Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung Nr. 395 22 700.3
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Marke, die in der Form einer Flasche besteht, für die Waren „Weine, Spirituosen und Liköre”.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
BPatG (Aktenzeichen 26 W (pat) 87/97) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 26. November 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer am 30. Mai 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der nachfolgend abgebildeten Flasche als dreidimensionale Marke für die Waren „Weine, Spirituosen und Liköre”:
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der die Anmelderin hilfsweise erklärt hat, sie beschränke die Anmeldung auf die Farben „Milchweiß” und „Schwarz”, ist ohne Erfolg geblieben (BPatGE 39, 132 = BPatG GRUR 1998, 581).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke verneint und dazu ausgeführt:
Nach § 3 Abs. 1 MarkenG seien dreidimensionale Gestaltungen markenfähig. Das gelte grundsätzlich auch für Flaschen auf dem Getränkesektor. Der angemeldeten Marke fehle jedoch für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft.
Die dreidimensionale Flasche habe keine so originelle Gestalt, daß sie geeignet wäre, die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Maßgebend sei das Verständnis der angesprochenen Verbraucherkreise, mit dem sie Flaschenformen begegneten und als Herkunftshinweis werteten. Sie orientierten sich insoweit nur bei einer ganz besonders auffälligen, vom Gängigen abweichenden Gestaltung an der Flaschenform. Anderenfalls dienten die auf den Flaschen befindlichen Etiketten als Erkennungszeichen. Der Verbraucher beachte beim Erwerb von Getränken die Flaschenform nicht bewußt als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Getränken; die Besonderheit müßte ihm schon ins Auge springen.
Die Gestaltung der angemeldeten Flasche sei nicht so signifikant, daß dies eine hinreichende Unterscheidungskraft begründen könne, auch wenn die Anforderungen hierbei nicht überzogen werden dürften, da für nicht genormte Flaschenformen in der Regel – wie bei Bildzeichen – kein Freihaltungsbedürfnis bestehe. Flaschen stellten für Getränke lediglich das Behältnis dar; einem solchen fehle in der Regel die Unterscheidungskraft. Die Anforderungen an die Unterscheidungskraft könne nur eine eigentümliche und originelle Form erfüllen. Diesen Erfordernissen entspreche die angemeldete Marke nicht. Der langgezogene Halsansatz sei wenig einprägsam, die zylindrische Form begegne dem Verkehr oft. Insgesamt handele es sich nicht um eine ungebräuchliche, sondern um eine typische Gestaltungsform.
Der Hilfsantrag der Anmelderin sei unzulässig. Eine Marke, die ohne Farbangabe angemeldet sei, werde durch die Angabe bestimmter Farben unzulässig abgeändert, da die nachträgliche Farbangabe den Schutzumfang einerseits beschränke, andererseits aber um die konkret beanspruchte Farbkombination erweitere.
Die Anmelderin könne sich auch nicht mit Erfolg auf eingetragene Drittzeichen berufen. Jede Anmeldung unterliege einer eigenen Prüfung.
III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen fehle jede Unterscheidungskraft, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß die als Formmarke angemeldete Flasche abstrakt geeignet ist, Waren eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden; sie ist damit markenfähig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG. Gründe, die die Selbständigkeit der – aus einer Verpackungsform bestehenden – Marke von der Ware in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich; ebensowenig Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausschlußgründen i.S. des § 3 Abs. 2 MarkenG, die nicht nur bei Warenformen, sondern auch bei Verpackungsformen in Betracht zu ziehen sind (vgl. Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 3 Rdn. 234; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 3 Rdn. 38; a.A. Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, Allg. Rdn. 28).
2. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, der angemeldeten Marke fehle für die beanspruchten Waren die (konkrete) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern.
In nicht zu beanstandender Weise ist das Bundespatentgericht bei der Beurteilung der konkreten Unterscheidungseignung davon ausgegangen, daß hierfür das Verständnis der mit den angemeldeten Waren angesprochenen Verbraucherkreise maßgebend ist (BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St. Pauli Girl, m.w.N.).
