Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 11.10.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11. Oktober 2016 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.C.1. der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie der Urkundenfälschung in zwei Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit zum Schuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II.C.1. der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt hat, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil das deutsche Strafrecht auf diese Tat nicht anwendbar ist und damit ein Verfahrenshindernis besteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 – 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3).
Rz. 3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Teil einer von Bremen aus agierenden Gruppierung, deren Mitglieder auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans in arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrere Betrugstaten begingen, um sich auf diese Weise eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Sie trugen – ohne hierzu berechtigt zu sein – auf Überweisungsformularen die Kontodaten von Firmen oder Privatpersonen, die sie im Internet recherchiert hatten, als vermeintliche Auftraggeber ein und versahen die Unterschriftenfelder mit der Signatur des jeweiligen Entscheidungsträgers, die sie ebenfalls aus dem Internet kopiert oder gescannt hatten. Für die meist hohen Geldbeträge gaben sie Empfängerkonten an, die sie zuvor unter Verwendung verfälschter Personaldokumente bei der Z. Bank in Polen eröffnet hatten. In diesem Rahmen beging der Angeklagte die Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe, indem er sich – unter nicht näher festgestellten Umständen – einen auf die fiktive Personalie „D.” verfälschten niederländischen Reisepass verschaffte, der mit einem ihm ähnelnden Lichtbild versehen worden war, sich mit dem Pass nach Stettin in Polen begab und dort unter Vorlage dieses Dokuments in einer Filiale der Z. Bank ein Konto auf den Namen „D.” eröffnete, das später als Zielkonto für betrügerische Überweisungen genutzt werden sollte.
Rz. 4
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen gewerbsmäßig begangener Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB verurteilt. Zur Begründung hat die Kammer – einheitlich zusammengefasst für diesen Fall sowie die Fälle II.C.2. und II.C.3. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte an der Eröffnung weiterer Konten in Polen durch den gesondert verfolgten K. beteiligt war – ausgeführt, dass die Verfälschung und Verwendung ausländischer Pässe nach deutschem materiellen Strafrecht keinen speziellen Straftatbestand – insbesondere nicht § 276 Abs. 1 StGB – erfülle, so dass eine strafbare Verwendung einer unechten Urkunde durch Vorlage des verfälschten niederländischen Passes bei der Kontoeröffnung in Polen verbleibe. Die Taten seien trotz ihres Auslandsbezugs verfolgbar und zu bestrafen, da sowohl der Angeklagte als auch seine Mittäter im Bundesgebiet Beiträge geleistet hätten, die der Vorbereitung und Herbeiführung der Tatbestandsverwirklichung gedient hätten.
Rz. 5
b) Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hinsichtlich des Falls II.C.1. der Urteilsgründe hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Für diese Tat ist die deutsche Strafgewalt nicht eröffnet. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist nichts ersichtlich und es fehlt an einem inländischen Tatort (§ 3 StGB). Ein solcher ergibt sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht aus dem Ort der Handlung gemäß § 9 Abs. 1 StGB. Handlungsort im Sinne dieser Norm ist jeder Ort, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung vornimmt, sofern damit die Schwelle zum Versuchsstadium überschritten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 1986 – 4 StR 622/85, BGHSt 34, 101, 106). Dagegen reichen bloße Vorbereitungshandlungen im Inland nicht aus, um die deutsche Strafgewalt zu begründen, es sei denn, dass diese Handlungen selbständig mit Strafe bedroht sind oder aber es sich um mittäterschaftliche Beiträge eines anderen Tatbeteiligten zu der im Ausland vollzogenen Tat handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 1 StR 705/08, NStZ-RR 2009, 197; Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 90 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Rz. 6
Inländische Tathandlungen des Angeklagten während des Versuchs- und des Vollendungsstadiums sind ausgeschlossen, da der Angeklagte die Tat in Polen beging und auch erst dort zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzte. Etwaige Tatbeiträge eines Mittäters, die dazu geeignet wären, einen inländischen Tatort zu begründen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Angeklagte beging die Tat – anders als in den Fällen II.C.2. und II.C.3. der Urteilsgründe – allein.
Rz. 7
Schließlich fehlt es an einer selbständig mit Strafe bedrohten inländischen Vorbereitungshandlung des Angeklagten. Als solche kommt hier nicht das Verschaffen und Verwahren des verfälschten niederländischen Reisepasses als tatbestandliches Handeln gemäß § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Betracht. Zwar stellt das Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen im Sinne dieser Norm eine typische Vorbereitungstat zu deren Gebrauch im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar (vgl. LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 276 Rn. 1 f., 19; MüKoStGB/Erb, 2. Aufl., § 276 Rn. 1, 5; BT-Drucks. 12/6853, S. 28 f.) und schließt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch ausländische Ausweispapiere ein (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 StR 238/00, BGHR StGB § 276 Ausweis 1; BT-Drucks. 12/6853, S. 29). Die Feststellungen des Landgerichts, denen keine Einzelheiten zu den örtlichen, zeitlichen und sonstigen Umständen des Verschaffens des verfälschten niederländischen Reisepasses durch den Angeklagten zu entnehmen sind, belegen schon nicht, dass er eine tatbestandliche Handlung im Sinne des § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB im Inland vorgenommen hat. Selbst wenn man hiervon aber ausgehen wollte, wäre daraus kein zusätzlicher, inländischer Tatort für das spätere Gebrauchen dieses Dokuments in Polen als gemäß § 267 StGB strafbare Urkundenfälschung abzuleiten. Denn nicht jede selbständig strafbewehrte Vorbereitungshandlung ist dazu geeignet, eine solche Folge herbeizuführen.
