Leitsatz (amtlich)

a) Wird gegen einen Notar die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO wegen des Verdachts einer geistigen Erkrankung betrieben, so gilt er für das gesamte Verfahren unabhängig davon als verfahrensfähig, ob ihm auf Grund der Erkrankung ggf. die Geschäftsfähigkeit ermangelt. Er kann daher die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe selbst wirksam erheben, auch wenn für ihn ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Vertretung im Amtsenthebungsverfahren" bestellt worden ist.

b) Ist dem Notar in einem derartigen Fall ein Betreuer bestellt worden, so werden die Fristen für die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe allein durch die Eröffnung (§ 50 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 BNotO) bzw. Bekanntmachung (§ 111 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 4 S. 2 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO) der anfechtbaren Entscheidung an den Betreuer in Gang gesetzt. Dies gilt auch für den Rechtsbehelf, den der Notar selbst einlegt.

 

Normenkette

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 4

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Beschluss vom 27.10.2003; Aktenzeichen Not 16/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem OLG Celle v. 27.10.2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 50.000 EUR.

 

Gründe

I.

Der 1947 geborene Antragsteller ist seit 1977 als Rechtsanwalt bei dem LG H. zugelassen. 1987 wurde er zum Notar mit Amtssitz in H. bestellt.

Mit Bescheid v. 27.9.2002 enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller vorläufig seines Amtes als Notar, weil dringende Gründe für die Annahme sprächen, dass er infolge einer Schwäche seiner geistigen Kräfte nicht nur vorübergehend unfähig sei, dieses Amt ordnungsgemäß auszuüben (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO). Gleichzeitig ordnete die Antragsgegnerin an, dass sich der Antragsteller zur Überprüfung, ob er wegen Geistesschwäche das Amt eines Notars nicht ausüben könne, unverzüglich amtsärztlich untersuchen lasse. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 1.10.2002 zugestellt. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte er hiergegen nicht. Der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung kam er indessen in der Folge nicht nach, obwohl ihm mehrfach Termine zur Vorstellung bei dem zuständigen Amtsarzt genannt wurden.

Auf Veranlassung der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller vom AG H. am 28.11.2002 gem. § 50 Abs. 4 BNotO der Rechtsanwalt und Notar T. als Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in dem auf die Amtsenthebung gerichteten Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO".

Da alle Bemühungen scheiterten, den Antragsteller zu einer amtsärztlichen Untersuchung zu bewegen, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Verfügung v. 28.3.2003 gem. § 50 Abs. 3 S. 3 BNotO mit, dass sie nunmehr beabsichtige, ihn auf der Grundlage der ihr vorliegenden anderen Erkenntnisquellen endgültig seines Amts zu entheben, da diese Quellen belegten, dass er wegen einer psychischen Erkrankung dauerhaft nicht in der Lage sei, das Amt des Notars auszuüben. Diese Verfügung ließ die Antragsgegnerin dem Betreuer des Antragstellers am 3.4.2003 zustellen. Dem Antragsteller persönlich wurde sie nicht bekannt gemacht. Der Betreuer übermittelte sie ihm erst mit Schreiben v. 5.5.2003, das am 7.5.2003 beim Antragsteller einging.

Nachdem innerhalb eines Monats nach Zustellung an den Betreuer gegen die Verfügung v. 28.3.2003 ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 50 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 BNotO) nicht gestellt wurde, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben v. 12.5.2003 mit, dass sie nunmehr beabsichtige, ihn endgültig seines Amtes zu entheben, da auf Grund des nicht angefochtenen Bescheides v. 28.3.2003 rechtskräftig feststehe, dass die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO vorlägen. Gleichzeitig räumte sie dem Antragsteller eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ein. Auch dieses Schreiben wurde allein dem Betreuer des Antragstellers am 15.5.2003 zugestellt. Dieser leitete es noch am selben Tag per Telefax an den Antragsteller weiter. Eine Stellungnahme wurde innerhalb der gesetzten Frist weder vom Antragsteller noch von seinem Betreuer abgegeben.

Daraufhin enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid v. 4.6.2003 endgültig seines Amtes als Notar und bezog sich zur näheren Begründung auf ihre Verfügung v. 28.3.2003. Dieser Bescheid wurde dem Betreuer des Antragstellers am 12.6.2003 zugestellt. Hiergegen hat der Antragsteller mit persönlichem Schreiben v. 10.7.2003, per Telefax eingegangen am selben Tag, beim OLG Celle gerichtliche Entscheidung beantragt. In einer nachgereichten Begründung zu diesem Antrag hat er sich u.a. auch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin v. 28.3.2003 gewandt und beantragt, diesen Bescheid - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - ebenfalls aufzuheben.

