Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 28.11.2023; Aktenzeichen 33 KLs 19/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 28. November 2023 im Schuld- und Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte im Sommer 2022 jedenfalls 1.137,91 Gramm Marihuana, das er in zwei Kühlboxen im Keller lagerte, um hiermit möglichst lange seinen Eigenkonsum zu sichern. Kurze Zeit später entschloss er sich jedoch, einen Teil dieser Droge gewinnbringend weiterzuveräußern, was er in der Folge im Eingangsbereich seines Wohnhauses auch tat.
Rz. 3
Er verfügte am 29. Januar 2023 an seiner Wohnanschrift neben dem vorgenannten Marihuana mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 212 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) über 204,16 Gramm Cannabiskraut mit einer Wirkstoffmenge von 3,88 Gramm THC, 246,26 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 77,8 Gramm THC und 11,167 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 10 Gramm Kokainhydrochlorid. 250 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 46 Gramm THC waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das übrige Marihuana diente ebenso wie das Cannabiskraut, Haschisch und Kokain dem Eigenkonsum des Angeklagten.
Rz. 4
In einer über der Haustür angebrachten, für ihn leicht erreichbaren Halterung bewahrte der Angeklagte einen Baseballschläger und wenige Meter von der Hauseingangstür entfernt auf einer offenen Ablagefläche ein funktionsfähiges sogenanntes Butterflymesser auf. Die Gegenstände dienten dazu, sie im Falle einer Auseinandersetzung mit einem Betäubungsmittelabnehmer gegen diesen einzusetzen.
Rz. 5
2. Der Schuldspruch hat im Hinblick auf das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln keinen Bestand, da nach Urteilsverkündung das Cannabisgesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109) mit Wirkung vom 1. April 2024 in Kraft getreten ist und durch das Revisionsgericht in der hiesigen Konstellation nicht entschieden werden kann, ob die zum Tatzeitpunkt oder nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und daher anzuwenden ist (§ 354a StPO).
Rz. 6
a) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, das anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt. Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24; Urteil vom 28. Februar 2018 - 2 StR 45/17, juris Rn. 14; jeweils mwN).
Rz. 7
b) Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht abschließend bestimmen, welches Gesetz vorliegend das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist.
Rz. 8
aa) Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 52 StGB bewertet, insoweit jeweils minder schwere Fälle angenommen und den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Da Cannabis im Sinne des § 1 Nr. 8 KCanG den Gegenstand der Handelsmenge bildete, käme nunmehr - neben dem tateinheitlichen Erwerb (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG) und Besitz (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG) von Cannabis sowie dem tateinheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Bezug auf das Kokain - eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG) in Betracht. Eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ist ab einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC gegeben (s. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24; vom 14. Mai 2024 - 3 StR 115/24).
Rz. 9
bb) Der konkret anzuwendende Strafrahmen nach § 34 Abs. 4 KCanG ist nicht zwingend günstiger als der vom Landgericht herangezogene des § 30a Abs. 3 BtMG. Zwar lässt § 34 Abs. 4 KCanG beim bewaffneten Handeltreiben mit Cannabis im Vergleich zu § 30a BtMG nur geringere Strafen zu, soweit die Regelungen für den Qualifikationstatbestand und die minder schweren Fälle jeweils nur miteinander verglichen werden. Allerdings ist es eine vom Tatgericht zu entscheidende Wertungsfrage, ob ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis vorliegt (s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24).
Rz. 10
In Ansehung des von dem Landgericht im Rahmen des § 30a BtMG berücksichtigten Umstandes, wonach der Angeklagte ausschließlich mit der „weichen Droge“ Marihuana Handel getrieben habe, dem jedoch für die Strafzumessung nach der allein Cannabis betreffenden Vorschrift des § 34 KCanG keine Bedeutung zukommt, bedarf es infolge der Gesetzesänderung einer neuen Bewertung durch das Tatgericht. Dieses wird zu entscheiden haben, ob es aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis für gegeben hält und damit das Konsumcannabisgesetz als dann milderes Gesetz Anwendung findet oder ob dies nicht der Fall ist und bei erneuter Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt weiterhin das Betäubungsmittelgesetz maßgeblich bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24).
Rz. 11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage.
Rz. 12
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf der Grundlage der Revisionsrechtfertigung, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführt ist, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die den Schuld- und Strafausspruch betreffenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Berg |
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Anstötz |
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Erbguth |
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Kreicker |
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Voigt |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16454515 |