Entscheidungsstichwort (Thema)
räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 6. August 1998 im Schuld- und Strafausspruch zu Nr. 1 der Urteilsformel dahin geändert, daß der Angeklagte wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wie folgt verurteilt:
- „wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten,
- „wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, wegen Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung in 2 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, und wegen eines weiteren Falles des Hausfriedensbruches” unter Einbeziehung der Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Görlitz vom 28. Mai 1997 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß „vor Beginn des Maßregelvollzuges 4 Jahre der erkannten Freiheitsstrafen vollstreckt werden”. Ferner hat das Landgericht eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt und den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuld- und Strafausspruchs zu Nr. 1 der Urteilsformel; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht im Fall der Nr. 1 der Urteilsgründe einen räuberischen Angriff auf einen Kraftfahrer und (vorsätzliches) Fahren ohne Fahrerlaubnis angenommen. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Wertung des Tatgeschehens als schwere räuberische Erpressung und fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung sowie die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses:
a) Nach den Feststellungen veranlaßte der Angeklagte den Fahrer, sein Taxi anzuhalten, und bedrohte ihn mit einem Messer, um sich „das Fahrzeug und darin befindliche fremde Sachen rechtswidrig zuzueignen”. Nachdem er auf Aufforderung des Angeklagten den Gang herausgenommen und die Hände von Lenkrad und Schalthebel genommen hatte, betätigte der Fahrer die Alarmanlage und sprang aus dem Fahrzeug. Als er bemerkte, daß der Angeklagte sich auf den Fahrersitz gesetzt hatte, versuchte er vergeblich, die inzwischen verriegelte Fahrertür zu öffnen. Der Angeklagte fuhr mit dem Taxi langsam an. Nach etwa 200 Metern verlor der Angeklagte infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug, das von der Fahrbahn abkam und sich überschlug. Dabei wurden neben dem Fahrzeug, an dem Totalschaden entstand, ein Leitpfosten und ein Lichtmast zerstört.
b) Danach hat der Angeklagte neben dem vom Landgericht angenommenen Tatbestand der schweren räuberischen Erpressung zugleich auch den Tatbestand des schweren Raubes verwirklicht, der aber als Sonderfall des allgemeineren Straftatbestandes des § 255 StGB diesem vorgeht (BGHSt 14, 386, 390). Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgebend. Wird dieser mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen nicht nur zur Duldung, sondern zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung gezwungen, so ist eine räuberische Erpressung anzunehmen (vgl. BGHSt 7, 252, 254; BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 3). Eine solche als Herausgabe aufzufassende Handlung des Tatopfers liegt hier jedoch nicht vor, denn mit dem Verlassen seines Fahrzeugs hatte der Fahrer den Gewahrsam daran und an den Sachen in dem Fahrzeug nicht aufgegeben. Vielmehr hat der Angeklagte den weiterhin bestehenden Gewahrsam gebrochen, indem er mit dem Taxi wegfuhr (vgl. BGHSt 14, 386, 390).
Wegen der teilweisen Identität der Ausführungshandlungen stehen räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer, schwerer Raub und die weiteren durch das Führen des Kraftfahrzeugs verwirklichten Straftatbestände nicht in Tatmehrheit, wie das Landgericht angenommen hat, sondern in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB). Nach den Feststellungen hat der Angeklagte jedoch insoweit neben dem Straftatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG nicht den des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a und Abs. 3 Nr. 2 StGB verwirklicht, sondern sich lediglich gemäß § 316 StGB der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht. Da die Gefährdung des geführten, dem Angeklagten aber nicht gehörenden Fahrzeugs, das nach den Feststellungen einen Wert von etwa 15.000 DM hatte, aus dem Schutzbereich des § 315 c StGB ausscheidet (vgl. BGHSt 27, 40; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1994 - 4 StR 559/94; Tröndle StGB 48. Aufl. § 315 c Rdn. 17 m.w.N.), ist entscheidend, ob der Angeklagte durch die Trunkenheitsfahrt sonst eine fremde Sache von besonderem Wert gefährdet hat. Zu dem Wert des hierfür nach den Feststellungen allein in Betracht kommenden Begrenzungspfosten und des Lichtmastes verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Da insoweit der Wert der Sache selbst, nicht (auch) der Wiederherstellungsaufwand entscheidend ist, versteht es sich entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht von selbst, daß die Mindestgrenze für einen bedeutenden Sachwert (vgl. dazu Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 35. Aufl. § 315 c StGB Rdn. 6; Tröndle aaO Rdn. 16) erreicht oder überschritten war. Der Senat schließt aus, daß sich dazu jetzt noch sichere Feststellungen treffen lassen.
Der Senat ändert den Schuldspruch zu Nr. 1 der Urteilsformel entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
c) Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Einzelgeldstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten. Die dem gemäß §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 316 a Abs. 1 StGB n.F. entnommene Einzelstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe bleibt bestehen.
2. Zu der Verurteilung wegen der übrigen, in Nr. 2 der Urteilsformel genannten Taten bemerkt der Senat, daß sich die Anzahl der Tagessätze der im Fall II Nr. 5 verhängten Einzelgeldstrafe eindeutig aus der Differenz aus der in den Urteilsgründen genannten Summe der Einzelgeldstrafen von 275 Tagessätzen und der Anzahl der Tagessätze der übrigen Einzelgeldstrafen ergibt.
3. Der nur geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens zu entlasten.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540870 |
NStZ 1999, 350 |
NPA 2000 |