Der Senat für Notarsachen beim OLG hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluß v. 27.10.2003 zurückgewiesen.

Dieser Beschluss ist dem Antragsteller persönlich am 26.11.2003 und seinem Betreuer am 28.11.2003 zugestellt worden. Am 9.12.2003 hat der Antragsteller mit Telefax-Schreiben zum OLG sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt.

I.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 111 Abs. 4 S. 1 BNotO) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 111 Abs. 4 S. 2 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO). Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nach den vorliegenden Erkenntnissen auf Grund einer geistigen Erkrankung möglicherweise nicht geschäftsfähig (§ 104 Nr. 2 BGB) ist mit der Folge, dass ihm grundsätzlich die Fähigkeit ermangelt, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 111 Abs. 4 S. 2 BNotO, § 40 Abs. 4 BRAO) selbstständig als Beteiligter aufzutreten und Verfahrenshandlungen wirksam vorzunehmen (Verfahrensfähigkeit; vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 13 Rz. 32, 44). Denn die Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, dass derjenige, der an einer geistigen Erkrankung leidet, für die Verfahren, in denen darüber entschieden wird, ob und ggf. welche rechtlichen Konsequenzen aus einer derartigen Erkrankung zu ziehen sind, als verfahrensfähig gilt (vgl. BVerfGE 10, 302 [306]; BGH BGHZ 35, 1 [8 ff.]; BGHZ 70, 252 [255 f.]). Dies ist auch für das anwaltsgerichtliche Verfahren über die Rücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 BRAO allgemein anerkannt (s. BGH, Beschl. v. 17.2.1992 - AnwZ (B) 60/91, BRAK-Mitt. 1992, 171; BGHZ 52, 1). Für das Verfahren über die Amtsenthebung eines Notars gem. § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO kann nichts Anderes gelten (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 50 Rz. 41).

2. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das OLG angenommen, dass im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen ist, ob der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, sein Amt ordnungsgemäß auszuüben.

a) Durch die Verfügung der Antragsgegnerin v. 28.3.2003 ist das Amtsenthebungsverfahren (Vorschaltverfahren) eingeleitet worden. Wird gegen eine derartige Verfügung nicht von dem nach § 50 Abs. 3 S. 3 BNotO eingeräumten Antragsrecht Gebrauch gemacht, so hat das zur Folge, dass es dem Betroffenen verwehrt ist, die nach Eröffnung der Amtsenthebungsgründe folgende Amtsenthebung mit der Begründung anzufechten, die Amtsenthebungsgründe lägen nicht vor. Die dem Notar eröffnete Möglichkeit, die Feststellung, ob in den Fällen des § 50 Abs. 1 Nr. 5 bis 9 BNotO die Voraussetzung der Amtsenthebung vorliegen, in einem gesonderten Verfahren vorweg überprüfen zu lassen, führt nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsschutzes. Die dort festgestellten Amtsenthebungsgründe sind im anschließenden Streit um die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung grundsätzlich bindend (BGH BGHZ 44, 65 [72]; v. 13.10.1980 - NotZ 7/80, BGHZ 78, 229 [230 f.] = MDR 1981, 226; v. 13.10.1980 - NotZ 11/80, BGHZ 78, 232 [2339 = MDR 1981, 226; BGH v. 3.12.2001 - NotZ 16/01, BGHZ 149, 230 [232] = MDR 2002, 424 = BGHReport 2002, 307). Entsprechendes gilt für den Fall, dass eine gerichtliche Prüfung des Amtsenthebungsgrundes infolge des Umstands, dass von dem nach § 50 Abs. 3 S. 3 BNotO eingeräumten Antragsrecht kein oder nicht fristgerecht Gebrauch gemacht worden ist, unterblieben ist. Das Unterlassen oder Versäumen des rechtzeitigen Antrags steht rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung des Amtsenthebungsgrundes gleich (BGH v. 13.10.1980 - NotZ 11/80, BGHZ 78, 232 [233 f.] = MDR 1981, 226; v. 3.12.2001 - NotZ 16/01, BGHZ 149, 230 [232] = MDR 2002, 424 = BGHReport 2002, 307).

