Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit oder Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit?
Tenor
Das Amtsgericht Wiesbaden – Abteilung für Wohnungseigentumssachen – wird als das zuständige Gericht bestimmt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die Erstattung der sonstigen Kosten richtet sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
I. Auf Antrag der Kläger, die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft sind, hat das Amtsgericht Bonn am 7. Juli 1982 einen Mahnbescheid gegen einen – ehemaligen – Wohnungseigentümer wegen rückständigen Wohngeldes erlassen. Nach Einlegung des Widerspruchs ist der Rechtsstreit an das Landgericht Essen abgegeben worden. Dort haben die Kläger beantragt, die Sache an das Amtsgericht Wiesbaden zu verweisen, weil die Wohnungseigentumsanlage in Wiesbaden gelegen und das dortige Amtsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig sei. Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das Landgericht Essen durch Beschluß vom 24. November 1982 für „funktionell unzuständig” erklärt und den Rechtsstreit an das „Amtsgericht Wiesbaden (FGG-Abteilung)” verwiesen.
Dieses hat nach Einsicht in die Grundakten festgestellt, daß zum Zeitpunkt des Erlasses des Mahnbescheids bereits die Rechtsnachfolger des Beklagten im Grundbuch eingetragen waren, und sich daraufhin mit Beschluß vom 19. April 1983 für unzuständig erklärt und die Sache an das Landgericht Essen abgegeben. Dieses hat sich ebenfalls für unzuständig gehalten und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FGG dem Oberlandesgericht Hamm vorgelegt.
Das Oberlandesgericht hat eine Entscheidung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es sei zur Bestimmung des zuständigen Gerichts als gemeinschaftliches oberes Gericht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG nicht berufen, weil es sich nicht um einen Streit um die örtliche Zuständigkeit handele.
Das Landgericht Essen hat daraufhin die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
II. 1. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO durch den Bundesgerichtshof zu bestimmen.
a) Für den vorliegenden Zuständigkeitsstreit, an dem ein Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Abteilung für Wohnungseigentumssachen) beteiligt sind, hält das Gesetz keine unmittelbar anwendbare Regelung bereit. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum wird für einen solchen Kompetenzkonflikt überwiegend die Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO befürwortet (vgl. OLG Düsseldorf OLGZ 1969, 385; OLG Frankfurt FamRZ 1974, 197; OLG Koblenz 1977, 1736; OLG Köln FamRZ 1978, 708; OLG Hamm RdL 1967, 210; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., 1978, § 5 Rdn. 8; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 36 Rdn. 20; Zöller/Vollkommer ZPO, 13. Aufl., 1981, § 36 Anm. II 6 e, bb).
Der IV b-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat diese Vorschrift auf den vergleichbaren Fall eines Zuständigkeitsstreits zwischen einem Familiengericht und einem Gericht der (allgemeinen) freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend angewendet (BGHZ 78, 108).
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine entsprechende Anwendung der Bestimmung in § 36 Nr. 6 ZPO jedenfalls für Fälle geboten, in denen es sich, wie vorliegend, um einen Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt.
Wohnungseigentumssachen sind als sog. echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bürgerliche Streitigkeiten, die aus Zweckmäßigkeitserwägungen dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen worden sind und ohne diese Zuweisung im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit auszutragen wären (vgl. BGH NJW 1980, 2466, 2467 m.w.N.). Für sie liegt schon deshalb eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO nahe. Das Verfahren nach dieser Vorschrift bietet zudem eine einfache, praktikable und kostensparende Möglichkeit, im Interesse der Parteien und der Rechtssicherheit den mißlichen Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, schnell zu beenden, damit das als zuständig bestimmte Gericht sich möglichst bald mit der Sache selbst befaßt. Da § 5 FGG ausdrücklich nur die örtliche Zuständigkeit regelt, käme als mögliche andere Lösung nur die Verweisung auf den Rechtsmittelweg in Betracht. Sie stellt jedoch schon wegen des damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwands kein der Bestimmung des Gerichts nach § 36 Nr. 6 ZPO gleichwertiges Mittel zur Behebung eines Kompetenzkonflikts dar. Demgegenüber bietet eine Ausdehnung des Geltungsbereichs von § 36 Nr. 6 ZPO auf Fälle des Konflikts eines Gerichts der streitigen Gerichtsbarkeit, für dessen Zuständigkeitsbereich die Vorschrift ohnehin gilt, mit einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine sinnvolle und von der Rechtsnatur der Wohnungseigentums Sachen her nahegelegte Lösung, die von der Interessenlage gefordert wird und der aus dem Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine gesetzlichen Hindernisse entgegenstehen.
b) Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts, wie sie § 36 Nr. 6 ZPO aufstellt, sind, weil sowohl das Landgericht Essen als auch das Amtsgericht Wiesbaden sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, vorliegend gegeben.
2. Zuständig für die Entscheidung des Rechtsstreits ist das Amtsgericht Wiesbaden, denn für dieses war nach § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG die Verweisung der Sache durch das Landgericht Essen bindend. Eine Bindungswirkung würde dem Beschluß des Landgerichts nur dann nicht zukommen, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlte, sie also auf Willkür beruhte (vgl. BGHZ 71, 69 3 NJW 1978, 1163; BGH LM Nr. 4 zu § 36 Nr. 6 ZPO m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Allein der Umstand, daß das Landgericht rechtsirrig die Voraussetzungen seiner Zuständigkeit verneint hat, hindert die bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses nicht.
Unterschriften
G, E, T, S, M
Fundstellen