Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung Nr. 395 33 667.8
Leitsatz (amtlich)
Erschöpft sich eine Bildmarke nicht in der Darstellung der Ware selbst, sondern stellt sie nur einen Teil derselben unter Heranziehung von charakteristischen Merkmalen dar, kann ihr regelmäßig die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer am 17. August 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin für die Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen” die Eintragung des nachfolgend dargestellten Bildes:
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Da Marken stets im Blick auf die beanspruchten Waren zu beurteilen und (Ober-)Bekleidungsstücke in der Regel mit Taschen versehen seien (gelegentlich aber auch Mützen, Hüte und Schuhe), liege es für den angesprochenen Verkehr bei der Wahrnehmung des angemeldeten Zeichens im Hinblick auf die äußeren Umrisse ohne weiteres nahe, hierin eine aufgesetzte Tasche als Teil der Ware zu sehen. Nach neuem Markenrecht seien an die Unterscheidungskraft generell keine (wesentlich) geringeren Anforderungen als unter der Geltung des Warenzeichengesetzes zu stellen. Wenngleich nach neuem Markenrecht Abbildungen der Ware selbst – somit auch wie hier eines Teils der Ware – abstrakt markenfähig sein könnten, ändere dies nichts daran, daß im Einzelfall die erforderliche Unterscheidungskraft, d.h. die Eignung, dem Verkehr als Unterscheidungsmittel der Herkunft nach zu dienen, gegeben sein müsse. An dieser fehle es im Streitfall. Die Rechtsprechung, nach welcher eine naturgetreue, wenn auch nicht fotografisch genaue oder maßstabsgerechte Wiedergabe einer beanspruchten Ware nicht geeignet sei, diese ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren, müsse für Abbildungen entsprechend gelten, die – wie im Streitfall – in unverkennbarer Weise einen Teil der Waren, nämlich hier eine (aufgesetzte) Tasche, wie sie insbesondere für Jeansbekleidung typisch sei, wiedergäben. Dabei seien gerade Artikel der Jeansbekleidung (bzw. Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen und zum Teil auch Schuhe aus diesem Material), insbesondere sogenannte Freizeitbekleidung im weitesten Sinne in der vorliegenden Warenklasse Produkte von zentraler, wirtschaftlich überaus großer Bedeutung, weshalb es angesichts der konkreten Gestaltung der Abbildung geboten sei, auf diese Erzeugnisse in besonderem Maße abzustellen. Der weitgehend realistischen Zeichnung fehle ein Mindestmaß an gestalterischer (graphischer) Eigentümlichkeit. Eine solche könne insbesondere nicht darin gesehen werden, daß die Nahtlinien als durchgezogene Striche ausgebildet seien, weil jedenfalls die Taschendarstellung in der Gesamtheit keinerlei verfremdende oder in sonstiger Weise originelle Wirkungen erkennen lasse. Es liege auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmefall vor, wonach Unterscheidungskraft einer Bildmarke zu bejahen sei, wenn der dargestellte Gegenstand als solcher von herkunftskennzeichnend origineller Gestalt sei und die zweidimensionale Abbildung diese Originalität erkennen lasse. Die den Gegenstand der Anmeldung bildende (Jeans-)Bekleidungstasche als Ganzes weise nämlich von den äußeren Umrissen her, die für derartige aufgesetzte Taschen charakteristisch seien, keine hinreichend eigentümlichen Besonderheiten auf. Das gelte auch für den Verlauf der mittleren Nähte, insbesondere bei einem Vergleich mit den von anderen Herstellungsbetrieben derartiger Erzeugnisse verwendeten Taschen, die vielfach ebenfalls ähnliche Mittelnähte aufwiesen.
Zwar möge es zutreffen, daß eine Reihe von Produzenten, insbesondere von Jeanshosen, bestrebt sei, durch die Verwendung jeweils stets gleichbleibend verlaufender Mittelnähte auf Taschen zusätzlich zu der dadurch bewirkten Verzierung den Abnehmern durch allmähliche Gewöhnung einen weiteren Herkunftshinweis neben den so gut wie ausnahmslos in erster Linie bekannten Wort- bzw. Bildmarken zu geben. Ob eine derartige „Ziernaht” aber zu einem in maßgeblichen Endverbraucherkreisen beachteten (zusätzlichen) Herkunftshinweis werde, hänge nicht in erster Linie von der Absicht des Herstellers ab, sondern von der Aufnahme und vom Verständnis des breiten angesprochenen Publikums. Insoweit könne nicht auf einzelne „Kenner” abgestellt werden. Gerade weil eine Vielzahl von Jeansbekleidungsherstellern jeweils unterschiedlich verlaufende Mittelnähte auf den Taschen anbringe, werde es der Mehrheit der Verbraucher in aller Regel unmöglich sein, diese im Einzelfall auseinanderzuhalten bzw. sich bei der betrieblichen Zuordnung ausschließlich an ihnen zu orientieren. Somit fehle derartigen Mittelnähten auf Taschen von Hause aus die erforderliche Unterscheidungskraft, wenngleich sie eine solche im Einzelfall im Wege der Verkehrsdurchsetzung erlangen könnten. Das sei aber von der Anmelderin weder ausdrücklich behauptet noch belegt worden.
III. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Annahme des Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen fehle jede Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zutreffend ist das Bundespatentgericht zunächst davon ausgegangen, daß das angemeldete Bild abstrakt geeignet ist, Waren eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden; es ist deshalb (abstrakt) markenfähig i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG.
