Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung des Versorgungsausgleiches bei Ehescheidung
Leitsatz (amtlich)
- Der Anspruch auf Ausgleichsrente endet grundsätzlich mit dem Tod des Ausgleichspflichtigen. - Ob das auch gilt, wenn die auszugleichende Versorgung über diesen Zeitpunkt hinaus gezahlt wird (etwa: bis zum Ende des Sterbemonats), bleibt offen.
- Ein Anspruch auf Ausgleichsrente für die vorhergehende Zeit richtet sich nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen gegen dessen Erben.
Normenkette
BGB § 1587g Abs. 1 S. 2, § 1585b Abs. 3, § 1967; VAHRG § 2; BGB § 1587e Abs. 4
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 15.678 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 17. Mai 1920 geborene Antragstellerin (Ehefrau) und der am 5. November 1918 geborene Gottfried (Fred) E. (Ehemann) heirateten im Jahre 1943. Durch Verbundurteil vom 11. Mai 1983, das seit dem 5. August 1983 rechtskräftig ist, wurde die Ehe auf Antrag des Ehemanns geschieden und der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Ehefrau geregelt. Der Ehefrau wurde der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten. Dem liegt zugrunde, daß der Ehemann bereits seit dem 30. April 1981 von der Pensionskasse der Angestellten der H. Aktiengesellschaft (heute: Pensionskasse der Mitarbeiter der H. Aktiengesellschaft WaG; fortan: Pensionskasse) eine voll in der Ehezeit erdiente, lebenslange, nicht dynamische Rente als betriebliche Altersversorgung bezog. In dem Urteil ist ausgeführt, nach dem am 1. April 1983 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich finde anstelle der bisher geltenden Regelung des § 1587 b Abs. 3 BGB der schuldrechtliche Versorgungsausgleich statt, sobald die Voraussetzungen des § 1587 g Abs. 1 Satz 2 BGB vorlägen. Dies sei im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht der Fall gewesen.
Seit dem 1. September 1983 bezieht die Ehefrau von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufgrund der ihr im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Mit Antrag vom 30. März 1984, der dem Ehemann am 16. Mai 1984 zugestellt worden ist, hat die Ehefrau bei dem Familiengericht die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beantragt. Der Ehemann ist am 23. Mai 1984 gestorben und von dem Sohn der Parteien beerbt worden. Gegen diesen (fortan: Antragsgegner) betreibt die Antragstellerin das Verfahren weiter. Sie hat geltend gemacht, daß die geschiedene Ehefrau gemäß § 26 I 1 der Satzung der Pensionskasse nach dem Tode des Mitglieds eine Witwenrente erhält, "wenn und soweit ... bei einer Ehescheidung nach dem 30.06.1977 ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich aus dieser Mitgliedschaft nach § 1587 f ff. BGB vorliegt". Ohne die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erbringe die Pensionskasse ihr keine Leistungen.
Das Familiengericht hat den Antrag abgewiesen, weil der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach dem Tode des Verpflichteten nicht mehr möglich sei. Das Oberlandesgericht, das die Pensionskasse an dem Verfahren beteiligt hat, hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt diese ihren Antrag weiter.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1.
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Antragstellerin könne ein Anteil an der von ihrem früheren Ehemann während der Ehezeit verdienten Betriebsrente im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht (mehr) zugesprochen werden. Der Anspruch aus dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich richte sich nicht gegen den Nachlaß; § 1586b Abs. 1 BGB sei nicht entsprechend anwendbar. Allerdings stelle die Satzung der Pensionskasse für die geschiedene Witwe eigene Ansprüche bereit. Gleichwohl sei das Gericht nicht in der Lage, nach dem Tode des Verpflichteten das Versorgungsausgleichsverfahren gegen den Nachlaß fortzusetzen. Denn der Erbe des Verpflichteten habe mit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nichts zu tun; ihm ständen insbesondere keinerlei Rechte gegenüber der Pensionskasse zu. Dem Erben gegenüber könne daher der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nicht mehr geregelt werden.
2.
