Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 13.08.2004) |
Tenor
1. Der Beschluß des Landgerichts Gießen vom 30. September 2004 wird aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 13. August 2004 wird als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Der Angeklagte ist am 13. August 2004 wegen Vortäuschens einer Straftat, Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, Bedrohung in drei Fällen, Diebstahls in sechs Fällen, davon in einem Fall in einem besonders schweren Fall, Betruges in 55 Fällen, Erschleichens von Leistungen in sieben Fällen, Sachbeschädigung in 13 Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Im Anschluß an die Urteilsverkündung und die Verkündung eines Haftfortdauerbeschlusses haben der Angeklagte, sein Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Gleichwohl hat der Angeklagte mit an das Oberlandesgericht Frankfurt gerichtetem Schreiben vom 18. August 2004 „Berufung” gegen das Urteil eingelegt. Das Schreiben ist am 23. August 2004 beim Oberlandesgericht Frankfurt und am 26. August 2004 beim Landgericht Gießen eingegangen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluß vom 30. September 2004 verworfen, da es verspätet eingelegt worden sei.
Mit einem als „sofortige Beschwerde” bezeichneten Schreiben vom 9. Oktober 2004, eingegangen bei dem Landgericht am 12. Oktober 2004, hat sich der Angeklagte gegen den seinem Verteidiger am 11. Oktober 2004 zugestellten Beschluß gewandt.
Das gemäß § 300 StPO als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) anzusehende Rechtsmittel ist statthaft und fristgerecht gestellt, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings führt es zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die fälschlich als Berufung bezeichnete Revision des Angeklagten (§ 300 StPO) als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeinhaltung zusammentrifft, also etwa die Revision nach wirksamem Rechtsmittelverzicht verspätet eingelegt worden ist (vgl. BGH NStZ 2000, 217).
Demgemäß obliegt es hier dem Bundesgerichtshof, die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO). Sie ist unzulässig, weil der Angeklagte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Verzicht ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte aufgrund des von ihm behaupteten Hungerstreiks in der Hauptverhandlung verhandlungsunfähig gewesen sein könnte, sind aus dem Protokoll nicht ersichtlich. An die Verzichtserklärung bleibt der Angeklagte gebunden; sie kann grundsätzlich weder angefochten noch zurückgenommen oder widerrufen werden.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Rothfuß, Roggenbuck
Fundstellen