Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 6. Juli 1998 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 7.420 DM.
Gründe
I.
Durch Urteil des Familiengerichts wurde auf die Abänderungsklage des Klägers dessen Verpflichtung, der Beklagten zu 1 (nachstehend: Beklagte) nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 520 DM zu zahlen, dahin abgeändert, daß diese Verpflichtung mit dem 25. Juni 1997 entfiel. Zugleich wurde die Beklagte auf weiteren Antrag des Klägers verurteilt, durch Übersendung der von ihr unterzeichneten Anlage U zur Einkommensteuererklärung 1996 ihre Zustimmung dazu zu erklären, daß der Kläger die an sie geleisteten Unterhaltszahlungen von seinem zu versteuernden Einkommen absetze.
Mit am 12. Januar 1998 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage beantragte die Beklagte Prozeßkostenhilfe für die Berufung gegen dieses ihr am 12. Dezember 1997 zugestellte Urteil.
Das Kammergericht wies mit Beschluß vom 2. Juni 1998 den Antrag auf Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Berufung zurück. Diese müsse nämlich verworfen werden, weil die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht gegeben seien. Dem am letzten Tag der Berufungsfrist eingegangenen Prozeßkostenhilfegesuch sei nämlich nur eine unvollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten beigefügt gewesen.
Nachdem ihr dieser Beschluß am 17. Juni 1998 zugestellt worden war, legte die Beklagte am 1. Juli 1998 Berufung gegen das Urteil des Familiengerichts ein und beantragte, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mit Beschluß vom 6. Juli 1998 wies das Kammergericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Durch die am 1. Juli 1998 eingelegte Berufung ist die mit dem 12. Januar 1998 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt worden. Das Kammergericht hat auch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu Recht abgelehnt. Die Beklagte war nicht ohne eigenes oder ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO) an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer Partei auch nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die versäumte Prozeßhandlung angebrachten Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung des Gesuchs rechnen mußte; war diese Erwartung hingegen nicht gerechtfertigt, weil die Partei selbst oder ihr Prozeßbevollmächtigter erkennen konnte, daß die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht erfüllt oder nicht ausreichend dargetan waren, so kann die Wiedereinsetzung nicht erteilt werden (vgl. Senatsbeschluß vom 26. Juni 1991 - XII ZB 49/91 - NJW-RR 1991, 1532, 1533 m.N.).
Mit der Ablehnung des Gesuchs war hier schon deswegen zu rechnen, weil die Bedürftigkeit nicht hinreichend dargetan war. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe setzt voraus, daß der Antrag den gesetzlichen Erfordernissen des § 117 ZPO entspricht; die Partei muß sich über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse (Einkünfte und Vermögen) unter Verwendung des zu diesem Zweck eingeführten Vordrucks vollständig und in einer Weise erklären, die die gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen ermöglicht, sowie entsprechende Belege beifügen. Wenn, wie hier, Prozeßkostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz beantragt wird, hängt die Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist (auch) davon ab, daß die Partei bis zum Ablauf dieser Frist die für ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlichen Angaben vollständig und übersichtlich dargestellt hat; dazu wird regelmäßig die fristgerechte Vorlage der Erklärung gemäß § 117 ZPO mit lückenlosen Angaben gefordert (vgl. Senatsbeschluß vom 26. Juni 1991 aaO m.N.).
2. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt; die Beklagte hat das zu vertreten. Die – ausweislich der Unterschrift in der Rubrik „Aufgenommen” – von der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten aufgenommene Erklärung der Beklagten ist in mehreren Punkten unvollständig.
a) Im Abschnitt C ist nicht angegeben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte Unterhaltsleistungen bezieht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, aus dem Erfolg der Abänderungsklage des Klägers in erster Instanz ergebe sich hinreichend deutlich, daß der Kläger seine Unterhaltszahlungen an sie eingestellt habe. Die in diesem Abschnitt gestellten Fragen beziehen sich nämlich ausdrücklich auch auf Leistungen Dritter, insbesondere Leistungen eines Partners aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Da die Beklagte das Kästchen „nein” nicht angekreuzt hat, war für das Gericht nicht ersichtlich, ob gegebenenfalls derartige Leistungen bezogen wurden und bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu berücksichtigen waren.
b) Im Abschnitt D ist nur die Ausbildungsvergütung der gemeinsamen Tochter Séverine der Parteien angegeben, obwohl auch Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils anzugeben waren und Anlaß zu der Annahme bestand, daß der Kläger den titulierten Unterhaltsbetrag von monatlich 197 DM für die Tochter Séverine nach Abweisung seiner auch insoweit erhobenen Abänderungsklage weiterhin entrichtete.
