Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Arbeitererfindervergütung
Leitsatz (amtlich)
a) Bei einem nach § 38 ArbEG unbezifferten Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Erfindervergütung ist der Streitwert, soweit der Kläger nicht einen verbindlichen Mindestbetrag angegeben hat, in freier Schätzung nach § 3 ZPO festzusetzen, wobei grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet. Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insb. zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.
b) Zielt das Klagebegehren auf eine grundsätzlich abweichende rechtliche Beurteilung der Höhe einer angemessenen Vergütung, muss sich dieses Rechtsschutzziel im Streitwert niederschlagen. Dabei ist jedoch umso mehr Zurückhaltung geboten, desto fernliegender es erscheint, dass die rechtlichen Erwägungen des Klägers die Höhe des Vergütungsanspruchs maßgeblich bestimmen könnten.
Normenkette
ArbEG § 38; ZPO § 3
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.05.2009; Aktenzeichen 6 U 68/08) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 12.03.2008; Aktenzeichen 2/6 O 440/07) |
Tenor
Die Gegenvorstellung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung vom 6.3.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. Der Kläger war u.a. als Leiter des Controllings "Verkauf Pharma International" und zuletzt als Leiter der "Strategischen Geschäftseinheit Dermatika" bei der Beklagten beschäftigt. Er hat geltend gemacht, dass eine mit der Beklagten geschlossene Vergütungsvereinbarung betreffend die Erfindung eines antimykotisch wirksamen Nagellacks zur Behandlung von Nagelpilzerkrankungen ungeachtet dessen, dass ihm aufgrund dieser Vereinbarung bereits eine Erfindervergütung i.H.v. 1.078.693 EUR zugeflossen ist, erheblich unbillig und damit nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ArbEG unwirksam sei. Seine Stufenklage, die in der letzten Stufe einen unbezifferten Zahlungsantrag enthalten hat, ist vom LG abgewiesen worden. Seine Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Beide Instanzen haben den Streitwert jeweils auf 1 Mio. EUR festgesetzt. Mit Urteil vom 6.3.2012 hat der Senat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Mit Beschluss vom selben Tag hat der Senat den Wert des Streitgegenstands für die Revision ebenfalls auf 1 Mio. EUR festgesetzt.
Rz. 2
Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in eigenem Namen mit seiner Gegenvorstellung vom 22.3.2012. Zur Begründung führt er aus, dass der Kläger in der Revisionsbegründung vom 18.7.2011 beansprucht habe, der Vergütungsberechnung einen Nettoerfindungswert i.H.v. 448.444.854,80 US-Dollar zugrunde zu legen, was an diesem Tag einem Betrag von 317.933.263 EUR entsprochen habe. Der Kläger habe außerdem die Heranziehung eines Anteilsfaktors i.H.v. 30 Prozent begehrt, so dass sich unter Berücksichtigung des unstreitigen Miterfinderanteils des Klägers von 10 Prozent eine Erfindervergütung i.H.v. 9.537.998 EUR errechne. Er beantragt, den Streitwert, wie schon in der mündlichen Verhandlung angeregt, an den Vergütungsvorstellungen des Revisionsklägers zu Beginn der Revisionsinstanz zu orientieren und entsprechend heraufzusetzen.
Rz. 3
Der Kläger, der keinen Mindestbetrag angegeben und keine Angaben zum Streitwert gemacht hat, wendet sich gegen die beantragte Heraufsetzung des Streitwerts. Der Streitwert eines unbezifferten Zahlungsantrages bemesse sich nach dem Betrag, den das Gericht zusprechen werde, weswegen im Rahmen der Streitwertfestsetzung eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen sei. Insoweit bestehe keine Veranlassung, den Streitwert heraufzusetzen.
Rz. 4
II. Die Gegenvorstellung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist in analoger Anwendung des § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986, 737; Beschl. v. 7.4.2011 - VII ZR 66/07 Rz. 7), aber nicht begründet.
