Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 14.04.2011) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Mai 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Rz. 2
1. Gegenstand der Verurteilung ist ein Überfall am 16. Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in Aachen, bei dem fünf zum Teil mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000 Euro erbeuteten. Am Tatort ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt wurde, „die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte” (UA 9).
Rz. 3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der Umhängetasche habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im belgischen Raum aufgehalten, sei lediglich ein Mal im August/September 2002 am Aachener Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die Stadt gegangen.
Rz. 4
Das Landgericht hält die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der Handytasche. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht habe erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der „festen Überzeugung der Kammer” könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der Aachener Grenzregion aufgehalten, spreche die russische Sprache – nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem russischen bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen – und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke „Vacheron Constantin” entwendet, die „in Osteuropa besonders beliebt” seien. Schließlich sei der Angeklagte wegen eines gleichartigen Delikts – Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier in Aalst im Mai 2003 – in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Rz. 5
3. Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).
Rz. 6
Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein „Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009” verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNA-Spurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Betracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es regelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Angeklagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).
Rz. 7
Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten entscheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich angesichts von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das Landgericht stützt sich dabei entscheidend auf die Erwägung, dass der Angeklagte das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären „konnte bzw. wollte” (UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat – bereits deshalb als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Angeklagten nicht als Teileinlassung, sondern als pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das Landgericht unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa BGH NStZ 2007, 417; 2009, 705).
Rz. 8
Jedenfalls hätte sich das Landgericht mit Rücksicht auf den allenfalls geringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des Landgerichts auf einer tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – etwa mitteilen müssen, um welche Art von Spurenträger es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des Spurenträgers – z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten – hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort hinweist oder auch ohne Verbindung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des Zusammenhangs zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von Bedeutung sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
Rz. 9
4. Das Urteil beruht auf den erörterten Lücken bei der Beweiswürdigung. Das Landgericht hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort, die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine entscheidende Bedeutung beigemessen (UA 12).
Unterschriften
Fischer, Appl, Schmitt, Krehl, Eschelbach
Fundstellen
Haufe-Index 2811449 |
NStZ 2012, 403 |
NStZ-RR 2012, 53 |
Kriminalistik 2012, 481 |
StV 2012, 522 |