Entscheidungsstichwort (Thema)
Anstiftung zum versuchten Mord
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 20. Dezember 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Bautzen zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 13 von ihm im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Werklohnforderung begangener Straftaten, unter anderem wegen Anstiftung zum versuchten Mord und wegen versuchter räuberischer Erpressung, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Daneben hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Revision des Angeklagten hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschäftsführer B. der A. GmbH (im folgenden A.) zu Meinungsverschiedenheiten über Restforderungen, die der Angeklagte aus einem Generalunternehmervertrag für die Sanierung eines Mehrfamilienhauses geltend gemacht hatte. Um B. einzuschüchtern, beauftragte der Angeklagte 1996 M., von dem ihm bekannt war, daß dieser Anführer einer polnischen Bande war, die sich mit Schmuggel, Schutzgelderpressung und ähnlich schwerwiegenden Delikten befaßte, mit der Eintreibung seiner angeblichen Forderung; in Wirklichkeit standen ihm, wie er nach der Überzeugung des Landgerichts wußte, keinerlei Zahlungsansprüche zu. Im jeweiligen Einverständnis mit dem Angeklagten veranlaßte M. in der Folgezeit zahlreiche Drohungen, die B. entweder persönlich durch einen Mittelsmann überbracht wurden oder ihn telefonisch erreichten und die direkt oder indirekt auf die Forderungen des Angeklagten Bezug nahmen. Daneben ließ M. – ebenfalls im Auftrag des Angeklagten – drei Bombenanschläge auf Gebäude ausführen, die einen Bezug zur A. hatten. Obwohl die Bomben explodierten – in einem Fall beim Versuch ihrer Entschärfung – kam nur in einem Fall ein Passant leicht zu Schaden, indem die Detonation bei ihm zu vorübergehenden Hörstörungen führte. Daneben bedrohte der Angeklagte B. auch selbst und er veranlaßte über Dritte die Veröffentlichung eines von ihm verfaßten Schreibens in einer Tageszeitung, in dem Angehörigen und Geschäftspartnern der Firma A. mit weiteren Anschlägen gedroht wurde, falls sie ihre Kontakte zu dieser Firma fortsetzen sollten.
II.
1. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind teils unzulässig, teils unbegründet; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. November 2000 verwiesen.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt; sie führt jedoch zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist für sämtliche Bombenanschläge ein bedingter Tötungsvorsatz sowohl bei den unmittelbar handelnden unbekannten Haupttätern als auch beim Angeklagten hinreichend belegt. Nach den – auch von der Revision nicht in Zweifel gezogenen – Feststellungen des Landgerichts hätte die Sprengkraft einer jeden Bombe ausgereicht, einen in unmittelbarer Nähe des Sprengsatzes befindlichen Menschen zu töten. Um gleichwohl ernsthaft und nicht nur vage darauf vertrauen zu können, daß kein Mensch getötet würde (vgl. insoweit BGHSt 7, 363 ff.; BGHR StGB § 15 ndash; Vorsatz, bedingter 1, 2, 7), hätten die Täter besondere Vorkehrungen treffen müssen, die eine Anwesenheit von Menschen am Tatort zum Explosionszeitpunkt verhinderten. Nach den getroffenen Feststellungen liegt ein solches Verhalten der Täter jedoch derart fern, daß es keiner gesonderten Erörterung bedurfte: In Fall 4 der Urteilsgründe stolperte der Zeuge B. um 18.40 Uhr über eine Bombe, nachdem diese zehn bis zwanzig Minuten zuvor unmittelbar vor seinen Büroräumen unter der Fußmatte abgelegt worden war. Da die Täter bei dieser auffälligen Art der Plazierung mit der baldigen Entdeckung des Sprengsatzes rechnen mußten, liegt es gänzlich fern, daß sie den in Form eines Quarzweckers eingebauten Zeitzünder auf eine nächtliche Uhrzeit eingestellt hätten, um sicher zu gehen, daß bei der beabsichtigten Explosion zwar Sach-, aber keine Personenschäden angerichtet würden. In den Fällen 3 und 9 wurden die Sprengsätze im Eingangsbereich von Häusern abgelegt. Dort explodierten sie in Fall 3 um 22.45 Uhr, in Fall 9 zu einem vom Landgericht nicht näher bezeichneten Zeitpunkt, als sich zumindest eine Person in der näheren Umgebung des Hauses aufhielt. Da beide Sprengsätze mit Ausnahme der verwendeten Batterien „baugleich” mit der in Fall 4 verwendeten Bombe waren (UA 39, 43) und jene mit einem Zeitzünder versehen war, ist ausgeschlossen, daß die Täter in den Fällen 3 und 9 die Bomben jeweils mittels Funkzünder gezielt zu einem Zeitpunkt gezündet haben, als sich nach ihrer Beobachtung keine Menschen in unmittelbarer Umgebung der Sprengkörper aufhielten.
Für seine Überzeugung, daß auch der Angeklagte mit der Möglichkeit, daß durch die Bombenlegungen Menschen getötet würden, einverstanden war, hat das Landgericht – unter anderem – zutreffend auf Gespräche des Angeklagten mit dem Zeugen Y. (UA 89, 100) abgestellt.
b) Die Beweiswürdigung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das Landgericht einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Erpressungsvorsatz des Angeklagten grundsätzlich bejaht hat. Nachdem der Angeklagte das Sanierungsobjekt im „Rohbauzustand” zurückgelassen hatte, stellt es keinen Rechtsfehler dar, wenn sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, daß dem Angeklagten für seine Teilleistungen kein Betrag zustand, der den für eine schlüsselfertige Gesamtsanierung nach Reduzierung (UA 30) vereinbarten Pauschalpreis nur geringfügig unterschritt, und daß der Angeklagte dies wußte oder doch zumindest für möglich hielt. Die jeweiligen Schuldsprüche sind damit rechtsfehlerfrei.
