Leitsatz (amtlich)
Zur Form des Ausgleichs der Versorgungsaussichten eines Lehrers, der bei Ehezeitende an einer staatlich genehmigten Ersatzschule tätig war, dort Anwartschaften auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften durch den privatrechtlich organisierten Schulträger erworben hatte und vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich als Beamter auf Probe unter Anrechnung seiner früheren Dienstzeiten in den Schuldienst des Landes übernommen wurde.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1, § 1587b Abs. 2; VAHRG §§ 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 10. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. Januar 1996 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.474 DM.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 3. Juni 1977 die Ehe geschlossen. Am 21. Mai 1991 ist der Scheidungsantrag des Ehemannes rechtshängig geworden.
Beide Ehegatten haben während der Ehezeit (1. Juni 1977 bis 30. April 1991, § 1587 Abs. 2 BGB) Versorgungsanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 2) erworben.
Neben den gesetzlichen Rentenanwartschaften hat die Ehefrau während der Ehezeit eine Anwartschaft auf Alters- und Invaliditätsversorgung bei der E. C. AG in H. erlangt.
Der Ehemann hat während der Ehezeit durch seine Tätigkeit als Lehrer bei den inzwischen aufgelösten Kaufmännischen Schulen P., einer staatlich genehmigten Ersatzschule, Anwartschaften auf eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben. Er war dort bis zum 31. Juli 1992 beschäftigt. Zum 1. August 1992 ist er unter Anrechnung seiner früheren Dienstzeiten in ein Beamtenverhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen berufen worden.
Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich derart durchgeführt, daß es auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA einen Betrag von 491,60 DM zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der D. Wirtschaftsschule GmbH in D., dem Schulträger der Kaufmännischen Schulen P., begründet hat.
Auf die Beschwerde des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (LBV, weiterer Beteiligter zu 1) hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und die für die Ehefrau bei der BfA zu begründenden Rentenanwartschaften auf den festgestellten Höchstbetrag gemäß §§ 1587 b Abs. 5 BGB, 76 Abs. 2 Satz 3 SGB VI von monatlich 122,89 DM beschränkt. Zudem hat es die Begründung dieser Anwartschaften zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei dem LBV durchgeführt. Dagegen richtet sich dessen weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht hat den Versorgungsausgleich auf die im Ergebnis zu Recht als zulässig angesehene Beschwerde des LBV zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei dem LBV durchgeführt, obwohl der Ehemann bei Ehezeitende bei den Kaufmännischen Schulen P. tätig war und erst nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen worden ist.
Dem hält die weitere Beschwerde entgegen, ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich sei nicht möglich, weil der Träger der Schule, bei der der Ehemann zum Ende der Ehezeit beschäftigt war, privatrechtlich organisiert gewesen sei. Der Versorgungsausgleich habe deshalb insgesamt dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten bleiben müssen. Die spätere Übernahme des Ehemannes in das Beamtenverhältnis ändere daran nichts, weil auch die Form des Ausgleichs grundsätzlich nach den Verhältnissen zum Ende der Ehezeit bestimmt werden müsse. Auch eine entsprechende Anwendung des § 10 a Abs. 1 Nr. 3 VAHRG scheide aus. Sie komme nur in Betracht, wenn der Status des Versorgungsträgers – beispielsweise durch eine Übernahme der Ersatzschule in die Trägerschaft des Landes – gewechselt habe, was hier nicht der Fall sei. Demgegenüber könne die nach Ehezeitende erfolgte Berufung des Versorgungsberechtigten in ein Beamtenverhältnis keine Abänderung nach § 10 a VAHRG rechtfertigen und deshalb auch bei der Erstentscheidung nicht berücksichtigt werden.
Mit diesem Vorbringen vermag die weitere Beschwerde nicht durchzudringen.
1. Zwar ist der Ehezeitanteil einer Versorgungsanwartschaft aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages und damit für das Ende der Ehezeit im Sinne von § 1587 Abs. 2 BGB (BGHZ 82, 66, 70) zu errechnen. Damit wird – wie auch bei den übrigen Bewertungsvorschriften des § 1587 a Abs. 2 BGB – auf das Ende der Ehezeit abgestellt. Die tatsächlichen Verhältnisse und individuellen Umstände eines in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechts bestimmen sich mithin grundsätzlich nach den Verhältnissen am letzten Tag der Ehezeit als dem maßgeblichen Bewertungsstichtag (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Februar 1984 – IVb ZB 49/83 – FamRZ 1984, 565, 566). Die bei Ehezeitende gegebenen individuellen Bemessungsgrundlagen einer Versorgung bleiben festgeschrieben, weil nur so die Vergleichbarkeit verschiedener Versorgungsanrechte zu erreichen ist und eine Teilhabe des anderen Ehegatten an einer nach Auflösung der ehezeitlichen Versorgungsgemeinschaft erworbenen Versorgungsanwartschaft nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. BT-Drucks. 7/4361 S. 38; Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 1981 – IVb ZB 659/80 – FamRZ 1981, 856, 861, vom 22. Oktober 1986 – IVb ZB 55/83 – FamRZ 1987, 145, 147 und vom 13. Mai 1987 – IVb ZB 118/82 – FamRZ 1987, 918, 920; RGRK-BGB/Wick 12. Aufl. § 1587 Rdn. 35; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 3. Aufl. § 1587 BGB Rdn. 37). Eine Berücksichtigung nachehezeitlicher Veränderungen der individuellen Bemessungsgrundlagen würde dem zuwiderlaufen.