Rz. 5
1. Der Wert des Streitgegenstands der Revision bestimmt sich nach den Schlussanträgen des Klägers aus der Vorinstanz, die er mit seiner Revision weiter verfolgt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Von im Wege der Stufenklage miteinander verbundenen Schlussanträgen ist allein der Leistungsantrag für die Streitwertbestimmung maßgebend (§ 44 GKG). Ist dieser - wie im Streitfall - nicht beziffert (§ 38 ArbEG) und hat der Kläger auch keinen Mindestbetrag genannt, ist der Streitwert in freier Schätzung nach § 3 ZPO festzusetzen, wobei grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet (Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rz. 16 "unbezifferte Klageanträge" m.w.N.). Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insb. zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.
Rz. 6
Allerdings kann die Bewertung des mit der Klage verfolgten Interesses des Klägers sich nicht stets auf das schlüssige Vorbringen des Klägers und denjenigen Betrag beschränken, der ihm, ggf. nach Beweisaufnahme, auf dieser Grundlage zuerkannt werden könnte. Zielt das Klagebegehren, wie im Streitfall, auf eine grundsätzlich abweichende rechtliche Beurteilung der Höhe einer angemessenen Vergütung, muss sich dieses Rechtsschutzziel im Streitwert niederschlagen. Dabei ist jedoch umso mehr Zurückhaltung geboten, desto fernliegender es erscheint, dass die rechtlichen Erwägungen des Klägers die Höhe des Vergütungsanspruchs maßgeblich bestimmen könnten.
Rz. 7
2. Nach diesen Grundsätzen besteht keine Veranlassung, den Streitwert höher als 1 Mio. EUR festzusetzen.
Rz. 8
Der Kläger hat aufgrund der mit der Beklagten geschlossenen Vergütungsvereinbarung bereits eine Erfindervergütung i.H.v. knapp über 1 Mio. EUR erhalten. Seine auf die Zahlung einer weiteren Erfindervergütung nach § 9 Abs. 1 ArbEG gerichtete Klage wäre nur erfolgreich gewesen, wenn er schlüssig dargetan hätte, dass diese Vergütungsvereinbarung wegen eines objektiv erheblichen Missverhältnisses zwischen der gesetzlich geschuldeten und der in der Vereinbarung niedergelegten Leistung nach § 23 Abs. 1 ArbEG unwirksam gewesen wäre (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 4.10.1988 - X ZR 71/86, GRUR 1990, 271 - Vinylchlorid). Dafür wird in der Praxis regelmäßig ein Mindestnachforderungsbetrag i.H.v. 50 Prozent der vereinbarten Vergütung verlangt (vgl. Bartenbach/Volz, ArbEG, 4. Aufl., § 23 Rz. 22.1; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen - Praxisleitfaden, 5. Aufl. Rz. 381; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl., § 23 ArbEG Rz. 6; Volz, FS Bartenbach (2004), S. 199, 208 f.; Schwab, ArbEG, 1. Aufl., § 23 Rz. 9), woraus sich für die Klage ein Mindestnachforderungsbetrag i.H.v. 500.000 EUR ergäbe. Diesen Betrag hat der Senat in freier Schätzung (§ 3 ZPO) und in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Vorinstanzen auf 1 Mio. EUR erhöht, weil das Begehren des Klägers auf eine deutlich höhere Vergütung als die bislang erhaltene gerichtet war.
Rz. 9
Demgegenüber stellen sich die Angaben des Klägers zur Errechnung der Erfindervergütung auf der Grundlage der Umsatzrendite der Beklagten und in Anlehnung an die Vergütung von Hochschulerfindungen als aufgrund des Erfindungswertes unter Berücksichtigung des Anteilsfaktors und des Miterfinderanteils des Klägers für die rechtliche Beurteilung ganz überwiegend unmaßgebliche Einschätzungen und persönliche Rechtsansichten dar, die für die Streitwertbestimmung nicht heranzuziehen sind.
Entsprechend würde eine Streitwertfestsetzung auf einen Betrag weit über 1 Mio. EUR, wie sie die Gegenvorstellung fordert, den Bereich des Angemessenen verlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 3092966 |
EBE/BGH 2012 |
GRUR 2012, 959 |
MDR 2012, 875 |
NZA-RR 2012, 492 |
AGS 2012, 423 |
GRUR-Prax 2012, 325 |
IPRB 2012, 173 |
Mitt. 2012, 472 |
RVG prof. 2012, 181 |