Dem ist nicht allenthalben zu folgen.
a)
Der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts trifft zu: Für den Ausgleich der Betriebsrente des Ehemanns stand der schuldrechtliche Versorgungsausgleich zur Verfügung. Das ergibt sich aus § 2 VAHRG i.d.F. des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 (BGBl I 2317). Die Vorschrift gilt rückwirkend ab 1. April 1983 (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 VAHRG).
b)
Die Ehefrau kann daher nach § 1587g Abs. 1 Satz 1 BGB eine Ausgleichsrente verlangen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 der Vorschrift erfüllt sind. Das ist der Fall, seit sie ab 1. September 1983 ebenfalls eine Versorgung erlangt hat.
c)
Da der Ehemann inzwischen verstorben ist, stellt sich die umstrittene Frage, ob der Anspruch der Ehefrau auf Ausgleichsrente dadurch berührt worden ist. Der Senat hat dazu bisher nicht Stellung zu nehmen brauchen (offengelassen im Beschluß vom 24. Februar 1982 - IVb ZB 508/80 - FamRZ 1982, 473, 474).
Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und in welcher Weise sich der Tod des Ausgleichspflichtigen auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auswirkt. Die Vorschrift des § 1587e Abs. 4 BGB, nach der der Ausgleichsanspruch mit dem Tod des Verpflichteten nicht erlischt, gilt schon nach ihrer Stellung im Gesetz nur für den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Einen Anhalt gibt jedoch § 1587k Abs. 1 BGB, wonach auf die Ausgleichsrente nach § 1587g Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmte Vorschriften über den Ehegattenunterhalt entsprechend anzuwenden sind. Denn dabei wird § 1586b BGB ausgespart, der bestimmt, daß die Unterhaltspflicht mit dem Tod des Verpflichteten auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergeht. Das deutet darauf hin, daß der Anspruch auf Ausgleichsrente nach der Vorstellung des Gesetzgebers den Nachlaß des Verpflichteten nicht belastet, sondern - im Gegensatz zur Unterhaltspflicht - mit dessen Tod endet. Das entspricht auch dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs und insbesondere dem Sinn und Zweck der Ausgleichsrente. Durch diese Rente, die der Ausgleichsberechtigte von dem Verpflichteten verlangen kann, soll er laufend an dessen Versorgung beteiligt werden. Er kann sie daher grundsätzlich nicht länger beanspruchen, als die Versorgung, die durch die Rente ausgeglichen werden soll, bezogen wird. Da die Ansprüche aus dieser Versorgung mit dem Tod des Beziehers enden, muß dasselbe auch für den Anspruch auf die Ausgleichsrente gelten. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung (OLG Koblenz FamRZ 1985, 497; s. auch BVerfGE 71, 364, 372, 387) und Schrifttum (Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch 1. EheRG § 1587k BGB Rdn. 7; Erman/Ronke BGB 7. Aufl. § 1587k Rdn. 5; Gernhuber Familienrecht 3. Aufl. § 28 VIII 12, S. 370 f; Göppinger/Wenz, Vereinbarungen anläßlich der Ehescheidung, 5. Aufl. Rdn. 388; Höfer/Abt, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., Bd. I, Arb. Gr. Rdn. 610, S. 278 f; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht BGB § 1587f Rdn. 5 und § 1587k Rdn. 5; MünchKomm/Maier BGB 2. Aufl. § 1587k Rdn. 8; Rudolph Betr.AV 1977, 134, 135; Bergner, Deutsche Rentenversicherung 1977, 1, 80; Ruland NJW 1976, 1713, 1720; Schmalhofer DÖD 1977, 145, 150; Schmidbauer/Wellner, Der Versorgungsausgleich, Ziff. 188, S. 205; Soergel/Vorwerk BGB 12. Aufl. § 1587k Rdn. 6; im Grundsatz ebenso Ruland/Tiemann Versorgungsausgleich Rdn. 558). Im Gesetzgebungsverfahren ist auch der Rechtsausschuß des Bundestages davon ausgegangen, daß der Berechtigte keine Leistungen mehr erhält, wenn der Ausgleichsverpflichtete stirbt; "der Anspruch richtet sich nämlich nicht gegen die Erben des Verpflichteten" (BT-Drucks. 9/2296 S. 12). Der Gegenmeinung, die die Vorschrift des § 1586b Abs. 1 BGB hier analog anwenden will (Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1587k Rdn. 6; Palandt/Diederichsen BGB 48. Aufl. § 1587k Anm. 3; s. auch Ambrock Ehe- und Ehescheidung § 1587k BGB Anm. 2 a.E. und AK-BGB/Höhler/Troje § 1587k Rdn. 2), vermag der Senat aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen.
