Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten "jeweils der gefährlichen Körperverletzung und des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung", den Angeklagten O. "darüber hinaus der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei weiteren Fällen" schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten O. zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten P. in einer Entziehungsanstalt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gegen den Angeklagten O. angeordnet.

Mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts; der Angeklagte O. beanstandet ferner das Verfahren.

1. Die auf einen "Verstoß gegen §§ 261, 250 StPO" gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten O. ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.

2. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die Verurteilung der Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hat keinen Bestand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt hier nicht ein Raub als Sonderfall der Erpressung (vgl. BGHSt 14, 386, 390), sondern eine (schwere räuberische) Erpressung in Betracht. Nach den Feststellungen gab der 11 Jahre alte Sohn des Geschädigten Gerald K. die Jacke mit der Brieftasche seines Vaters (Inhalt u.a. 40 DM in bar und eine EC-Karte) an den Angeklagten L. heraus, nachdem der Angeklagte P. ihm gedroht hatte: "Wenn du mir nicht das Geld gibst, dann steche ich deinen Papi ab!". Auch bei einer "Dreieckserpressung" (vgl. dazu BGHSt 41, 123) richtet sich die Zuordnung zu den Tatbeständen der Erpressung oder des Raubes nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat (BGH aaO S. 126), und nicht, wie das Landgericht meint, nach der Sicht des nicht mit der Aushändigung einverstandenen Gewahrsamsinhabers. Eine Änderung des Schuldspruchs in eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung kommt hier jedoch nicht in Betracht, da das Landgericht, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, einen Raubvorsatz nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, so daß auch nicht hinreichend belegt ist, daß die Angeklagten sich, wie nach §§ 253, 255 StGB erforderlich, zu Unrecht bereichern wollten.

Dem Urteil läßt sich nämlich nicht zweifelsfrei entnehmen, daß die Angeklagten bei der Ausführung der Tat beabsichtigten, sich das in der Brieftasche vermutete Geld zuzueignen oder sich sonst durch Verwertung des Inhalts der Brieftasche zu Unrecht zu bereichern. Nach den Feststellungen kehrten die Angeklagten mit der erbeuteten Brieftasche zu dem vor der Wohnung des Geschädigten geparkten Auto zurück, in dem Ramona J., von der die Initiative zu der Tat ausgegangen war, auf sie wartete. Ramona J. hatte den Angeklagten erklärt, Gerald K., mit dem sie zusammengelebt hatte, müsse Geld bekommen haben; ihr stehe noch Geld zu. Zu dem weiteren Geschehen nach Rückkehr der Angeklagten zu dem Auto hat das Landgericht u.a. festgestellt:

"Dort entnahm der Angeklagte L. der Brieftasche 40 DM und gab sie an Ramona J. weiter. Diese durchsuchte die Brieftasche und entnahm ihr einen Kontoauszug und eine EC-Karte (Sparkassen-Card). Anschließend warf der Angeklagte L. während der Fahrt die Brieftasche aus dem Fenster...".

Diese Ausführungen sind unklar: Sie können einerseits dahin verstanden werden, daß der Angeklagte L. die vorab entnommenen 40 DM für sich behielt und lediglich die Brieftasche mit dem übrigen Inhalt an Ramona J. weitergab; andererseits kommt danach auch in Betracht, daß Ramona J., wie der Generalbundesanwalt meint, die gesamte Beute ("sie"), nämlich auch die zuvor entnommenen 40 DM, übergeben wurde. Nach dem äußeren Geschehensablauf läge es dann nicht fern, daß die Angeklagten keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgten, sondern Ramona J. das dieser nach ihren Angaben zustehende Geld beschaffen wollten und somit lediglich in der Absicht handelten, "einen anderen" zu bereichern.

Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht erörtern müssen, ob die Angeklagten von einer berechtigten Forderung der Ramona J. gegen den Geschädigten ausgingen; denn nach ständiger Rechtsprechung bewirkt die irrige Annahme eines Anspruchs gegen das Opfer einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum über die Rechtswidrigkeit der Bereicherung (BGHSt 20, 136, l37; vgl. aber auch BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7 m.w.N.).

b) Die danach gebotene Teilaufhebung der Schuldsprüche erfaßt auch die - an sich nicht zu beanstandende - tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und entzieht der gegen den Angeklagten O. verhängten Einheitsjugendstrafe, den gegen die Angeklagten L. und P. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen sowie der nach § 64 StGB gegen den Angeklagten P. angeordneten Maßregel die Grundlage.

Die im übrigen gegen die Angeklagten L. und P. verhängten Einzelstrafen sowie die gegen den Angeklagten O. festgesetzte Sperrfrist haben Bestand, da sie von der Teilaufhebung der Schuldsprüche nicht berührt werden und auch sonst rechtlicher Nachprüfung standhalten.

3. Für die vom Generalbundesanwalt hinsichtlich des Angeklagten O. beantragte Ergänzung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen dahin, daß sich der Angeklagte jeweils tateinheitlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht hat, ist kein Raum. Einer Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in diesen Fällen stand entgegen, daß die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 StPO bei Anklageerhebung auf die Verletzungen des § 316 StGB beschränkt hat (Bd. 1 Bl. 199 d.A.). Das Landgericht hat die danach ausgeschiedenen Verletzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG durch einen entsprechenden Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGH NStZ 1994, 495) nur hinsichtlich der beiden Fahrten wieder einbezogen, bei denen es eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für nicht erwiesen angesehen hat (Bd. II Bl. 73 d.A.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993477

NStZ 1998, 299

NStZ-RR 1997, 321

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