Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 01.07.2020; Aktenzeichen 540 Js 252/20 9 KLs 13/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 1. Juli 2020 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 20. Januar 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sowie wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Die erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der während der Tat II.3 der Urteilsgründe hergestellten Tonbandaufnahme ist bereits deshalb unzulässig, weil es an der eindeutigen Behauptung einer bestimmten Beweistatsache fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1998 – 4 StR 618/97; Beschluss vom 1. Juli 2010 – 1 StR 259/10 mwN). Die Revision stellt vorliegend die Beweistatsache als bloße Möglichkeit dar, indem sie vorträgt, es hätte sachverständig geprüft werden müssen, „ob hier Löschungen in dem Gesprochenen vorgenommen wurden”.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde hat zu den Schuldsprüchen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
Rz. 4
2. Dagegen kann der Ausspruch über die Einzelstrafen und über die Gesamtstrafen nicht bestehen bleiben, weil bei allen drei Taten die Voraussetzungen jeweils eines vom Landgericht berücksichtigten Strafschärfungsgrundes nicht festgestellt sind.
Rz. 5
a) Im Fall II.1 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Frage des Abweichens von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB (in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung) und bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass dieser bei der Tatbegehung am 23. Februar 2009 unter laufender Bewährung gestanden habe. Beginn und Dauer dieser Bewährungszeit lassen sich jedoch weder den Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Annahme eines Bewährungsbruchs zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. März 2003 – 4 StR 27/03; vom 6. September 2016 – 3 StR 283/16).
Rz. 6
b) In den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB und bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser zwei Regelbeispiele verwirklicht habe. Nach den Urteilsfeststellungen sind jeweils (nur) die Voraussetzungen für das Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB (Vergewaltigung) erfüllt. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, da der Senat nicht ausschließen kann, dass sich die Annahme zweier Regelbeispiele auf die Wahl des Strafrahmens und die konkrete Strafe ausgewirkt hat.
Rz. 7
c) Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht den beiden Gesamtstrafen die Grundlage.
Rz. 8
Eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1a StPO kommt im Hinblick darauf, dass der Rechtsfehler bereits die Strafrahmenwahl berührt, nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 4 StR 585/09; Urteil vom 25. Januar 2017 – 5 StR 364/16).
Rz. 9
3. Die zugehörigen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Rz. 10
4. Der neue Tatrichter wird bei Bemessung der Einzelstrafen zu beachten haben, dass es sich in allen drei Fällen um Taten während einer (ambivalenten) Beziehung handelte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 – 4 StR 412/02; Beschluss vom 21. Juli 2015 – 3 StR 217/15). Zudem wird ausführlicher als bisher das Gesamtstrafenübel in den Blick zu nehmen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 313; vom 17. April 2008 – 4 StR 118/08 und vom 7. Februar 2018 – 1 StR 582/17).
Unterschriften
Sost-Scheible, Quentin, Bartel, Rommel, Maatsch
Fundstellen
Dokument-Index HI14321200 |