Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Juni 2001 aufgehoben.
Dem Beklagten wird wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Beschwerdewert: 20.000 DM.
Gründe
I.
Der Beklagte hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 9. Mai 2001 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 28. Mai 2001 beim Oberlandesgericht ein. Der Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 3. Mai 2001 einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entwerfen lassen. Den Schriftsatz habe er am Vormittag des 4. Mai 2001 in das Postausgangsfach zum Postversand gelegt. Dabei habe er einen roten „Post-It”-Zettel mit der Aufschrift „FA 9.5.01” auf dem Schriftsatz angebracht. Die in dem Postausgangsfach liegenden Schriftsätze würden täglich gegen 15 Uhr von einer zuverlässigen Mitarbeiterin kuvertiert, frankiert und zu dem nächsten Postbriefkasten gebracht. Bei dem Kuvertieren werde der rote „Post-It”-Zettel von der Angestellten entfernt und danach einer Rechtsanwaltsfachgehilfin vorgelegt, die sodann die Frist aus dem Fristenkalender austrage oder einen Erledigungsvermerk anbringe und den Zettel in die Akte hefte.
Am Abend des 4. Mai 2001 nach Büroschluß habe der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten nachgesehen, ob das Fristverlängerungsgesuch versandt worden war. Der Schriftsatz habe sich nicht mehr in dem Postausgangsfach befunden. Der „Post-It”-Zettel habe auf dem benachbarten Computer-Arbeitsplatz gelegen. Der Prozeßbevollmächtigte habe aus alledem geschlossen, daß der Schriftsatz versandt worden sei. Da der Anwalt gewußt habe, daß das Berufungsgericht einem ersten Fristverlängerungsantrag stets entspricht, habe er daraufhin die eingetragene Berufungsbegründungsfrist sowohl im Fristenkalender als auch im Computer gestrichen und die, wie er annahm, neue Frist eingetragen.
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Dagegen richtet sich die fristgerechte sofortige Beschwerde des Beklagten.
II.
Das gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, §§ 519 b, 547 ZPO zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Dem Beklagten ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte.
1.a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zu den Aufgaben des Prozeßbevollmächtigten, dafür zu sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig fertiggestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muß gewährleisten, daß der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist das geschehen und ist die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so dürfen die fristwahrenden Maßnahmen, zu denen auch ein Fristverlängerungsantrag gehört, als erledigt angesehen werden (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Oktober 1995 – XII ZB 48/93, NJW-RR 1994, 565, 566; Beschluß vom 27. November 1996 – XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313; Beschluß vom 9. September 1997 – IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446, 3447; Beschluß vom 15. Juli 1998 – IV ZB 8/98, NJW-RR 1998, 1443, 1444). Das ist im allgemeinen anzunehmen, wenn der fristgebundene Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Anwaltskanzlei gelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird, das Postausgangsfach also „letzte Station” auf dem Weg zum Adressaten ist (BGH, Urteil vom 11. Januar 2001 – III ZR 148/00, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 13).
b) Auf dieser Grundlage hat der Beklagte glaubhaft gemacht, daß ihn und seinen Prozeßbevollmächtigten kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft. Der Beklagte hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erläutert, daß sein Prozeßbevollmächtigter den Fristverlängerungsantrag rechtzeitig in das Postausgangsfach gelegt hat. Diesem wird die Post kurz vor der Briefkastenentleerung entnommen und zum nahegelegen Briefkasten gebracht. Die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist war organisatorisch dadurch gewährleistet, daß sie im Fristenkalender erst gestrichen werden durfte, wenn die Post in das Postausgangsfach gelegt worden war. Dieser Sachverhalt ist durch die eidesstattliche Versicherung des Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht. Eine zusätzliche Überwachung der abgehenden Post war nicht erforderlich. Daß der Postausgangs-Zettel von dem Fristverlängerungsantrag getrennt worden war, entsprach dem geplanten regelmäßigen Verlauf. Es durfte von dem Prozeßbevollmächtigten als weiteres Anzeichen für die ordnungsgemäße Expedition des Antrags gewertet werden. Eine Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Briefbeförderung oblag dem Prozeßbevollmächtigten nicht (vgl. schon BGH, Beschluß vom 2. Februar 1983 – VIII ZB 1/83, NJW 1983, 1741).
2.a) Der Anwalt kann regelmäßig erwarten, daß seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn einer der Gründe des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgebracht wird (BGH, Beschluß vom 23. Juni 1994 – VII ZB 5/94, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 11). Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen gelten grundsätzlich entsprechende Voraussetzungen, wie sie auch für die unmittelbare Fristenkontrolle von Berufung und Berufungsbegründung selbst bestehen. Daher wird verlangt, daß das mutmaßliche Ende der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung des Fristverlängerungsantrages im Fristenkalender eingetragen wird. Das darf allerdings grundsätzlich nicht in der Weise geschehen, daß schon mit der Antragsstellung der Endpunkt der Frist so im Kalender eingetragen wird, daß dies den Irrtum erwecken kann, die Fristverlängerung sei bereits bis zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden. Vielmehr ist die Eintragung des endgültigen Fristablaufs grundsätzlich erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist. Jedenfalls ist sicherzustellen, daß rechtzeitig das wirkliche Ende der Frist – gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht – festgestellt wird (BGH, Beschluß vom 14. Juli 1999 – XII ZB 62/99, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 19).
b) Gleichwohl ist dem Prozeßbevollmächtigten kein Verschulden anzulasten. Der Beklagte hat durch eidesstattliche Versicherung seines Anwalts folgendes glaubhaft gemacht: Die Senatsgeschäftsstelle des Oberlandesgerichts habe ihm in anderer Sache die Auskunft erteilt, daß die erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist so gut wie immer gewährt werde. Wenn das ganz ausnahmsweise nicht der Fall sei, werde der Prozeßbevollmächtigte vom Gericht rechtzeitig benachrichtigt. Das Berufungsgericht hat diese Praxis nicht in Abrede gestellt. Nach alledem durfte sich der Prozeßbevollmächtigte auf eine rechtzeitige Information durch das Gericht verlassen und mußte nicht selbst durch Rückfrage aktiv werden. Da er auf eine ordnungsgemäße Briefbeförderung vertrauen durfte, war er auch nicht unter diesem Gesichtspunkt gehalten, sich durch Rückfrage an das Gericht zu wenden.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Bauner
Fundstellen