Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 28.11.2001) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. November 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin verworfen und deren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen worden ist.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I, 4. Zivilkammer, vom 2. August 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert beträgt 166.682 EUR.
Tatbestand
Gründe:
I.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung (272.000 DM) und (weiteren) Schadensersatz (54.000 DM) in Anspruch genommen. Das vermietete Objekt war zu Zwecken der Vermögensbildung angeschafft worden. Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin auf Prozeßkostenhilfe wegen Fehlens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen sowie wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Berufungsfrist gegen das klageabweisende Urteil lief am 24. Oktober 2001 ab. Am 22. Oktober 2001 hat die Klägerin Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt. Sie hat auf die dem Landgericht vorgelegte Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Bezug genommen und zusätzlich erklärt, seitdem habe sich nichts verändert. Die Rechtsschutzversicherung erteilte mit Schreiben vom 23. Oktober 2001, das den Eingangsstempel des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 26. Oktober 2001 trägt, Deckungszusage für die Durchführung der Berufung. Die Klägerin hat anschließend Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung verworfen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, der die Beklagten entgegentreten.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige (§§ 519 b Abs. 2, 547, 238 Abs. 2, 577 ZPO a.F.) Rechtsmittel ist begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelkläger, der innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozeßkostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen, sofern er nach den Umständen nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte (Beschl. v. 25. Februar 1987, IVb ZB 157/86; v. 27. November 1996, XII ZB 84/96; BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 2 und Prozeßkostenhilfegesuch 5, jew. m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Prozeßkostenhilfe im Einzelfall mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (BGH, Beschl. v. 24. Juni 1999, IX ZB 30/99, BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 11) oder, wie hier, zusätzlich aus diesem Grunde versagt worden ist. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin stand der begehrten Prozeßkostenhilfe nicht entgegen, denn das Hindernis der Bedürftigkeit entfiel erst mit der Deckungszusage (BGH, Beschl. v. 4. Oktober 1990, IV ZB 5/90, BGHR ZPO § 233 Rechtsschutzversicherung 1), die nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt war.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bot der die Prozeßkostenhilfe ablehnende Beschluß des Landgerichts, den zu bekämpfen die Klägerin, da ihr zwischenzeitlich Rechtsschutz für die erste Instanz gewährt worden war, keinen Anlaß hatte, keine Grundlage für die Besorgnis, die Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren werde an den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen scheitern. Die Klägerin hatte monatliche Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Kleinunternehmerin) von 964 DM; ihnen standen verschiedene berücksichtigungsfähige Versicherungsprämien gegenüber. Auf dieser Grundlage hatte die Klägerin, unbeschadet dessen, daß sie im eigenen Einfamilienhaus mietfrei wohnte (wegen dessen Belastung s. unten), Prozeßkostenhilfe zu erwarten. Das Gericht der ersten Instanz hat Prozeßkostenhilfe unter Hinweis darauf versagt, daß die Klägerin einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen ihren Ehemann habe. Ob der Rechtsstreit deshalb, wie das Landgericht gemeint hat, eine persönliche Angelegenheit im Sinne des § 1360 a Abs. 4 BGB betrifft, weil die mit dem Kauf erstrebte Steuerersparnis den zusammenveranlagten Eheleuten zugute kommen sollte, kann dahinstehen. Das Landgericht und ihm folgend das Berufungsgericht haben sich jeder Darlegung zu Grund und Höhe des Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß enthalten. Wenn man von den Angaben der Klägerin zu den Einkommensverhältnissen ihres Ehemannes und dem Vermögen, die die Vorinstanzen nicht in Zweifel gezogen haben, ausgeht, ist es nicht möglich, der Klägerin entgegenzuhalten, sie hätte vernünftigerweise mit der Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfegesuches wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen müssen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob dem Ehemann, wenn er selbst Partei gewesen wäre, die Hilfe hätte versagt werden können, sondern nur darauf, ob er zu einem Vorschuß verpflichtet war, der die Bedürftigkeit der Klägerin, auch im Sinne einer Prozeßkostenhilfe gegen Ratenzahlung, ausschloß. Dies ist nicht ersichtlich, die Entscheidungen der Vorinstanzen liefern hierzu auch keinen Beitrag. Der Ehemann bezog aus nicht selbständiger Arbeit einen Jahreslohn (13 Monatsgehälter) von 80.326 DM; hiervon gingen an Steuern und Sozialversicherungsabgaben 30.139 DM ab. An die das gemeinsame Eigenheim der Eheleute finanzierende Bausparkasse war ein jährlicher Zins- und Tilgungsdienst von 26.280 DM zu leisten. Auch unter Außerachtlassung der weiter geltend gemachten Belastungen liegt es eher fern, daß der Ehemann an die Klägerin, bei Aufrecherhaltung seines eigenen angemessenen Unterhalts, einen – auch ratenweisen – Vorschuß hätte erbringen müssen, der die subjektiven Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfe entfallen ließ.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Schneider, Klein, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 728813 |
NJOZ 2002, 1507 |