Verfahrensgang

LG Deggendorf (Urteil vom 15.06.2020; Aktenzeichen 9 Js 5620/19 1 KLs)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 15. Juni 2020 im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 50 Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Rz. 2

1. Die Strafzumessung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand:

Rz. 3

a) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG trotz gewichtiger Strafmilderungsgesichtspunkte (abgegebene Menge von höchstens 1 Gramm Marihuana, eine bereits in die Drogenszene verstrickte Jugendliche und weitgehendes Geständnis) abgelehnt. Der Senat kann hier offenlassen, ob dies durch den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum bei der Strafzumessung noch gedeckt ist. Jedenfalls hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl (§ 30 Abs. 1 Nr. 2, § 29a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 2 BtMG bzw. § 29 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) nicht strafmildernd in die Abwägung eingestellt, dass dem Angeklagten der Widerruf der mit Berufungsurteil des Landgerichts München I vom 3. Dezember 2018 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung droht. Die Erörterung eines solchen Gesamtstrafübels mit seinen Auswirkungen auf das künftige Leben des Angeklagten (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 2020 – 2 StR 281/20 Rn. 8; vom 21. Oktober 2014 – 5 StR 478/14 Rn. 3 und vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 314; Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12 Rn. 21) war hier jedenfalls deswegen geboten (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), weil das Berufungsgericht das Veräußern einer Kleinstmenge (1,4 Gramm Marihuana) mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr geahndet hat.

Rz. 4

b) Diesen hier bestimmenden Strafzumessungsgrund hat das Landgericht auch nicht bei Bemessung der Strafe für den Besitz von Betäubungsmitteln aus dem Grundstrafrahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG zugunsten des Angeklagten berücksichtigt.

Rz. 5

2. Der Erörterungsfehler betrifft nicht die Feststellungen, die daher aufrecht erhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht darf seiner Strafzumessung neue Feststellungen zugrunde legen, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.

 

Unterschriften

Raum, Bellay, Bär, Leplow, Pernice

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14307781

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