Nach der Rechtsprechung des Senats sind allerdings Umstände, die seit Abschluss des Feststellungsverfahrens bis zum Ausspruch der Amtsenthebung nach § 50 Abs. 3 S. 1 BNotO eintreten, in die Prüfung, ob ein Amtsenthebungsgrund vorliegt, mit einzubeziehen (BGH v. 3.12.2001 - NotZ 16/01, BGHZ 149, 230 [233 ff.] = MDR 2002, 424 = BGHReport 2002, 307). Derartige Umstände sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich und werden vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.

b) Die Verfügung v. 28.3.2003 ist bestandskräftig geworden, weil weder der Antragsteller noch der für ihn bestellte Betreuer rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt haben. Dabei steht dem Eintritt der Bestandskraft der Verfügung insbes. nicht entgegen, dass diese nur dem Betreuer und nicht (auch) dem Antragsteller gegenüber bekannt gemacht bzw. zugestellt worden ist.

aa) Gemäß § 1902 BGB vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich. Daraus folgt, dass der Betreuer, auch wenn seine Bestellung für sich betrachtet die Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit des Betreuten unberührt lässt, grundsätzlich mit Wirkung für und gegen den Betreuten Willenserklärungen oder Verfahrenshandlungen abgeben oder vornehmen sowie empfangen oder entgegennehmen kann.

bb) Soweit für besondere Verfahrensarten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Betreuungssachen, Unterbringungssachen) vorgeschrieben ist, dass Entscheidungen dem Betroffenen selbst bekannt zu machen sind (§ 69a Abs. 1 S. 1 und § 70g Abs. 1 S. 1 FGG), sind diese Bestimmungen vorliegend nicht einschlägig. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht:

Gemäß § 50 Abs. 4 BNotO sind in den auf die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO gerichteten Verfahren für die Bestellung eines Pflegers für den Notar, der zur Wahrnehmung seiner Rechte in dem Verfahren nicht in der Lage ist, für die Pflicht des Notars, sich ärztlich untersuchen zu lassen, und für die Folgen einer Verweigerung seiner Mitwirkung die Vorschriften entsprechend anzuwenden, die für Landesjustizbeamte gelten. § 56 des Niedersächsischen Beamtengesetzes sieht wiederum vor, dass bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gegen den Willen des Beamten die Absicht, den Beamten in den Ruhestand zu versetzen, dem Beamten oder seinem Vertreter bekannt zu geben ist (s. dazu auch Kümmel, Niedersächsisches Beamtengesetz, § 56 Rz. 10).

Diese Bestimmungen, die das Verfahren der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens erleichtern sollen (vgl. Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 50 Rz. 42; s.a. BT-Drucks. 11/3253 zu § 16 BRAO), sprechen, auch wenn sie nicht unmittelbar einschlägig sind, dafür, dass dann, wenn - wie hier - dem Notar auf Betreiben der Aufsichtsbehörde zur Wahrnehmung seiner Rechte im Amtsenthebungsverfahren ein Betreuer bestellt worden ist, die Bekanntgabe der in dem Verfahren getroffenen Verfügungen (nur) an den Betreuer ausreicht.

cc) Nach Auffassung des OLG ist dann, wenn - wie hier - für den Notar ein Betreuer bestellt ist, der in der Lage ist, die "Verfahrensrechte" des Notars - insbes. durch rechtzeitige Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung - wahrzunehmen, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus in der Person des Betreuten liegenden Gründen nicht möglich. Ob dem so uneingeschränkt gefolgt werden kann, erscheint fraglich.

Nach Bekanntgabe der Verfügung v. 28.3.2003 an den Betreuer oblag es diesem, soweit dem keine triftigen Gründe entgegenstanden, den Antragsteller hierüber unverzüglich zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise mit ihm zu besprechen (vgl. § 1901 Abs. 3 BGB). Vorliegend hat indes der Betreuer erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Antragsteller diese Information erteilt. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des OLG war somit dem Antragsteller die - auch nach Meinung des OLG grundsätzlich eröffnete - Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung ungeachtet seiner etwaigen Geschäfts- und Verfahrensunfähigkeit und ohne Mitwirkung seines Betreuers überprüfen zu lassen, von vornherein genommen.

Die Frage braucht indes nicht vertieft zu werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil jedenfalls die Antragsfrist versäumt worden ist. Der Antragsteller hat nach eigenem Bekunden am 7.5.2003 erfahren, dass die Verfügung v. 28.3.2003 gegen ihn ergangen ist (Schreiben des Antragstellers v. 13.5.2003 an die Präsidentin des OLG). Auf Grund dessen hätte der Antragsteller spätestens zwei Wochen danach Antrag auf gerichtliche Entscheidung, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, stellen müssen (§ 114 Abs. 4 S. 2 BNotO, § 40 Abs. 4 BRAO, § 22 Abs. 2 S. 1 FGG entsprechend). Dies ist nicht geschehen.

 

Fundstellen

NWB 2004, 3464

BGHR 2005, 65

FamRZ 2004, 1721

BtPrax 2004, 237

DNotZ 2005, 72

MDR 2004, 1388

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge