-Pistole und feuerte zwei Schüsse auf die Geschädigte ab, welche diese an Nasenflügel und Unterarm trafen.
Rz. 5
Da die Geschädigte weiterhin ihr Handy in der Hand hielt, entschloss sich der Angeklagte, ihr das Handy endgültig wegzunehmen. Er schlug ihr mehrmals mit wuchtigen Faustschlägen auf den Oberkörper und in das Gesicht, wodurch es ihm gelang, das Handy in seinen Gewahrsam zu nehmen. Die Geschädigte erlitt hierbei ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades und ein Orbitahämatom.
Rz. 6
Um 23:26 Uhr verließen die Angeklagten die S-Bahn mit dem Handy der Geschädigten. Danach löschten sie die auf dem Handy befindlichen Bilder, auf denen sie abgebildet waren, und legten es unter eine Tanne.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 7
1. Die Verurteilung wegen schweren Raubes hat keinen Bestand. Das Landgericht hat eine Zueignungsabsicht der Angeklagten bei der Wegnahme des Handys mit der Begründung angenommen, deren Wille sei zumindest vorübergehend darauf gerichtet gewesen, wie ein Eigentümer über die auf dem Handy gespeicherten Daten zu verfügen. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 8
Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben” oder zuführen will (BGH, Urteile vom 28. Juni 1961 – 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192; vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699). An dieser Voraussetzung fehlt es dagegen in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseite zu schaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 – 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 jeweils mwN).
Rz. 9
Entsprechend verhält es sich in Fällen, in denen der Täter ein Handy lediglich in der Absicht wegnimmt, dort abgespeicherte Bilder zu löschen. Eine Zueignungsabsicht ist in solchen Konstellationen nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Handy – wenn auch nur vorübergehend – über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten will (BGH, Beschluss vom 28. April 2015 – 3 StR 48/15, NStZ-RR 2015, 371; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 – 3 StR 392/11, NStZ 2012, 627 zur Zueignungsabsicht bei Durchsuchung und Kopieren vom Speicher des entwendeten Handys). Ein auf eine Aneignung gerichteter Wille lässt sich den getroffenen Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Er versteht sich auch nicht von selbst. Sowohl der Anlass für die Wegnahme als auch die Besitzaufgabe am Handy kurz nach der Tat sprechen vielmehr dafür, dass die Angeklagten das Handy nicht über den Löschungsvorgang hinaus behalten wollten.
Rz. 10
2. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung nicht wirksamer hätte verteidigen können. Eine Verurteilung wegen Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB scheidet wegen eines insoweit bestehenden Verfahrenshindernisses (vgl. § 303c StGB) aus.
Rz. 11
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die bisherigen, der Bemessung der Freiheitsstrafe zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen.
Rz. 12
Der Senat weist jedoch darauf hin, dass das Landgericht beim Angeklagten M. nach den getroffenen Feststellungen die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB rechtsfehlerhaft angenommen hat. Die Strafkammer ist insofern ersichtlich davon ausgegangen, dass der Verwendung der CO2-Pistole durch die Mitangeklagte K. kein entsprechender gemeinsamer Tatplan zugrunde lag (UA S. 18). Entgegen ihrer Auffassung kommt eine Zurechnung zum Angeklagten M. nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft jedoch nicht in Betracht, weil der Einsatz der Pistole zum Zeitpunkt der Fortsetzung der Gewalthandlungen durch diesen bereits beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 2 StR 14/13, BGHR StGB § 25 Abs 2 Mittäter 37). Die Verwirklichung von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB hat das Landgericht (auch) beim Angeklagten M. dagegen rechtsfehlerfrei bejaht.
III.
Rz. 13
Die Änderung des Schuldspruchs und die Aufhebung des Strafausspruches ist gemäß § 357 StPO auf die nicht revidierende Mitangeklagte K. zu erstrecken. Auch deren Verurteilung beruht auf der unzutreffenden Annahme einer Zueignungsabsicht hinsichtlich des entwendeten Handys.
Unterschriften
Mutzbauer, König, RiBGH Dr. Berger ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer, Mosbacher, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 12811799 |
NStZ 2019, 344 |
ZAP 2019, 544 |
JuS 2019, 402 |
NStZ-RR 2019, 6 |
Kriminalistik 2019, 247 |
NPA 2019 |
StRR 2019, 19 |
StRR 2019, 2 |
StV 2019, 388 |
Jura 2019, 682 |