Leitsatz (amtlich)

Die Prozessgebühr des im Revisionsverfahren vor dem BGH mitwirkenden Patentanwalts beträgt 13/10.

 

Normenkette

MarkenG § 140 Abs. 3 i.d.F. bis 1.7.2004; BRAGO § 11 Abs. 1 Sätze 4-5

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 15.03.2004; Aktenzeichen 17 W 354/03)

LG Köln

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des OLG Köln v. 15.3.2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.109,50 EURfestgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen der Kostenfestsetzung darüber, in welcher Höhe die Prozessgebühr eines im Revisionsverfahren vor dem BGH mitwirkenden Patentanwalts zu erstatten ist.

Die Klägerin ist in einer Kennzeichenstreitsache mit ihrer Klage in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Ihre Revision wurde durch Beschluss des Senats v. 14.11.2002 (BGH, Beschl. v. 14.11.2002 - I ZR 296/01) nicht angenommen. Die Kosten des Revisionsverfahrens wurden ihr auferlegt. Die Beklagte war im Revisionsverfahren durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten, der mit dem Antrag auf Zurückweisung der Revision mit Schriftsatz v. 10.7.2002 die Mitwirkung des Patentanwalts P. angezeigt hatte.

Die Beklagte hat im Kostenfestsetzungsantrag eine 20/10 Prozessgebühr des mitwirkenden Patentanwalts geltend gemacht. Die Kostenfestsetzung erfolgte zunächst antragsgemäß. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin setzte der Rechtspfleger die Prozessgebühr des Patentanwalts auf 13/10 herab und die zu erstattenden Kosten entsprechend niedriger fest.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Prozessgebühr des Patentanwalts i.H.v. 20/10 festzusetzen.

II. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

In der Revisionsinstanz finde eine Erhöhung der Gebühren des Patentanwalts nach § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO auf 20/10 einer vollen Gebühr nicht statt. Es verbleibe vielmehr bei der 13/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO sehe die Erhöhung der Prozessgebühr nur soweit vor, als sich die Parteien durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssten. Daraus folge, dass allein der bei dem BGH zugelassene Rechtsanwalt, der im Revisionsverfahren tätig werde, die 20/10 Prozessgebühr erhalte. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO rechtfertige sich aus dem besonders hohen juristischen Bearbeitungsaufwand, den der beim BGH zugelassene Rechtsanwalt in den ihm übertragenen Angelegenheiten regelmäßig anzuwenden habe. Entsprechendes gelte nicht für den in einem Revisionsverfahren mitwirkenden Patentanwalt.

III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Bemessung der Gebühren des im Jahre 2002 im Revisionsverfahren vor dem BGH mitwirkenden Patentanwalts richtet sich gem. § 140 Abs. 3 MarkenG i.d.F. gem. Art. 5 OLGVertrÄndG v. 23.7.2002 (BGBl. I, 2850) sowie Art. 9 Nr. 33 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums v. 13.12.2001 (BGBl. I, 3656) nach § 11 BRAGO (vgl. § 61 Abs. 1 RVG). Die ursprünglich in § 140 Abs. 3 MarkenG - wie auch schon in § 32 Abs. 5 WZG und in vergleichbaren Kostenvorschriften im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. § 143 Abs. 5 PatG a.F., § 27 Abs. 5 GebrMG a.F.) - enthaltene Begrenzung der Erstattung ("bis zur Höhe einer vollen Gebühr") ist mit dem Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums mit Wirkung v. 1.1.2002 weggefallen.