Soweit es jedoch nicht um die Höhe, sondern um die Form des Versorgungsausgleichs geht, hat der Senat schon vor Inkrafttreten der Abänderungsmöglichkeit nach § 10 a VAHRG in ständiger Rechtsprechung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung abgestellt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 81, 100, 123 und 90, 52, 57; vom 11. November 1981 – IVb ZB 873/80 – FamRZ 1982, 154, 155; vom 11. März 1987 – IVb ZB 13/85 – FamRZ 1987, 921, 922; vom 7. Juni 1989 – IVb ZB 70/88 – FamRZ 1989, 1058, 1059; vom 11. Oktober 1995 – XII ZB 137/91 – FamRZ 1996, 98, 99). Dies hat auch im Schrifttum Zustimmung gefunden (vgl. RGRK-BGB/Wick aaO § 1587 Rdn. 40 und § 10 a VAHRG Rdn. 26, 30; Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 1587 BGB Rdn. 40). Deshalb entscheidet sich nach den in diesem Zeitpunkt gegebenen Verhältnissen, ob die Voraussetzungen für die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs vorliegen oder aber nur ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich in Betracht kommt. Eine Ausnahme kann allenfalls dann gelten, wenn der nachehezeitliche Erwerb einer Versorgungsanwartschaft gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger auch von weiteren individuellen Voraussetzungen, etwa dem Bestehen einer Prüfung, abhängt (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 10 a VAHRG Rdn. 29). Derartige individuelle Voraussetzungen, die nicht bereits während der Ehezeit angelegt waren, waren hier aber nicht zu erfüllen.
Zu Recht hat das Oberlandesgericht daher die nach dem Erlaß der Entscheidung des Familiengerichts erfolgte Übernahme des ausgleichspflichtigen Ehemannes in ein Beamtenverhältnis unter Anrechnung ehezeitlicher Betriebszeiten bei der Entscheidung über die Form des Versorgungsausgleichs berücksichtigt. Entgegen seiner Auffassung bedurfte es insoweit allerdings keiner Prüfung, ob die Voraussetzungen vorlagen, die eine Abänderung nach § 10 a VAHRG gerechtfertigt hätten.
Denn mit der Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe unter Übernahme der bisherigen Versorgungszusage hatte der Ehemann zwischenzeitlich eine verfestigte Aussicht auf Versorgung erworben, die unter § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB fällt (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Januar 1982 – IVb ZB 544/81 – FamRZ 1982, 362, 364). Die ehezeitlichen Dienstjahre erhöhen mithin seine künftige Beamtenversorgung, während frühere Anwartschaften gegenüber dem Träger der Kaufmännischen Schulen P. entfallen sind. Damit sind die früheren Anwartschaften auf Versorgung durch den privatrechtlich organisierten Ersatzschulträger in eine konkrete Versorgungsaussicht bei dem jetzigen Dienstherrn des Probebeamten eingeflossen (vgl. Senatsbeschluß vom 11. März 1987 aaO). Dem ist für die Form des Versorgungsausgleichs insoweit Rechnung zu tragen, als nunmehr in direkter Anwendung des § 1587 b Abs. 2 BGB ein Quasisplitting zu Lasten der Aussicht auf Beamtenversorgung stattfindet.
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Senatsbeschluß vom 17. April 1985 – IVb ZB 796/81 – FamRZ 1985, 794 die Auffassung vertritt, Versorgungsanwartschaften aus der ehezeitlichen Tätigkeit bei einem privatrechtlich organisierten Schulträger seien stets dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten, ist darauf hinzuweisen, daß sich der Versorgungsanspruch des ausgleichspflichtigen Ehegatten in dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall weiterhin gegen den privatrechtlich organisierten Schulträger richtete, während die Versorgungsanwartschaften des Ehemannes hier infolge der Übernahme in das Beamtenverhältnis in eine Aussicht auf Versorgung durch einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger übergegangen sind.
