Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Mai 2001 aufgehoben:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und der Frist zur Wiedereinsetzung gewährt.
Ihm wird Prozeßkostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens bewilligt.
Streitwert: 1.788.745 DM
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte aus einem Gebäudeversicherungsvertrag auf Zahlung von 1.788.745 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Antrag des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt H., bewilligte das Berufungsgericht Prozeßkostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt K.. In der Rechtsanwalt H. am 28. August 2000 zugegangenen Beschlußausfertigung wurde aufgrund eines Übertragungsfehlers der ebenfalls beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwalt Ku. als beigeordneter Anwalt aufgeführt. Der Urlaubsvertreter von Rechtsanwalt H. verfügte im Hinblick auf die am 11. September 2000 ablaufende Frist zur Wiedereinsetzung eine Genaufrist auf den 8. September 2000. An diesem Tage beauftragte die Bürovorsteherin eine Auszubildende mit der Vorlage der Handakte. Danach wurde die Frist von ihr im Fristenkalender gestrichen. Die Auszubildende hatte die Akte aber nicht wie angewiesen separat auf den Schreibtisch von Rechtsanwalt H. gelegt, sondern auf den Stapel mit den Akten für anstehende Termine. So blieb der Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist von Rechtsanwalt H. unbemerkt.
Am 5. September 2000 hatte Rechtsanwalt H. Rechtsanwalt K. einen vorbereiteten Wiedereinsetzungsantrag mit dem Auftrag übersandt, diesen zusammen mit der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht einzureichen. Das am 6. September 2000 eingegangene Schreiben, das den Vermerk „Eilt sehr, bitte sofort vorlegen, Frist- und Terminsache” trug und den Hinweis enthielt, wann der Prozeßkostenhilfe bewilligende Beschluß zugegangen war, wurde von der Anwaltssekretärin nicht als Fristsache erkannt und statt dessen den allgemeinen Posteingängen zugeordnet. Diese wurden von Rechtsanwalt K. erst am 12. September durchgesehen. Auch die zugehörige Prozeßakte wurde ihm im Hinblick auf den Termin am 13. September erst am 12. September vorgelegt. Noch am selben Tage legte Rechtsanwalt K. Berufung ein und beantragte wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit einem am 22. September 2000 eingegangenen Schriftsatz erweiterte er seinen Antrag und begehrte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und der Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das Berufungsgericht hat die Anträge auf Wiedereinsetzung und das Rechtsmittel des Klägers verworfen. Der Kläger müsse sich das für die Fristversäumnis ursächliche Verschulden des Rechtsanwalts H. zurechnen lassen, dessen Büroorganisation eine ausreichende Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze nicht gewährleistet habe. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die dieser zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses eingelegt hat.
II. Die nach den §§ 519 b Abs. 2, 547, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Beschwerde ist begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Versäumung der Berufungs- und der Wiedereinsetzungsfrist nicht auf ein Organisationsverschulden von Rechtsanwalt H. zurückzuführen, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müßte.
Zwar hat ein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter, der von seinem Mandanten mit einem Rechtsmittelauftrag betraut ist, in eigener Verantwortung dafür Sorge zu tragen, daß der Rechtsmittelanwalt den Auftrag rechtzeitig innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bestätigt (BGH, Beschluß vom 25. Januar 2001 – IX ZB 120/00 – NJW 2001, 1576 unter II 1; vom 8. November 1999 – II ZB 4/99 – NJW 2000, 815 unter II; vom 16. Juli 1997 – XII ZB 64/97 – FamRZ 1998, 97 unter II 2 a und ständig). Das ist indes bereits mit Schreiben des Rechtsanwalts K. vom 29. November 1999 geschehen, mit dem sich dieser bereit erklärte, die Sache in zweiter Instanz zu übernehmen. Das Schreiben vom 5. September 2000, durch das Rechtsanwalt H. den Berufungsanwalt von der Prozeßkostenhilfebewilligung und dem Beginn der Wiedereinsetzungsfrist in Kenntnis setzte, ist rechtzeitig im Büro des Rechtsanwalts K. eingegangen. Damit waren die Pflichten des erstinstanzlichen Rechtsanwalts erfüllt. Er hat allein für die Übernahme des Mandats und die sachgerechte Unterrichtung des Berufungsanwalts zu sorgen, damit dieser das Rechtsmittel fristgerecht einlegen kann. Die ordnungsgemäße Ausführung des Mandats liegt hingegen außerhalb seines Verantwortungsbereichs (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1975 – V ZR 99/73 – NJW 1975, 1125 unter 2). Rechtsanwalt H. brauchte sich nicht zu erkundigen, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung und die Berufungsschrift tatsächlich eingereicht waren. Auf die in seinem Büro festzustellende mangelnde Ausgangskontrolle (dazu BGH, Beschluß vom 23. September 1998 – XII ZB 99/98 – VersR 1999, 1303 unter a; vom 24. Januar 1996 – XII ZB 4/96 – FamRZ 1996, 1003 unter II) kommt es mithin nicht an.
2. Die Versäumung der am 11. September 2000 abgelaufenen Fristen beruht auch nicht auf dem Verschulden von Rechtsanwalt K..
Ein Berufungsanwalt muß für die fristgerechte Ausführung der ihm erteilten Rechtsmittelaufträge Sorge tragen. Dazu gehört, daß durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, daß nur eine erfahrene und ausreichend sachkundige Bürokraft die Eingangspost daraufhin überprüft, ob sich darunter ein Sofortauftrag befindet oder sonst etwas unverzüglich veranlaßt werden muß (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Februar 1996 – III ZB 2/96 – BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 23). Vorliegend ist glaubhaft gemacht, daß es in der Kanzlei von Rechtsanwalt K. genaue Anweisungen und eine ständige Übung gab, wie mit Fristensachen verfahren werden sollte. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Anwaltssekretärin B. besteht die allgemeine Anweisung, jedes eingehende Schriftstück daraufhin durchzusehen, ob es Hinweise auf Fristen oder Fristabläufe enthält. Trotz des auf dem Schreiben vom 5. September 2000 befindlichen deutlichen Hinweises ist der Posteingang von der Sekretärin aber nicht als Fristensache erkannt und entsprechend der geltenden Anweisung vorgelegt worden. Dies beruht – wie ebenfalls glaubhaft gemacht ist – auf einem einmaligen Fehler der bis dahin zuverlässigen und erprobten Sekretärin und ist Rechtsanwalt K. daher nicht als Verschulden anzulasten.
3. Dem Kläger war somit gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung (§ 516 ZPO) und der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO) zu gewähren. Damit wird die das Rechtsmittel gemäß § 519 b ZPO als unzulässig verwerfende Entscheidung des Berufungsgerichts gegenstandslos, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf (BGHZ 45, 380, 384). Die von Rechtsanwalt K. vorgelegte Berufungsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO, weil er sich in seinem Schriftsatz vom 22. September 2000 das Vorbringen von Rechtsanwalt H. einschließlich der darin enthaltenen Beweisantritte zu eigen gemacht hat (vgl. BGH, Beschluß vom 16. Dezember 1992 – XII ZB 137/92 – BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 Bezugnahme 4).
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt, Dr. Kessal-Wulf
Fundstellen
Haufe-Index 671581 |
BGHR 2002, 389 |
NJOZ 2002, 910 |