2. Die Frage, ob dem im Revisionsverfahren vor dem BGH mitwirkenden Patentanwalt die 20/10 Prozessgebühr nach § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO oder nur eine 13/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO zusteht, war schon zur Geltung des alten Kostenrechts, das eine Begrenzung der Erstattung auf eine volle Gebühr vorsah, umstritten (für 20/10 Gebühr: OLG Düsseldorf GRUR 1978, 199; BPatG v. 22.3.1988 - 5 W (pat) 409/87, GRUR 1988, 761 [762]; OLG Frankfurt v. 31.3.1988 - 6 W 7/88, GRUR 1988, 530; OLG Karlsruhe v. 8.2.1980 - 6 W 4/80, GRUR 1980, 331 [332]; OLG Nürnberg v. 11.11.1991 - 3 W 3308/91, Mitt. 1992, 29; v. 13.4.1992 - 3 W 980/92, Mitt. 1994, 222; v. Falck, Mitt. 1979, 58 [59]; für 13/10 Gebühr: OLG Frankfurt GRUR 1978, 498; OLG Hamburg v. 11.3.1988 - 8 W 71/88, MDR 1988, 684; OLG Hamm v. 21.6.1998 - 23 W 402, 403/98, NJW - RR 2000, 1014; OLG München GRUR 1979, 339; v. 23.1.1989 - 11 W 646/89, Mitt. 1989, 202 [203]; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 7.32 - Patentsachen, Anm. 3.1 - Warenzeichenstreit). Auch nach Aufhebung der Beschränkung auf eine volle Gebühr wurde von einem Teil von Rechtsprechung und Schrifttum an der Auffassung festgehalten, dass die Erhöhung der Prozessgebühr des im Revisionsverfahren vor dem BGH mitwirkenden Patentanwalts auf eine 20/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO geboten sei, weil § 140 Abs. 3 MarkenG an die Gebühren des in der jeweiligen Instanz typischerweise vertretenden Rechtsanwalts anknüpfe und der Patentanwalt als Gehilfe des in der Revisionsinstanz tätigen Rechtsanwalts gleichfalls durch die in diesem Verfahrensstadium anfallende Mehrarbeit belastet sei (OLG München GRUR - RR 2004, 128; GRUR - RR 2004, 224; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 140 Rz. 78). Dem steht die Ansicht gegenüber, dass die Erhöhung der Prozessgebühr nach § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO eine mit der Stellung der Rechtsanwälte beim BGH verbundene persönliche Privilegierung darstelle und für den mitwirkenden Patentanwalt daher nicht anfalle (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 143 Rz. 414).

3. Die Erhöhung der Prozessgebühr gem. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO beruht auf der besonderen Stellung und dem besonderen Aufgabenbereich der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte. Eine entsprechende Stellung und Aufgabe kommen dem Patentanwalt nicht zu. Seine Mitwirkung im Revisionsverfahren vor dem BGH rechtfertigt eine Erhöhung der Prozessgebühr nicht.

a) Die Erhöhung der Prozessgebühr um 10/10, wenn sich die Parteien im Revisionsverfahren nur durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, ist durch Art. 2 Nr. 5 lit. a des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen v. 8.7.1975 (BGBl. I, 1863; im Folgenden: Änderungsgesetz v. 8.7.1975) als § 11 Abs. 1 S. 3 in die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte eingefügt worden. Durch dieses Gesetz wurde der Zugang zum Revisionsgericht in Zivilsachen, der bis dahin beim Überschreiten einer bestimmten Wertgrenze unbeschränkt eröffnet war, neu geregelt: In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, bei denen der Wert der Beschwer 40.000 DM nicht überstieg, und über nicht-vermögensrechtliche Ansprüche entschied nunmehr das OLG über die Zulassung der Revision mit Bindung für das Revisionsgericht. In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, bei denen der Wert der Beschwer 40.000 DM überstieg, war die Entscheidung über die Annahme der Revision dem Revisionsgericht überlassen. Das geänderte Revisionsrecht trat mit dem Auslaufen des Gesetzes zur Entlastung des BGH in Zivilsachen v. 15.8.1969 (BGBl. I, 1141) am 15.9.1975 in Kraft. Gemäß Art. 1 Nr. 2 des Entlastungsgesetzes konnte nach Unterrichtung und Anhörung der Parteien die Entscheidung des Revisionsgerichts ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergehen, wenn das Revisionsgericht einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtete. In Verfahren nach Art. 1 Nr. 2 des Entlastungsgesetzes erhielt der Rechtsanwalt die halbe Gebühr nach der 1972 in die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte eingefügten Vorschrift des § 35a (vgl. Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften v. 24.10.1972 - BGBl. I, 2013). Die Regelung des § 35a BRAGO fiel mit dem Auslaufen des Entlastungsgesetzes weg (Art. 2 Nr. 5 lit. b des Änderungsgesetzes v. 8.7.1975).

b) Im Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, der die Einfügung des § 11 Abs. 1 S. 3 BRAGO gemäß Art. 2 Nr. 5 lit. a des Änderungsgesetzes v. 8.7.1975 vorschlug, wurde die Anhebung der Prozessgebühr im Revisionsverfahren vor dem BGH von 13/10 auf 20/10, soweit sich die Parteien nur durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, lediglich damit begründet, eine solche Erhöhung erscheine angesichts des neuen Revisionsrechts angemessen (BT-Drucks. 7/3596, 10). Der Vorschlag einer solchen Erhöhung der Prozessgebühr bei einer Änderung des Revisionsrechts ging zurück auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf in einer Stellungnahme der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte (vgl. Anl. 3 S. 13z. stenografischen Protokoll über die 56. Sitzung des Rechtsausschusses v. 12.3.1975). In dieser Stellungnahme wurde zur Begründung des Vorschlags für eine Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte ausgeführt:

