Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 4. Mai 1999
im Schuldspruch wie folgt neu gefaßt:
Der Angeklagte ist der schweren räuberischen Erpressung, des Diebstahls, der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr, der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit zwei tateinheitlich zusammentreffenden fahrlässigen Körperverletzungen, des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen schuldig,
- im Ausspruch über die wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung verhängte Einzelstrafe, die Gesamtfreiheitsstrafe und die Maßregel mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls, fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung mit fahrlässiger Körperverletzung in 2 Fällen, unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen” zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Mit seiner auf die Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung (Fall B 3 der Urteilsgründe) und den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen zum Fall B 3 der Urteilsgründe ließ sich der Angeklagte am Morgen des 14. Dezember 1998 in einem Taxi zum Bahnhof Schöngeising fahren. Als die Taxifahrerin dort „die Begleichung der Taxirechnung … verlangte und ihre Geldbörse aus der Ablage der Fahrertüre entnahm, zog der Angeklagte, der noch auf dem Beifahrersitz saß, seine Gaspistole aus der Jackentasche, richtete sie gegen die Taxifahrerin und forderte sie auf, auf die Begleichung der Taxirechnung zu verzichten und ihre Geldbörse an ihn auszuhändigen”. Unter dem „Eindruck der auf sie gerichteten Waffe und wegen der beengten Verhältnisse im Pkw” gab die Taxifahrerin dem Angeklagten ihren Geldbeutel, in dem sich ca. 500 DM befanden. Sodann flüchtete der Angeklagte in ein Waldstück.
b) Die Revision beanstandet zu Recht, daß diese Feststellungen zwar die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung, nicht aber die wegen – tateinheitlich hierzu begangenen – räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer tragen.
Das Landgericht sieht den Tatbestand des § 316 a Abs. 1 StGB ersichtlich schon allein deshalb als gegeben an, weil die Tat in einem Kraftfahrzeug begangen wurde und die am Zielort haltende Taxifahrerin dem Angeklagten u.a. wegen der „beengten Verhältnisse im Pkw” ihren Geldbeutel gab. Bei seinem Vorgehen gegen die Taxifahrerin hat der Angeklagte jedoch nicht „die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs” ausgenutzt. Dieses Tatbestandsmerkmal in § 316 a Abs. 1 StGB verlangt nämlich, daß der Täter eine Gefahrenlage ausnutzt, die dem fließenden Straßenverkehr eigentümlich ist (BGHSt 6, 82, 84; 13, 27, 29 f.; 18, 170, 171; 37, 256, 258; 38, 196, 197; BGH NStZ 1994, 340, 341; Geppert NStZ 1986, 552 f.). Eine solche Gefahrenlage wird nur dann ausgenutzt, wenn nach dem Tatplan das Kraftfahrzeug als Verkehrsmittel für die Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung eine Rolle spielt. Ist die Fahrt beendet und wird der räuberische Entschluß – so wie hier mangels entgegenstehender Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden muß – erst danach gefaßt, so fehlt es am Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs (vgl. BGHSt 19, 191, 192; 24, 320, 321; 37, 256, 258; BGH NStZ 1996, 435 f.). Wie der Senat schon für das bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) geltende Recht in einem solchen Fall entschieden hat, genügt es zur Tatbestandserfüllung des § 316 a Abs. 1 StGB nicht, daß lediglich die Abwehrmöglichkeiten des Kraftfahrzeugführers durch die Enge im Fahrzeug eingeschränkt sind (NStZ 1996, 389, 390; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 316 a Rdn. 3). Die Neufassung der Vorschrift (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 51, 75, 89) läßt eine erweiternde Auslegung – wie sie der Auffassung des Landgerichts zugrunde liegt – erst recht nicht zu.
Im Fall B 3 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte somit (nur) der schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht.
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und faßt ihn zur Klarstellung insgesamt neu. Soweit die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Fall B 1 der Urteilsgründe) im Tenor des angefochtenen Urteils nicht aufgeführt ist, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen (s. UA 11/12), das der Senat bei der Neufassung des Schuldspruchs berichtigt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 354 Rdn. 33).
3. Mit der Änderung des Schuldspruchs im Fall B 3 der Urteilsgründe wird der für diesen Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren die Grundlage entzogen. Sie muß ebenso wie die Gesamtstrafe aufgehoben werden. Die übrigen Einzelstrafen werden hiervon nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben.
Für die Neubemessung der Strafe im Fall B 3 wird der nunmehr entscheidende Tatrichter ergänzende Einzelheiten zu der vom Angeklagten verwendeten Gaspistole, ihrem genauen Ladezustand (vgl. UA 13) und der konkreten Art ihres Einsatzes festzustellen haben, um den Unrechtsgehalt der Tat erschöpfend würdigen zu können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Januar 1999 - 3 StR 517/98 -, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 538/98 - und vom 2. März 1999 - 5 StR 18/99; zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 250 Abs. 1 und 2 StGB n.F. s. Boetticher/Sander NStZ 1999, 292 ff.).
4. Auch der Maßregelausspruch (Maßnahmen nach den §§ 69, 69 a StGB) muß aufgehoben werden, weil für ihn jegliche Begründung im Urteil fehlt (vgl. Senatsbeschluß vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99).
Im Hinblick auf die Alkoholproblematik beim Angeklagten (UA 5, 9/10) wird der neu entscheidende Tatrichter bei der Prüfung von Maßregelanordnungen mit sachverständiger Hilfe (§ 246 a StPO) zu erwägen haben, ob eine Unterbringung nach § 64 StGB erfolgen muß (s. S. 10 der Revisionsbegründung).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540805 |
NStZ 2000, 144 |