Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 16.12.2022; Aktenzeichen 5 KLs - 3 Js 8611/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 16. Dezember 2022
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit Geiselnahme, vorsätzlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig ist;
b) aufgehoben, soweit die Einziehung einer „schwarze(n) Dose mit einer geringen Menge eines Tabak-/Marihuana-Gemischs“ angeordnet ist; dieser Teil der Einziehungsentscheidung entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung, Geiselnahme, vorsätzlicher Körperverletzung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 36 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Ferner hat es ein Messer sowie eine „schwarze Dose mit einer geringen Menge eines Tabak-/Marihuana-Gemischs“ eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Verfahrensrügen versagen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift dargestellten Gründen.
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und einer teilweisen Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
Rz. 4
a) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht entfällt, weil der gemäß § 145a Satz 2 StGB erforderliche Antrag der Führungsaufsichtsstelle ‒ wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat ‒ nicht gestellt worden ist.
Rz. 5
b) Der Strafausspruch hat gleichwohl Bestand.
Rz. 6
aa) Die Strafkammer durfte den rechtsfehlerfrei festgestellten Verstoß gegen Weisungen ‒ wenngleich mit eingeschränktem Gewicht ‒ in der Strafzumessung verwerten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1994 ‒ 1 StR 770/93, NJW 1994, 1165; Beschluss vom 19. November 1992 ‒ 2 StR 538/92, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 9; LK-StGB/Greger/Lohse/Valerius/Weingarten, 13. Aufl., Vor §§ 77-77e Rn. 14 mwN). Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer den mehrfach einschlägig vorbestraften Angeklagten, der sein bis heute unter der Tat leidendes Opfer über zwölf Stunden in seiner Gewalt hielt, dreimal vergewaltigte und erheblich körperlich verletzte, milder bestraft hätte, wenn sie die dem Angeklagten zusätzlich zur Last gelegte Tatbestandsverwirklichung des § 145a StGB lediglich als ‒ weitere ‒ strafschärfende Modalität der Vergewaltigung bewertet hätte.
Rz. 7
bb) Soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung das Zusammentreffen von Freiheitsstrafen und angeordneter Sicherungsverwahrung nicht ausdrücklich in eine Gesamtwürdigung des Gewichts aller gegen den Angeklagten verhängten Rechtsfolgen eingestellt hat (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom 21. Januar 2021 ‒ 2 StR 188/20, juris Rn. 16; vom 30. März 2021 ‒ 2 StR 18/21, juris Rn. 4; Urteil vom 22. Juni 2022 ‒ 2 StR 511/21, juris Rn. 34; ebenso BGH, Beschluss vom 22. März 2022 ‒ 1 StR 455/21, mit abl. Anm. Hinz in JR 2023, 147 ff.; Beschluss vom 9. Februar 2022 ‒ 1 StR 369/21, juris Rn. 11; kritisch BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 ‒ 4 StR 99/22, NJW 2022, 2945 mit abl. Anm. Kinzig sowie Kett-Straub, NStZ 2023, 30 ff., hingegen zustimmend van Gemmeren, JR 2022, 664 ff. und Peglau in jurisPR-Strafrecht 16/22 Anm. 4, ebenso BGH, Beschluss vom 25. Mai 2022 ‒ 4 StR 79/22 sowie Urteil vom 2. Februar 2023 ‒ 4 StR 154/22, juris Rn. 28; offengelassen BGH, Beschluss vom 26. Juli 2023 ‒ 6 StR 205/23, juris Rn. 6), legt bereits die Gesamtheit der Urteilsgründe nahe, dass der Strafkammer dieser Gesichtspunkt nicht aus dem Blick geraten ist. Jedenfalls schließt der Senat angesichts der Täterpersönlichkeit, des gravierenden Tatbildes und der bis heute andauernden Tatfolgen für das Opfer hier trotz der hohen Strafe ausnahmsweise aus, dass die Strafkammer zu einer milderen Freiheitsstrafe gelangt wäre, wenn sie die zugleich angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Strafzumessung ausdrücklich erörtert hätte.
Rz. 8
c) Die Einziehungsentscheidung unterfällt partiell der Aufhebung. Infolge der teilweisen Einstellung des Verfahrens durch die Strafkammer nach § 154 Abs. 2 StPO unterfiel die angeklagte Tat, deren Objekt (§ 33 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2 StGB) die sichergestellte „schwarze Dose mit einer geringen Menge eines Tabak-/Marihuana-Gemischs“ war, nicht der Verurteilung (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2020 ‒ 2 StR 79/20, juris Rn. 2 mwN). Der in der Hauptverhandlung nach einer (Teil-)Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO grundsätzlich zulässige Übergang in das objektive Verfahren zum Zwecke der selbständigen Anordnung der Einziehung gemäß § 76a Abs. 3 StGB ist nicht erfolgt.
Rz. 9
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision des Angeklagten ist es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
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Eschelbach |
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Schmidt |
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Fundstellen
Haufe-Index 16142969 |
NStZ-RR 2024, 43 |