"Mit dem Wegfall des bisherigen Verfahrens nach dem Entlastungsgesetz wird der hierfür geschaffene § 35a gegenstandslos. Die Gründe, die zu seiner Einfügung Anlass gegeben haben, gelten indes unverändert und in verstärktem Maße weiter, weil die nunmehr vorgesehene Möglichkeit der Nichtannahme von Wertrevisionen die Zahl der mündlichen Verhandlungen weiter einschränken wird. Dies und die erhöhte Verantwortung des Revisionsanwalts im Verfahrensstadium bis zur Annahme einer Wertrevision sowie die erhöhte Zahl der vom OLG zugelassenen Revisionen, geschätzt auf mindestens ein Drittel aller Revisionen, mit niedrigen Streitwerten (Schwerpunkt: zwischen 5.000 DM und 12.000 DM) fordern den hier vorgeschlagenen Ausgleich. Da nur die Prozessgebühr im Verfahren vor dem BGH (nicht jedoch im Berufungsverfahren vor diesem Gericht) erhöht werden soll, wird eine Ausweitung auf andere Verfahrensarten vermieden, für welche die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung oder andere Gesetze auf § 11 Abs. 1 S. 2 Bezug nehmen."

Die Begründung für die Einfügung des § 35a BRAGO im Jahre 1972 lautete:

"Das Gesetz zur Entlastung des BGH in Zivilsachen hat dazu geführt, dass der BGH einen erheblichen Teil der Revisionen ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückweist. Damit entfällt für die beteiligten Rechtsanwälte die Verhandlungsgebühr, obgleich ihr Arbeits- und Sachaufwand in diesen Verfahren nicht wesentlich geringer ist als in Verfahren mit mündlicher Verhandlung. Hierdurch haben sich für die beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte zum Teil empfindliche Einkommenseinbußen ergeben. Diese Entwicklung mindert auch die Bereitschaft geeigneter jüngerer Rechtsanwälte, eine Zulassung beim BGH anzustreben und gefährdet dadurch auf längere Sicht die Güte der Rechtsprechung dieses Gerichts.

Bei dieser Sachlage erscheint es geboten, den beim BGH zugelassenen Rechtsanwälten für Verfahren, in denen der BGH eine Revision ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückweist, eine halbe Gebühr zu gewähren, um die Nachteile auszugleichen und die Gefahren abzuwehren, die das Gesetz zur Entlastung des BGH in Zivilsachen mit sich gebracht hat." (Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Hauser, Dürr, Mischnick und Kleinert, Stenografische Berichte der Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 195. Sitzung v. 22.6.1972, 11484, 11485 f.).

c) Nach der Entstehungsgeschichte der Regelung des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO sollte folglich die Erhöhung der Prozessgebühr auf 20/10 einen Ausgleich dafür darstellen, dass sich infolge des 1975 eingeführten Revisionsrechts die Anzahl der mündlichen Verhandlungen erheblich verringert hatte. Mit der Erhöhung der Prozessgebühr sollten im Interesse der Erhaltung einer leistungsfähigen Rechtsanwaltschaft bei dem BGH, deren Tätigkeitsfeld von Gesetzes wegen eng begrenzt ist (vgl. §§ 171, 172 BRAO), die Einkommensnachteile ausgeglichen werden, die wegen des Rückgangs der mündlichen Revisionsverhandlungen und des dabei zu erzielenden Gebührenaufkommens ansonsten zu verzeichnen gewesen wären. Die Erhöhung der Prozessgebühr gem. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO um 7/10 hat ihren Grund folglich nicht in der besonderen Schwierigkeit der einzelnen Revisionsangelegenheit als solcher; die mit der Tätigkeit in der Rechtsmittelinstanz verbundene Mehrarbeit wird vielmehr bereits mit der Erhöhung gem. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO abgegolten. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO knüpft nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck (sowie nach ihrem Wortlaut) an die besondere Stellung der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte an (in diesem Sinne auch Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 143 Rz. 414). Das am 1.1.2002 in Kraft getretene Revisionsrecht hat daran nichts geändert. Da diese Stellung dem mitwirkenden Patentanwalt nicht zukommt, steht ihm für seine Mitwirkung in dem Revisionsverfahren vor dem BGH nur eine 13/10 Gebühr gem. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO zu.

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BGHR 2005, 135

EBE/BGH 2004, 4

GRUR 2004, 1062

JurBüro 2005, 34

Rpfleger 2005, 51

WRP 2004, 1490

RVG-B 2005, 113

RVGreport 2005, 72

MarkenR 2004, 472

Mitt. 2004, 573

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