Nicht beigetreten werden kann dem Bundespatentgericht jedoch in seiner Meinung, die Anforderungen an die Unterscheidungskraft könne nur eine eigentümliche und originelle Form erfüllen, weil sich der Verkehr nur bei einer ganz besonders auffälligen, vom Gängigen abweichenden Gestaltung bezüglich der Herkunft der in ihr enthaltenen Getränke an der Flaschenform orientiere. Damit hat das Bundespatentgericht die Anforderungen an die Unterscheidungskraft bei Formmarken überspannt.
Unterscheidungskraft im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 70 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 64).
Davon ausgehend hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für Wortmarken einschließlich Slogans den Grundsatz entwickelt, daß ihnen, sofern der Marke kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst weder um ein so gebräuchliches Wort der deutschen oder einer sonst im Inland geläufigen Sprache handelt, so daß es vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH, Beschl. v. 15.7.1999 – I ZB 16/97, WRP 1999, 1167, 1168 f. = MarkenR 1999, 349 – YES, m.w.N; Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 2/97, WRP 2000, 298, 299 = MarkenR 2000, 48 – Radio von hier; Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 21/97, WRP 2000, 300, 301 = MarkenR 2000, 50 – Partner with the Best), die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann.
Entsprechend geht der Bundesgerichtshof bei Bildmarken davon aus, daß ihnen nur dann jegliche Unterscheidungskraft fehlt, wenn es sich bei dem Bild – etwa weil es die Ware selbst abbildet – um eine warenbeschreibende Angabe oder um eine ganz einfache geometrische Form oder um sonstige einfache grafische Gestaltungselemente handelt, die in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder sonst üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (BGH, Beschl. v. 10.4.1997 – I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 529 = WRP 1997, 755 – Autofelge; Beschl. v. 5.11.1998 – I ZB 12/96, GRUR 1999, 495, 496 = WRP 1999, 526 – Etiketten, m.w.N.; GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl).
Nichts anderes kann im Ausgangspunkt für eine als Marke angemeldete dreidimensionale Form gelten, die die Verpackung der Ware darstellt. Auch hier ist regelmäßig zu prüfen, ob die Form einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert oder ob sie aus sonstigen Gründen nur als solche und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird.
Besteht eine angemeldete Marke in einer dreidimensionalen Verpackung, ist nach der Lebenserfahrung grundsätzlich davon auszugehen, daß der Verkehr ihr – anders als bei Wort- oder Bildzeichen – nicht in erster Linie einen Herkunftshinweis für die in ihr enthaltenen Waren entnehmen wird; sie stellt sich vielmehr regelmäßig als bloßes Behältnis dar, dem der Verkehr keine weiteren Funktionen beimißt. Das gilt insbesondere – worum es im Streitfall geht – auch für Flaschen, die sich, wie das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat, dem Verkehr in erster Linie in ihrer Eigenschaft als Behältnisse etwa für Weine, Spirituosen und Liköre und nicht als Herkunftshinweis für die in ihnen enthaltenen Waren gegenübertreten.
Mit dieser Feststellung ist jedoch nichts darüber ausgesagt, ob nicht – etwa durch Gewöhnung – bei Getränken überhaupt oder bei bestimmten, insbesondere den im Warenverzeichnis enthaltenen alkoholischen Getränken der Verkehr daran gewöhnt ist, daß sie von bestimmten Herstellern in Flaschen bestimmter Form vertrieben werden. Enthält nämlich die äußere Form einer Flasche keinen durch Norm oder Üblichkeit bestimmten mittelbar beschreibenden Hinweis auf ihren Inhalt – wie die übliche Bierflasche den Hinweis auf Bier, die übliche (Rot – oder Weiß –)Weinflasche den Hinweis auf (Rot – oder Weiß –)Wein u.ä –, kann sie, sofern es sich nicht um eine ganz einfache, bloß werbemäßig schmückende Form handelt, auch als Herkunftshinweis verstanden werden (vgl. z.B. die Coca-Cola-Flasche). Angesichts der erfahrungsgemäß weiten Verbreitung besonderer, von genormten oder üblichen Formen abweichender Flaschenformen für verschiedene Getränke, insbesondere für solche des Warenverzeichnisses der Anmeldung, muß davon ausgegangen werden, daß sich der Verkehr grundsätzlich hinsichtlich der Herkunft des Inhalts auch an der Flaschenform herkunftshinweisend orientiert.
