Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 24.11.1992) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil der großen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 24. November 1992 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht Bochum hatte die Angeklagte, die 74jährige Ehefrau eines Arztes, wegen gemeinschaftlich begangener fortgesetzter betrügerischer Abrechnung kassenärztlicher Leistungen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagte des Betruges in sieben Fällen (IV. Quartal 1981 bis II. Quartal 1983) schuldig ist, und den Strafausspruch aufgehoben. Hinsichtlich der übrigen Taten (I. Quartal 1979 bis III. Quartal 1981) wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt. In der neuen Verhandlung ist die Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die Revision der Angeklagten beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Daß das Landgericht in jedem der verbliebenen sieben Betrugsfälle einen besonders schweren Fall bejaht hat, begegnet rechtlichen Bedenken. Diese ergeben sich allerdings noch nicht aus der Schadenshöhe von (nur) etwa 50.000 DM je Quartal. Zwar ist die Höhe des Schadens in erster Linie geeignet, der Tat das Gepräge besonderer Schwere zu geben (BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 3; BGH NStZ 1982, 465 Nr. 10). Der Tatrichter hat sich aber bei der Erfassung des Schuldgehalts eines kassenärztlichen Abrechnungbetruges nicht nur an der Schadenshöhe zu orientieren. Maßgebend sind auch die aufgewendete kriminelle Energie, das Ausmaß des Vertrauensbruchs und die Dauer des betrügerischen Vorgehens (BGHSt 36, 320, 322).
Eine über viele Jahre hinweg in weit über 2.500 Fällen je Quartal praktizierte Falschabrechnung ärztlicher Leistungen offenbart angesichts des Vertrauens, das die Versichertengemeinschaft, die gesetzlichen Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen dem Arzt aufgrund der Struktur des Abrechnungswesens entgegenzubringen haben, regelmäßig ein solches Maß an Sozialschädlichkeit und persönlicher Schuld, daß sie mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu ahnden ist (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13 m.w.N.). Auch in einem solchen Fall sind jedoch die Besonderheiten in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen (BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 2 m.w.N.).
Daran fehlt es hier insbesondere deshalb, weil die Angeklagte als Angehörige der beiden Praxisinhaber gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und den RVO- und Ersatzkassen selbst nicht unmittelbar verpflichtet war. Die von ihr manipulierten Krankenscheine und die darauf beruhenden falschen Quartalsabrechnungen sind von den Praxisinhabern mit der Versicherung der Richtigkeit eingereicht worden und deshalb in erster Linie von ihnen zu verantworten. Diesem Umstand kommt hier besondere Bedeutung zu, weil die zivilrechtliche Seite inzwischen geregelt worden ist. Der frühere Mitangeklagte Dr. Anton-Peter S. hat infolge der Einbehaltung der pfändbaren Beträge seines Ruhegehalts nach außergerichtlicher Einigung ca. 160.000 DM beglichen. Sein Sohn Dr. Dirk S. ist von den Kassen in Höhe von insgesamt 528.000 DM in Anspruch genommen worden (UA 6). In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Verfahren gegen den Ehemann der Angeklagten wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werden mußte und daß die Angeklagte im wesentlichen allein die strafrechtlichen Konsequenzen der von den beiden Praxisinhabern zu verantwortenden Handlungen zu tragen hat. Die Strafe muß deshalb erneut zugemessen werden.
Unterschriften
Steindorf, Nehm, Maatz, Tolksdorf, Tepperwien
Fundstellen
Haufe-Index 1530741 |
StV 1993, 520 |