Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 15.02.2019; Aktenzeichen 115 Js 62328/17 9 Ks 9/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. Februar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Nebenklägers gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Nebenklägers ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Beweiswürdigung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Rz. 3
Das Landgericht, das angesichts des unmittelbar tatbezogenen, die Angaben des Nebenklägers bestätigenden rechtsmedizinischen Gutachtens irrig von einer „Aussagegegen-Aussage”-Konstellation ausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 379/03, NStZ 2004, 635, 636; KK-StPO/Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 100), hat die auf eine Notwehrlage abzielende Einlassung des Angeklagten unter anderem deshalb als unglaubhaft bewertet, weil er sich trotz monatelanger Untersuchungshaft, „erstmals in der Hauptverhandlung” geäußert habe. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667).
Rz. 4
2. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht gewichtige Umstände aufgeführt, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen. Es hat aber das anfängliche Schweigen an die erste Stelle seiner Würdigung der Angaben des Angeklagten gestellt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung bezüglich der vom Angeklagten behaupteten Notwehrlage gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte. Hinzu kommt, dass in der rechtlichen Würdigung ausgeführt ist, die Einlassung zur Notwehrlage sei lediglich „nicht vollständig hinreichend glaubhaft”.
Rz. 5
3. Das Urteil gibt dem Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:
Rz. 6
a) Das Urteil genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung des Ergebnisses eines DNA-Gutachtens zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 zu eindeutigen Einzelspuren; vom 31. Mai 2017 – 5 StR 149/17, NStZ 2017, 723 zu Mischspuren).
Rz. 7
b) Die Angaben eines Angeklagten brauchen auch nicht mit Blick auf den – für die tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen geltenden – Zweifelsgrundsatz als „unwiderlegt” den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wenn es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie – nicht anders als andere Beweismittel – insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2006 – 3 StR 284/05, NStZ 2006, 652, 653; LR-StPO/Sander, § 261 Rn. 112a).
Rz. 8
c) Der Maßstab der Anrechnung einer wegen der abgeurteilten Tat im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung ist gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteilstenor wiederzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2003 – 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3).
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Schneider, König, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 13566468 |
NStZ-RR 2020, 52 |
StV 2020, 448 |
RPsych 2020, 183 |