Dem Bundespatentgericht kann jedoch nicht darin beigetreten werden, daß ein Zeichen, das in der naturgetreuen, wenn auch nicht fotografisch genauen oder maßstabsgerechten Wiedergabe eines Teils der beanspruchten Waren besteht, generell von Haus aus nicht geeignet sei, die betriebliche Herkunft dieser Waren kenntlich zu machen. Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine naturgetreue, wenn auch nicht fotografisch genaue oder maßstabsgerechte Wiedergabe einer beanspruchten Ware als solche grundsätzlich nicht geeignet ist, diese ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGHZ 130, 187, 192 – Füllkörper; BGH, Beschl. v. 10.4.1997 – I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 529 = WRP 1997, 755 – Autofelge; Beschl. v. 5.11.1998 – I ZB 12/96, GRUR 1999, 495 = WRP 1999, 526 – Etiketten). Anders liegt der Fall jedoch, wenn sich die Bildmarke nicht in der Darstellung der Ware selbst durch Merkmale erschöpft, die für die Art der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern wenn sie darüber hinausgehende charakteristische Merkmale aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht oder wenn sie – wie im Streitfall – nicht die Ware selbst, sondern einen Teil derselben darstellt, der für sich charakteristische Merkmale aufweist.
Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts muß eine Bildmarke nämlich keine gestalterische (graphische) Eigentümlichkeit oder eine originelle Wirkung aufweisen, um als unterscheidungskräftig angesehen werden zu können. Eigentümlichkeit und Originalität sind keine zwingenden Erfordernisse für das Vorliegen von Unterscheidungskraft und können deshalb auch nicht zum selbständigen Prüfungsmaßstab erhoben werden (vgl. BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – I ZB 13/98, GRUR 2000, 722, 723 = WRP 2000, 741 – LOGO; Beschl. v. 13.4.2000 – I ZB 6/98, WRP 2000, 1290, 1292 – Likörflasche; Beschl. v. 26.10.2000 – I ZB 3/98, GRUR 2001, 239, 240 = WRP 2001, 31 – Zahnpastastrang). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fehlt einer Bildmarke nur dann jegliche Unterscheidungskraft, wenn es sich bei dem Bild um eine warenbeschreibende Angabe handelt (BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St. Pauli Girl, m.w.N.).
Bei der angemeldeten Bildmarke handelt es sich nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts für den angesprochenen Verkehr um die Darstellung einer aufgesetzten Tasche, wie sie bei (Ober-)Bekleidungsstücken, gelegentlich aber auch bei Mützen, Hüten und Schuhen, verwendet wird. Hieraus kann nicht entnommen werden, daß das angemeldete Bild als solches in irgendeiner Weise die Art oder Beschaffenheit der in Frage stehenden Waren beschreibt. Der bildlichen Darstellung einer aufgesetzten Tasche kann nichts für die Art und Beschaffenheit der mit ihr etwa gekennzeichneten Bekleidungsstücke entnommen werden. Das gilt um so mehr für die weiteren in der Anmeldung in Anspruch genommenen Waren, nämlich Schuhwaren und Kopfbedeckungen, für die das Bundespatentgericht nicht einmal hinreichende entsprechende Feststellungen für die Verwendung derartig aufgesetzter Taschen getroffen hat.
Die Unterscheidungskraft steht aber auch nicht deswegen in Frage, weil das angemeldete Bildzeichen lediglich einfache geometrische Formen zeige. Es ist allerdings anerkannt, daß einfache geometrische Formen oder sonstige einfache graphische Gestaltungselemente, die – wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist – in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder sogar Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden, keine Unterscheidungskraft aufweisen (BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl). Um eine derartige Bilddarstellung handelt es sich bei der angemeldeten Marke jedoch nicht. Wenn sie auch im wesentlichen aus Rechtecken oder dieser geometrischen Form angenäherten, auf den Längsseiten mit Kreisbögen versehenen Begrenzungen besteht, kann ihr insgesamt als komplexer Darstellung eine gewisse charakteristische Erscheinung, die insbesondere in der annähernd horizontalen Ziernaht liegt, nicht abgesprochen werden. Das gilt um so mehr, als das Versehen insbesondere von Jeanshosen mit Taschen, die für die einzelnen Hersteller charakteristische Ziernähte aufweisen, nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nichts Ungewöhnliches ist. Darüber hinaus wird die Gestaltung der Ziernähte für den Verkehr erkennbar auch in der Werbung der Hersteller herausgestellt. Bei dieser Sachlage reichen die Zweifel, die das Bundespatentgericht in diesem Zusammenhang daran geäußert hat, daß sich die Gestaltung der Ziernähte bereits jetzt zu einem maßgeblichen Identifikationsmittel für konkrete Jeansbekleidungsstücke entwickelt habe, nicht aus, um eine Unterscheidungskraft zu verneinen (a.A. HABM MarkenR 2000, 110 für eine nahezu identische Bildmarke). Bei dieser Beurteilung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung allein der waagerechten Ziernaht erreicht hat.
Da auch sonstige Gründe, dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen, nicht ersichtlich sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.1999 – I ZB 47/96, GRUR 1999, 1093 = WRP 1999, 1169 – FOR YOU; Beschl. v. 22.9.1999 – I ZB 19/97, GRUR 2000, 231 = WRP 2000, 95 – FÜNFER; Beschl. v. 17.2.2000 – I ZB 33/97, GRUR 2000, 882 = WRP 2000, 1140 – Bücher für eine bessere Welt), kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben.
IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen, das nunmehr der Frage etwaiger sonstiger Eintragungshindernisse nachzugehen haben wird.
Unterschriften
Zugleich für die in Urlaub befindlichen Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert: Erdmann, Starck, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.11.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2001, 479 |
BGHR |
GRUR 2001, 734 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2001, 690 |
MarkenR 2001, 207 |
Mitt. 2001, 295 |