Jegliche Unterscheidungskraft der angemeldeten Formmarke könnte deshalb nur dann verneint werden, wenn die Form der Flasche lediglich einen Hinweis auf ihren Inhalt gäbe oder durch ganz einfache geometrische Formen („Flasche an sich”) oder sonst bloß schmückende Elemente bestimmt wäre (vgl. BGHZ 41, 187, 190 – Palmolive). Dahingehende Feststellungen hat das Bundespatentgericht bisher nicht getroffen.
Das Bundespatentgericht hat maßgebend darauf abgestellt, daß die Anforderungen an die Unterscheidungskraft nur eine eigentümliche und originelle Form erfüllen könne. Dem kann nicht beigetreten werden. Der vom Bundespatentgericht insoweit angeführten „Autofelge”-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (GRUR 1997, 527, 529) in der es – anders als hier – um eine die Ware selbst darstellende Bildmarke ging, läßt sich dies nicht entnehmen. Eigentümlichkeit (eine im Geschmacksmusterrecht vorgesehene Schutzvoraussetzung) und Originalität sind kein zwingendes Erfordernis für das Vorliegen von Unterscheidungskraft und können deshalb auch nicht zum selbständigen Prüfungsmaßstab erhoben werden (vgl. BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – I ZB 13/98, WRP 2000, 741, 742 – LOGO). Dies schließt es freilich nicht aus, daß eine gewisse Originalität – neben anderen – ein Indiz für die Eignung sein kann, die konkret angemeldeten Waren eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden (vgl. BGH WRP 2000, 298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner with the Best). Maßgebend ist – wie bei jeder anderen Markenform – auch bei der Formmarke allein, daß der Verkehr – aus welchen Gründen auch immer – in dem angemeldeten Zeichen einen Herkunftshinweis erblickt. Eine derartige Annahme hat das Bundespatentgericht zwar mit der Erwägung verneint, der Verkehr orientiere sich nur bei einer ganz besonders auffälligen, vom Gängigen abweichenden Gestaltung an der Flaschenform; der Verbraucher betrachte beim Erwerb von Getränken die Flaschenform nicht bewußt auf Unterschiede zu anderen Getränkeflaschen, ihre Besonderheit müßte ihm ins Auge springen. Es ist nicht ersichtlich, worauf sich diese Annahme stützt. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung läßt sich ein Erfahrungssatz in der vom Bundespatentgericht angeführten Allgemeinheit nicht ableiten. Die Rechtsbeschwerde (S. 7) rügt überdies mit Erfolg, daß das Bundespatentgericht sich nicht hinreichend mit der gestalterischen Besonderheit der angemeldeten Flaschenform auseinandergesetzt hat.
Das Bundespatentgericht hätte demnach im Streitfall Feststellungen treffen müssen, ob auf dem in Frage stehenden Warengebiet die angemeldete Flaschenform infolge Verwendung durch mehrere Hersteller üblich ist, oder ob sie von der üblichen Gestaltung so abweicht, daß ihr eine Herkunftsfunktion nicht abgesprochen werden kann. Hieran fehlt es in dem angefochtenen Beschluß, so daß dieser keinen Bestand haben kann.
IV. Danach war auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.04.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510779 |
BGHR |
GRUR 2001, 56 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 285 |
WRP 2000, 1290 |
MarkenR 2000, 414 |
Mitt. 2000, 506 |