Rz. 8
Soweit in der Rechtsprechung die Begründung eines inländischen Tatorts durch eine strafbewehrte Vorbereitungshandlung anerkannt worden ist, betraf dies die Verabredung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 StGB, das anschließend plangemäß im Ausland begangen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 90 f.). Auch in der Literatur wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auf § 30 Abs. 2 StGB abgestellt (vgl. S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 4; NK/Böse, StGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 3; ferner LK/Werle/Jeßberger, StGB, 12. Aufl., § 9 Rn. 11 und MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., § 9 Rn. 9, die auf das Urteil des BGH vom 4. Dezember 1992 verweisen). In dem genannten Urteil hat der 2. Strafsenat des BGH hierzu ausgeführt, dass ein einmal – im Inland – begründeter Tatort nicht deshalb entfalle, weil die zugehörige Vorbereitungstat im Wege der Subsidiarität hinter die vollendete Tat zurücktrete und daher als solche nicht bestraft werden könne (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 89). Der Umstand, dass die Verabredung zu dem Verbrechen nicht nur getroffen, sondern dieses auch noch realisiert worden sei, könne den einmal begründeten Tatort nicht wieder beseitigen, sondern füge ihm lediglich einen weiteren Tatort, nämlich den der Begehung des verabredeten Deliktes, hinzu (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 90). Indem auf diese Weise maßgeblich auf die enge tatsächliche Verknüpfung von Tatvorbereitung und Tatbegehung als lediglich unterschiedliche Stadien der Verwirklichung einer konkret geplanten Tat abgestellt wird, knüpft diese Konstruktion dogmatisch daran an, dass § 30 Abs. 2 StGB einen allgemeinen, unselbständigen Strafausdehnungsgrund für bestimmte Beteiligungshandlungen an Verbrechen darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1991 – 1 StR 269/91, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 2; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 30 Rn. 1).
Rz. 9
Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung strafbewehrter Vorbereitungshandlungen lässt sich dieser Ansatz jedoch nicht ohne weiteres verallgemeinern (vgl. zu den einzelnen Fallgruppen strafbarer Vorbereitungshandlungen LK/Hillenkamp, StGB, 12. Aufl., Vor § 22 Rn. 7 ff.; S/S-Eser/Bosch, StGB, 29. Aufl., Vorbem. §§ 22 ff. Rn. 14). Er ist insbesondere nicht auf die hier betroffene Konstellation übertragbar. Denn anders als die im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs geregelte Ausdehnung der Strafbarkeit bei Verbrechen auf bestimmte Vorbereitungshandlungen gemäß § 30 Abs. 2 StGB ist § 276 StGB als selbständiges Delikt konzipiert. Dessen Anwendungsbereich ist zwar entsprechend der Intention des Gesetzgebers auf Verhaltensweisen gerichtet, die typischerweise der Vorbereitung des späteren Gebrauchs der falschen amtlichen Ausweise – etwa im Bereich des unerlaubten Einschleusens von Ausländern oder des organisierten Kraftfahrzeugdiebstahls – dienen (vgl. LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 276 Rn. 1; MüKoStGB/Erb, 2. Aufl., § 276 Rn. 1; BT-Drucks. 12/6853, S. 28); jedoch gibt der Tatbestand konkrete objektive Handlungen vor, die von § 267 Abs. 1 StGB gerade nicht erfasst werden und denen damit ein eigener Unrechtsgehalt innewohnt. Demgegenüber stellt im Fall des § 30 Abs. 2 StGB die Verabredung zum Verbrechen lediglich die zeitlich vorgelagerte Vorstufe zu dessen späterer Vollendung dar. Mit der gesetzlichen Konzeption des § 276 StGB als selbständiges Delikt ist eine Wertung, wonach aus dieser Norm ein zusätzlicher Tatort für ein strafbares Handeln nach § 267 StGB abgeleitet werden könnte, nicht zu vereinbaren. Der Umstand, dass § 276 StGB aufgrund des materiellen Vorbereitungscharakters in konkurrenzrechtlicher Hinsicht hinter § 267 StGB zurücktritt (vgl. LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 276 Rn. 19), ist diesbezüglich ohne Belang.
Rz. 10
2. Demgegenüber hält die rechtliche Würdigung des Landgerichts hinsichtlich der Fälle II.C.2. und II.C.3. der Urteilsgründe jeweils als gewerbsmäßig begangene Urkundenfälschungen rechtlicher Überprüfung stand. Diese Taten unterliegen – anders die Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe – der deutschen Strafgewalt, da der Angeklagte insoweit während des Vorbereitungsstadiums mittäterschaftliche Beiträge im Inland leistete, so dass nach den aufgezeigten Maßstäben ein inländischer Tatort begründet ist.
Rz. 11
3. Die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tat zu Fall II.C.1. der Urteilsgründe hat die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Der dadurch bedingte Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe führt nicht zur Aufhebung der Gesamtstrafe; diese hat vielmehr Bestand. In Anbetracht der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, zwei Mal zehn Monaten und drei Mal acht Monaten ist mit Blick auf die im eingestellten Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten auszuschließen, dass das Landgericht bei entsprechender Teileinstellung des Verfahrens auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 12
4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Becker, Schäfer, Spaniol, Berg, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 11714369 |
NStZ 2018, 6 |
NStZ-RR 2018, 5 |
StV 2019, 601 |