Die Ausführungen, mit denen das Landgericht begründet, der Angeklagte habe in Kenntnis des Fehlens jeglicher Ansprüche versucht, 800.000 DM von dem Zeugen B. zu erpressen, halten dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch wenn die vom Angeklagten bis zur Kündigung des Vertrages durch die A. erbrachten Leistungen offensichtlich nicht der vom Angeklagten erhobenen Restforderung von knapp 600.000 DM entsprachen, steht doch andererseits nicht fest, daß bereits sämtliche Leistungen des Angeklagten durch Abschlagszahlungen abgegolten waren. Waren noch Forderungen des Angeklagte offen, so mögen diesen aufrechenbare Schadensersatzforderungen der A. in mindestens gleicher Höhe gegenübergestanden haben, so daß der Angeklagte im Ergebnis keine Ansprüche mehr gegen die A. hatte. Da er jedoch „in völliger Fehleinschätzung seiner eigenen Leistungsfähigkeit” im Geschäftsgebaren des Zeugen B., insbesondere in dessen schlechter Zahlungsmoral die Hauptursache für das Scheitern der beiderseitigen Zusammenarbeit sah, versteht sich nicht von selbst, daß dem Angeklagten das Fehlen jeglicher Zahlungsansprüche auch bewußt war. Hätte er – wenn auch irrig – geglaubt, jedenfalls einen Teilbetrag der in der „Schlußrechnung” erhobenen Gesamtforderung zurecht zu beanspruchen, wäre dies bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.
Ferner ist das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen, als es dem Angeklagten die Geltendmachung von 800.000 DM angelastet hat. Zwar war nach den Urteilsfeststellungen im Gespräch zwischen dem Angeklagten und M. von diesem Betrag die Rede; er ist jedoch, wie die Revision mit Recht hervorhebt, von dem Zeugen B. bei keinem Erpressungsversuch verlangt worden. Vielmehr ist bei sämtlichen Drohungen, mit denen der Zeuge B. zur Zahlung veranlaßt werden sollte, jeweils direkt oder indirekt auf den vom Angeklagten in seiner „Schlußrechnung” geltend gemachten Betrag Bezug genommen worden.
c) Bedenken begegnet die Strafzumessung des Landgerichts auch in Bezug auf die bei den versuchten Tötungsdelikten versagte Strafrahmenverschiebung, die zur Verhängung von drei lebenslangen Einzelfreiheitsstrafen geführt hat.
Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht, wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355 f.; BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 8, 9 und 11). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8 und 12 m.w.N.).
Das Landgericht war sich dieser Erfordernisse im Grundsatz bewußt, hat sie aber nicht in allen Belangen hinreichend berücksichtigt. So hat es auf die – abstrakt zweifellos vorhandene – Gefährlichkeit der drei Sprengstoffanschläge hingewiesen, dabei aber nicht gewertet, daß eine konkrete Lebensgefahr in keinem Fall bestanden hat. Da Personen bei den vom Angeklagten veranlaßten Anschlägen entweder überhaupt nicht oder nur verhältnismäßig geringfügig zu Schaden gekommen sind, lag die Vollendung der Taten – anders als in Fällen, in denen Menschen schwerwiegende Gesundheitsschäden erlitten haben oder ihr Leben nur durch Notoperationen gerettet werden konnte (vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8) – nicht ganz nah. Zudem sind die ausgebliebenen Personenschäden zwar letztlich dem Zufall zu verdanken, jedoch war die von den Sprengsätzen ausgehende Gefahr durch deren jeweilige Konstruktion zumindest eingeschränkt. Bei sämtlichen Taten war der Sprengstoff so dosiert, daß die Explosion nur für einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Menschen lebensbedrohlich war. Dieser Umstand läßt Schlüsse auf eine geringere kriminelle Intensität des dem Angeklagten als Anstifter zuzurechnenden Verhaltens der Haupttäter zu, die das Landgericht unbeachtet gelassen hat.
d) Angesichts dieser Wertungsfehler kann die Verhängung lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe, zumal unter Bejahung der besonderen Schwere der Schuld, auch unter Berücksichtigung der gesamten Vorgehensweise des Angeklagten, die zum einen geprägt war durch seine Verbitterung über den gescheiterten beruflichen Neubeginn, zum anderen durch erheblich straferschwerende Umstände, wie die Einbindung einer kriminellen Organisation in seine Straftaten und die Gefährdung und Verunsicherung einer Vielzahl an seinem persönlichen Schicksal völlig unbeteiligter Personen, nicht bestehen bleiben.
Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch auf, um den neuen Tatrichter die Möglichkeit einer umfassenden Neufestsetzung der Strafen zu geben.
Angesichts der stets ergebnislos auf dieselbe Forderung gerichteten Nötigungs- und Erpressungsversuche wird sich anbieten, das Verfahren in Anwendung von §§ 154, 154a StPO auf die Aburteilung der drei Sprengstoffanschläge zu beschränken. Soweit es dabei auf den vom Angeklagten zu Unrecht angestrebten Vermögensvorteil ankommt, wird dieser unter Bedacht auf den Zweifelsgrundsatz im Wege der Schätzung zu ermitteln sein.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Tepperwien, Raum, Brause
Fundstellen