Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.08.2011; Aktenzeichen 18 W 120/11) |
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.04.2011; Aktenzeichen 2-04 O 211/09) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 3.8.2011 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II des LG Frankfurt/M. vom 18.4.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden den Klägerinnen auferlegt.
Beschwerdewert: 1.114 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Berücksichtigung einer Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren.
Rz. 2
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten zu 2) (im Folgenden: Beklagter) gemäß rechtskräftigem Urteil des LG nach teilweisem Obsiegen einen Zahlungsanspruch i.H.v. 29.109,58 EUR. Der Beklagte hat aus diesem Prozess einen Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 29 % seiner außergerichtlichen Kosten, die das LG mit Kostenfestsetzungsbeschluss II vom 18.4.2011i.H.v. 1.114,24 EUR gegen die Klägerinnen festgesetzt hat. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Klägerinnen am 27.4.2011 zugestellt. Mit weiterem Beschluss vom 19.4.2011 hat das LG die von dem Beklagten an die Klägerinnen zu erstattenden Kosten unter Ausgleichung der Gerichtskosten auf 1.442,49 EUR festgesetzt. Die Klägerinnen haben außergerichtlich am 10.5.2011 "vorsorglich" für den Fall der Nichtzahlung der Hauptforderung durch den Beklagten die Aufrechnung gegenüber den Kostenerstattungsansprüchen des Beklagten mit ihrem Zahlungsanspruch erklärt und sodann sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Der Beklagte wendet ein, die Aufrechnung sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Überdies habe er den Kostenerstattungsanspruch bereits mit der Vollmachtserteilung am 24.5.2010 an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die Vollmacht mit der Abtretung am 28.9.2010 an die Klägerinnen übersandt.
Rz. 3
Das OLG hat den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG aufgehoben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Klägerinnen zu je 1/2 auferlegt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte die Aufhebung des Beschlusses und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 5
1. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten sei einschließlich der Zinsen durch Aufrechnung erloschen. Die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche in der Vollmachtserteilung an den Prozessbevollmächtigten sei nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam, da es sich um eine überraschende Klausel in einem Formularvertrag handele. Nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO könne die Beschwerde auf neue Angriffsmittel gestützt werden, so dass unschädlich sei, dass die Aufrechnung erst nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses erklärt worden sei. Zwar beschränke sich das Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich auf die Berücksichtigung kostenrechtlicher Aspekte. Ausnahmsweise finde aber eine Aufrechnung aus prozessökonomischen Gründen Berücksichtigung, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung außer Streit stehe oder rechtskräftig festgestellt sei. Hier sei die Forderung rechtskräftig festgestellt, da die Berufung des Beklagten gegen das die Kostengrundentscheidung enthaltende landgerichtliche Urteil zurückgewiesen worden sei. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung könne sich auch aus dem Titel ergeben, der gleichzeitig die für die Festsetzung maßgebliche Kostengrundentscheidung darstelle, und zwar auch in Fällen, in denen die Kostenentscheidung wie hier eine Kostenquote vorsehe. Soweit vertreten werde, eine Aufrechnungslage liege mangels Bestimmbarkeit des Erstattungsanspruchs erst mit Erlass des Festsetzungsbeschlusses vor, könne dem nicht gefolgt werden. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entstehe aufschiebend bedingt bereits zu Beginn des Prozessrechtsverhältnisses und werde mit rechtskräftiger Entscheidung unbedingt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er der Aufrechnung zugänglich. § 106 ZPO sehe nur die Verrechnung vor, berühre aber die Existenz zweier Kostenerstattungsansprüche nicht. Nach § 106 Abs. 2 ZPO sei zum einen auch eine einseitige Festsetzung möglich und vorliegend sogar durchgeführt worden, zum anderen gingen der Verrechnung zwei Festsetzungsentscheidungen voraus, die jeweils selbständig mit der Beschwerde anfechtbar seien. Hinreichende Bestimmtheit der Forderung liege vor, sobald die Parteien ihre Kostenfestsetzungsanträge eingereicht hätten und der Rechtspfleger in der Lage sei, das Verrechnungsergebnis festzustellen.
Rz. 6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass materiell-rechtliche Einwendungen, wie die Aufrechnung der Klägerinnen, außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind. Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung; es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH v. 9.12.2009 - XII ZB 79/06, NJW-RR 2010, 718 Rz. 9; BGH Beschlüsse v. 23.3.2006 - V ZB 189/05, FamRZ 2006, 854 f.; v. 22.11.2006 - IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rz. 8). Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGH Beschl. v. 22.11.2006 - IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rz. 8).
Rz. 8
b) Allerdings kann es aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die - einen ungleich höheren Aufwand erfordernde - Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (BGH v. 9.12.2009 - XII ZB 79/06, NJW-RR 2010, 718 Rz. 10; BGH Beschl. v. 23.3.2006 - V ZB 189/05, FamRZ 2006, 854 f.; v. 22.11.2006 - IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rz. 9).
Rz. 9
c) Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht gegeben. Die Klägerinnen haben zwar einen rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen den Beklagten. Ob sie jedoch mit diesem Anspruch gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aufrechnen können, bedarf materiell-rechtlicher Prüfung und weiterer Tatsachenaufklärung, da der Beklagte einwendet, alle Kostenerstattungsansprüche an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die Klägerinnen davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Die hieran anschließende Prüfung des Beschwerdegerichts, ob die Abtretung in der Prozessvollmacht im Hinblick auf § 305c BGB wirksam war, zeigt, dass eine materiell-rechtliche Prüfung erforderlich war; eine solche ist dem Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren aber verwehrt. Auch eine Prüfung der Frage, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Aufrechnung der Klägerinnen nach §§ 406 oder 407 BGB gegen sich gelten lassen müsste, betrifft materielles Recht und erfordert weitere Tatsachenaufklärung, da der Rechtspfleger zu prüfen hätte, ob der Schuldner von der Abtretung der Forderung wusste. Diese Fragen lassen sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ohne Weiteres klären. Die Klägerinnen sind daher mit ihrer Aufrechnung auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen.
Fundstellen