d)
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies jedoch nicht, daß die Ehefrau überhaupt keine Ausgleichsrente verlangen kann; vielmehr kommt ein solcher Anspruch für die Zeit bis zum Tode des Ehemannes in Betracht. Da sie die Voraussetzungen des § 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB - wie unter b) ausgeführt - erfüllt, kann sie die Ausgleichsrente gemäß § 1587k Abs. 1 i.V. mit § 1585b Abs. 2 BGB ab Eintritt des Verzuges, spätestens ab Rechtshängigkeit ihres Antrages (16. Mai 1984) verlangen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 1982 a.a.O. und vom 28. November 1984 - IVb ZB 782/81 - FamRZ 1985, 263, 265). Diesen Anspruch, für den der Antragsgegner als Erbe des Ehemannes gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet, kann sie im Verfahren des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gegen ihn geltend machen.
e)
Der angefochtene Beschluß kann daher nicht bestehenbleiben. Da weitere Aufklärung - zumindest zur Höhe des Anspruchs - erforderlich ist, ist die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
aa)
Bisher hat die Ehefrau nicht dargelegt, daß sie ihren Anspruch auf Ausgleichsrente vor Rechtshängigkeit des Antrages in Verzug begründender Weise angemahnt habe (§ 1587k Abs. 1 i.V. mit § 1585b Abs. 2 BGB). Die Zurückverweisung der Sache gibt ihr Gelegenheit, dazu noch vorzutragen. Wenn sie eine Mahnung behauptet, werden an deren Bestimmtheit keine strengen Anforderungen zu stellen sein. Da der Berechtigte die begehrte Ausgleichsrente im gerichtlichen Verfahren nicht zu beziffern braucht, muß dasselbe auch für die Mahnung gelten (KG FamRZ 1987, 287, 289 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Hahne a.a.O. § 1587k Rdn. 3).
bb)
Wie unter c) ausgeführt, beruht die Auffassung des Senats, daß der Anspruch auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente mit dem Tod des Ausgleichspflichtigen endet, wesentlich auf der Erwägung, daß die Rente grundsätzlich nicht länger beansprucht werden kann, als die auszugleichende Versorgung - hier also die Betriebsrente des Ehemannes - bezogen wird. Betriebsrenten werden aber nicht in jedem Fall genau (nur) bis zum Tod des Rentenberechtigten gezahlt. Je nach näherer Bestimmung der ihr zugrundeliegenden Satzung oder sonstigen Regelung läuft sie vielfach bis zum Ende des Sterbemonats oder sogar darüber hinaus. Derartiges kommt auch hier in Betracht. Zwar enthält die Satzung der Pensionskasse insoweit keine besondere Bestimmung, doch scheint sie in § 37 Abs. 2 davon auszugehen, daß die Rente für den Sterbemonat grundsätzlich voll gezahlt wird. Ist dies der Fall, was das Oberlandesgericht gegebenenfalls aufzuklären hat, so stellt sich die Frage, ob entsprechend die Ausgleichsrente über den Todestag des Ehemannes hinaus bis zum Ende des Sterbemonats verlangt werden kann. Da diese Frage bisher nicht erörtert und der Sachverhalt insoweit nicht aufgeklärt ist, sieht der Senat von einer abschließenden Stellungnahme dazu ab. Er weist jedoch darauf hin, daß die Sachgründe, auf die mangels einer klaren gesetzlichen Regelung zurückzugreifen ist, dafür sprechen, die Dauer der Ausgleichsrente eher am Bezug der Betriebsrente als an dem Todestag des Ehemannes auszurichten.
cc)
Das Oberlandesgericht hat seine Kostenentscheidung auf § 93a ZPO, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 17a GKG gestützt. Da die vorliegende Familiensache aber keine Folgesache ist, gelten für die Kostenentscheidung § 13a FGG, im übrigen die Vorschriften der Kostenordnung (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber a.a.O. vor § 53b FGG Rdn. 24).
3.
Der Senat braucht keine Kostenentscheidung zu treffen, da sich die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten unmittelbar aus § 131 KostO ergibt und die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten (§ 13a FGG) auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde vom Oberlandesgericht zu treffen ist (Keidel/Kuntze/Winkler FG Teil A § 13a FGG Rdn. 36 ff).
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 KostO.
Unterschriften
Lohmann
Portmann
Richter Dr. Blumenröhr ist im Urlaub und kann nicht unterschreiben. Lohmann
Zysk
Nonnenkamp
Fundstellen