2. Die Höhe der ehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaften des Ehemannes gegenüber dem LBV ist entsprechend der Auskunft des Regierungspräsidenten in A. vom 2. Dezember 1991, deren Richtigkeit von der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird, mit monatlich 2.123,96 DM festgestellt worden. Zu diesen dynamischen Anwartschaften des Ehemannes hat das Oberlandesgericht weitere, auf freiwillige Beiträge zurückzuführende ehezeitliche Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der BfA addiert und auf diese Weise ehezeitliche Versorgungsanwartschaften von insgesamt monatlich 2.154,21 DM errechnet.
Der Senat sieht keine Veranlassung, Zweifeln an der Richtigkeit dieser Berechnung nachzugehen, die sich daraus ergeben, daß der Regierungspräsident in A. in seiner Auskunft vom 2. Dezember 1991 bei der Berechnung des Zeit-/Zeitanteils davon ausgegangen ist, der am 28. April 1938 geborene Ehemann werde die Altersgrenze am 30. April 2003 erreichen. Diese Annahme erscheint fraglich, weil für Lehrer an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen eine vorgezogene Altersgrenze gilt: Sie treten nach § 44 Abs. 1 Satz 2 LBG NW am Ende des Schuljahres in den Ruhestand, das dem Schuljahr vorangeht, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Da das Schuljahr in Nordrhein-Westfalen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Schulpflichtgesetzes NW vom 2. Februar 1980 (GV NW S. 164) jeweils am 31. Juli endet, wird der Ehemann möglicherweise bereits neun Monate früher als angenommen, nämlich am 31. Juli 2002, in den Ruhestand treten. Dies hätte indes keinen Einfluß auf die Höhe des durchzuführenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs, der allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Eine vorgezogene Altersgrenze würde zwar den auf die Ehezeit entfallenden Anteil der Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehemannes rechnerisch geringfügig erhöhen, könnte sich aber nur auf den künftigen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auswirken, weil der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich, wie noch darzulegen sein wird, ohnehin auf den Höchstbetrag von 122,89 DM (§ 1587 b Abs. 5 BGB) beschränkt bleiben muß.
3. Die ehezeitliche Versorgungsanwartschaft der Ehefrau setzt sich aus den Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der BfA sowie aus den Anwartschaften auf eine Betriebsrente bei der E. C. AG zusammen.
a) Zu Recht haben das Familiengericht und ihm folgend das Oberlandesgericht den ehezeitlichen Anteil der Betriebsrente zeitratierlich ermittelt. Allerdings ist das Familiengericht bei seiner Berechnung von einer falschen Gesamtbeschäftigungszeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze ausgegangen. Die Zeit vom Eintritt in die E. C. AG am 1. Oktober 1962 bis zum Erreichen der festen Altersgrenze am 31. Mai 2003 beträgt nicht 489, sondern 488 Monate. Die Gesamtjahresrente von 25.129,92 DM ist mithin gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 a BGB durch 488 Monate zu dividieren und mit der Beschäftigungszeit innerhalb der Ehezeit von 167 Monaten (1. Juni 1977 bis 30. April 1991) zu multiplizieren, so daß sich ein Ehezeitanteil der Jahresrente in Höhe von 8.599,79 DM (nicht: 8.582,20 DM) ergibt.
Das Familiengericht und ihm folgend das Oberlandesgericht haben die Versorgungsanwartschaft der Ehefrau zudem rechtsfehlerfrei als zumindest bis zum Leistungsbeginn nicht volldynamisch angesehen und deren Ehezeitanteil – allerdings auf der Grundlage einer Gesamtbeschäftigungszeit von 489 statt richtig 488 Monaten – gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB in eine dynamische Versorgung in Höhe von 192,27 DM monatlich umgerechnet. Legt man der im übrigen zutreffenden Berechnung des Familiengerichts statt dessen den vorstehend mit 8.599,79 DM errechneten Ehezeitanteil der statischen Jahresrente zugrunde, ergibt sich ein dynamischer ehezeitlicher Wert von 8.599,79 DM × 4,4 = 37.839,08 DM × 0,0001286453 = 4,8678 Entgeltpunkte × 39,58 DM = 192,67 DM monatlich.
b) Zusammen mit den Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich somit eine zu berücksichtigende Versorgung der Ehefrau in Höhe von 978,74 DM + 192,67 DM = 1.171,41 DM.
4. Damit übersteigen die ehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaften des Ehemannes (mindestens 2.154,21 DM) diejenigen der Ehefrau (1.171,41 DM) um mindestens 982,80 DM. Zu Recht hat das Oberlandesgericht aber nicht diesen Betrag hälftig ausgeglichen, sondern den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich wegen der Höchstbetragsregelung des § 1587 b Abs. 5 BGB auf 122,89 DM beschränkt und die Ausgleichung des Mehrbetrages dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 609857 |
FamRZ 1999, 221 |
FuR 1999, 82 |
NJW-RR 1999, 225 |
NJWE-FER 1999, 77 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1999, 100 |
ZNotP 1999, 37 |