Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 35.000 €
Gründe
I.
Rz. 1
Die Kläger verlangen von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines mit ihr geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben die Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. September 2021 begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genüge.
Rz. 2
Die Berufungsbegründung der Kläger befasse sich nicht mit der vom Landgericht getroffenen und dessen Entscheidung auch allein tragenden Feststellung, dass ein etwaiges Widerrufsrecht im Zeitpunkt seiner Ausübung durch die Kläger bereits verwirkt gewesen sei. In der Berufungsbegründung werde der Begriff der Verwirkung nur an zwei Stellen erwähnt, die nicht erkennen ließen, dass damit das Urteil des Landgerichts auch insoweit angegriffen werden solle. Zum einen werde nur auf eine künftige Entscheidung des EuGH darüber verwiesen, ob und inwieweit die Berufung eines Darlehensgebers auf die Einwände der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem Widerruf eines Verbrauchers durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG ausgeschlossen sei. Zum anderen tauche der Begriff der Verwirkung ohne Bezug zum angefochtenen Urteil nur in einem Zitat (Knops, WM 2020, 2249, 2262) auf. Die Berufungsbegründung befasse sich weder mit der vom Landgericht bejahten Erfüllung des Zeitmoments noch mit der vom Landgericht ebenfalls bejahten Verwirklichung des Umstandsmoments einer Verwirkung. Die Ausführungen der Kläger zur Verwirkung in ihrer Klageschrift könnten den erforderlichen Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil auch dann nicht ersetzen, wenn in der Berufungsbegründung - wie hier - pauschal auf den gesamten erstinstanzlichen Tatsachenvortrag der Kläger Bezug genommen werde.
Rz. 3
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.
II.
Rz. 4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung der Kläger den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
Rz. 5
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, WM 2003, 1581, 1582 mwN, insoweit in BGHZ 155, 199 nicht abgedruckt). Für die Zulässigkeit der Berufung ist auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - VI ZB 7/20, WM 2020, 1945 Rn. 7 mwN). Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, aaO mwN). Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 10, vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 und vom 8. Juni 2021 - VI ZB 22/20, WM 2021, 1354 Rn. 6 mwN).
Rz. 6
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Kläger gerecht. Sie lässt noch hinreichend erkennen, welche Gründe die Kläger den Erwägungen des Landgerichts entgegensetzen.
Rz. 7
Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass die beiden Passagen, in denen in der Berufungsbegründung zur Nichtanwendbarkeit der Rechtsinstitute der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs auf Fälle von Widerrufserklärungen von Darlehensnehmern wegen nicht ordnungsgemäßer Widerrufsinformationen bzw. Pflichtangaben Stellung nimmt, keinen Bezug zu den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil aufweisen. Der Berufungsbegründung lässt sich aber gleichwohl in noch ausreichender Weise entnehmen, welche bestimmten Erwägungen die Kläger in dem angefochtenen Urteil beanstanden und welche rechtlichen Gründe sie ihnen entgegensetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall der Sachverhalt zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist und nur Rechtsfragen zur Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation und zur Anwendbarkeit der Rechtsinstitute der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs in Streit stehen. Insoweit hat das Landgericht seine Entscheidung auf rechtliche Erwägungen gestützt, deren Infragestellung durch die Kläger eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts nicht erfordert. In der Berufungsbegründung wird von den Klägern beanstandet, dass das landgerichtliche Urteil insofern auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung beruhe, als im Zeitpunkt der Erstellung der Berufungsbegründung der Europäische Gerichtshof auf die Vorlagen des Landgerichts Ravensburg in den Rechtssachen C-155/20, C-187/20 und C-366/20 noch nicht darüber entschieden gehabt habe, ob und inwieweit die Berufung des Kreditgebers auf die Einwendungen der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts durch einen Verbraucher gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG ausgeschlossen sein könne. Aus diesen Ausführungen ergibt sich mit noch ausreichender Deutlichkeit, welche Rechtsgründe die Kläger den Erwägungen des Landgerichts entgegensetzen.
III.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat die Berufung daher rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. Die Sache ist zur Entscheidung über die Begründetheit des Rechtsmittels an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
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