c) Im Abschnitt F sind monatliche Sozialversicherungsbeiträge von 565 DM – ohne den zusätzlich angegebenen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 21 DM – angegeben. Aus der beigefügten Bezügemitteilung für das Jahr 1997 ergeben sich aber nur Beiträge zur Krankenversicherung von 2.153,48 DM, zur Rentenversicherung von 3.286,89 DM und zur Arbeitslosenversicherung von 1.052,45 DM = insgesamt 6.492,82 DM, was monatlichen Abzügen von lediglich 541,07 DM entspricht. Nur wenn man die Beiträge zur Pflegeversicherung von insgesamt 275,23 DM hinzunimmt, ergeben sich jährliche Abzüge von 6.492,82 DM + 275,23 DM = 6.768,05 DM = 564 DM monatlich. Dann durften die Beiträge zur Pflegeversicherung aber nicht nochmals als Abzug geltend gemacht werden.
d) In Abschnitt G ist die Frage, ob Vermögen auf Bank-, Giro-, Sparkonten oder dergleichen vorhanden ist, ebenfalls unvollständig beantwortet. Unter der Rubrik „Kreditinstitut, Guthabenart” ist lediglich „Giro-Gehaltskonto” angegeben, so daß davon auszugehen war, daß ein Guthaben auf diesem Konto vorhanden war, ohne daß für das Gericht erkennbar und überprüfbar war, in welcher Höhe dieses Guthaben bei welchem Kreditinstitut bestand. Der Umstand, daß es sich um ein „reines Gehaltskonto” handelte, schließt entgegen der Begründung der sofortigen Beschwerde nicht aus, daß sich auf einem solchen Konto ein nicht unerhebliches Guthaben befindet. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem nachträglich vorgelegten Kontoauszug per 19. Juni 1998, der ein Guthaben von 4.585,29 DM ausweist, das zusammen mit dem in der Erklärung vom 29. Dezember 1997 angegebenen Bargeldbestand von 1.500 DM den Schonbetrag des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG übersteigen würde (vgl. Zöller/Philippi, ZPO 21. Aufl. § 115 Rdn. 57 m.N.).
e) Weiterhin ist im Abschnitt G die Frage nach dem Vorhandensein von Kraftfahrzeugen unbeantwortet geblieben.
Schon wegen dieser unvollständigen Angaben mußte die Beklagte damit rechnen, daß ihr Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe abgelehnt werden würde. Aber selbst wenn die Beklagte nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Unvollständigkeit ihrer Erklärung zu erkennen, trifft jedenfalls ihre Prozeßbevollmächtigte ein Verschulden an der Fristversäumung, das die Beklagte sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Denn zumindest die Prozeßbevollmächtigte durfte nicht damit rechnen, durch die Einreichung der von ihr unvollständig aufgenommenen Erklärung alles für eine spätere Wiedereinsetzung in die versäumte Frist Erforderliche getan zu haben.
3. Dem steht auch der Einwand der sofortigen Beschwerde nicht entgegen, die Beklagte sei ohnehin nicht gehalten gewesen, ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Rechtsmittelinstanz nochmals im einzelnen darzulegen, weil sie bereits im ersten Rechtszug eine entsprechende Erklärung eingereicht und Prozeßkostenhilfe beantragt habe.
Insoweit kann dahinstehen, ob die Angabe im Prozeßkostenhilfegesuch vom 12. Januar 1998, der gesamte Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren werde in Bezug genommen und „zum Inhalt des (Prozeßkostenhilfe-)Antrages sowie des Berufungsverfahrens gemacht”, als hinreichende Bezugnahme auf die früheren Angaben zum Prozeßkostenhilfegesuch erster Instanz anzusehen ist. Jedenfalls fehlte es an der unverzichtbaren Versicherung der Beklagten, daß sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse seit ihrer im ersten Rechtszug abgegebenen Erklärung nicht verbessert hätten (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Januar 1993 - XII ZA 21/92 - NJW-RR 1993, 451).
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im wesentlichen die gleichen Angaben gemacht wie im ersten Rechtszug und deshalb davon ausgehen dürfen, insoweit alles Erforderliche vorgetragen zu haben. Zwar kann ein Rechtsmittelkläger, dem im ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, bei im wesentlichen gleichen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen erwarten, daß auch das Gericht des zweiten Rechtszuges ihn als bedürftig im Sinne des § 115 ZPO ansehen werde; er braucht nicht damit zu rechnen, daß das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Februar 1987 - IVb ZB 157/86 - BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 2). Im vorliegenden Fall war der Beklagten die für den ersten Rechtszug beantragte Prozeßkostenhilfe aber nicht bewilligt worden.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 539583 |
JurBüro 2000, 446 |
VersR 2000, 252 |