Entscheidungsstichwort (Thema)
bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
„Den Tatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nicht nur derjenige Täter, der selbst unmittelbar Zugriff auf die mitgeführte Schußwaffe hat; vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Täters seinen Mittätern nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden (Aufgabe von BGHSt 42, 368).”
Der Senat fragt daher beim 1. Strafsenat an, ob an der entgegenstehenden Rechtsmeinung festgehalten wird.
Er legt die Sache den anderen Strafsenaten mit der Frage vor, ob der beabsichtigten Entscheidung eigene Rechtsprechung entgegensteht und ob gegebenenfalls an ihr festgehalten wird.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen „unerlaubte(r) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schußwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln” (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auch auf die Sachrüge gestützten Revision.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen war der Angeklagte spätestens im Juli 2000 mit dem gesondert verfolgten P. übereingekommen, künftig gemeinsam Drogen, insbesondere Ecstasy, in Holland zu erwerben und in Deutschland gewinnbringend weiterzuverkaufen. Ende Juli 2000 entschlossen sie sich, mit einem vom Angeklagten beschafften PKW nach Venlo zu fahren, um dort eine „connection” für den Drogenerwerb aufzubauen. Da der Angeklagte verhältnismäßig viel Geld bei sich trug und es sich um das erste Drogengeschäft mit noch unbekannten Dealern handelte, verlangte er von P., daß dieser „aus Sicherheitsgründen” seine Gaspistole (mit Gasaustritt aus der Laufmündung nach vorne) mitnehmen sollte. P. erklärte sich trotz anfänglicher Bedenken hierzu bereit. In Venlo angekommen, ließ er jedoch „aus Furcht, die Situation könnte eskalieren”, die Pistole im Handschuhfach liegen, was dem Angeklagten verborgen blieb. Auf dem Marktplatz in Venlo lernten der Angeklagte und P. den Drogendealer „T.” kennen, mit dem sie nach Roermond fuhren. Dort übernahm der Angeklagte von „T.” 1.000 Ecstasy-Tabletten mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 25 mg pro Konsumeinheit sowie 200 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Amphetamin-Base. Mit den erworbenen Betäubungsmitteln fuhren der Angeklagte und P. nach O. zurück. Dabei befand sich die geladene Gaspistole nach wie vor im Handschuhfach des PKW, was der Angeklagte allerdings nicht wußte. Er ging nach wie vor davon aus, daß P. die Waffe unmittelbar am Körper trug.
Der Generalbundesanwalt hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des 1. Strafsenats vom 14. Januar 1997 (BGHSt 42, 368) und 10. September 1998 (1 StR 446/98) beantragt, den Schuldspruch im Fall II 6 dahin abzuändern, daß der Angeklagte der Anstiftung zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Der Senat möchte die Verurteilung des Angeklagten nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Ergebnis bestätigen und den Schuldspruch insofern lediglich dahin abändern, daß der Angeklagte – unter Wegfall der zurücktretenden bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist. Auf seine ausdrückliche Weisung hin und in seinem Interesse nahm der Mittäter P. auf der Fahrt zu dem beabsichtigten Treffen mit noch unbekannten Dealern die Gaspistole mit, um bei der Abwicklung des geplanten Drogengeschäfts die Sicherheit beider Täter zu gewährleisten. Während der Verhandlungen mit dem Dealer „T.” trug P. zwar entgegen den Erwartungen des Angeklagten die Gaspistole nicht am Körper. Die anschließende Rückfahrt nach O., bei der die zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmten Betäubungsmittel in die Bundesrepublik eingeschmuggelt wurden, verwirklichte jedoch ebenfalls den Tatbestand des Handeltreibens, der jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit umfaßt (st.Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1, 3, 4, 7, 18). Jedenfalls während dieser Fahrt konnte P. vom Beifahrersitz aus unmittelbar auf die im Handschuhfach des PKW befindliche Gaspistole Zugriff nehmen. Das reicht für ein Mitsichführen der Waffe bei der Tat im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG aus (vgl. BGH, Beschl. vom 10. September 1998 – 1 StR 446/98), denn der Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens ist bereits erfüllt, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem von mehreren Einzelakten der Tat verwirklicht wird (BGH JR 1998, 254, 255 m.w.N.). Dem Angeklagten, der auch bei der Rückfahrt den PKW führte und auf dessen Anweisung hin P. die Waffe mitnahm, ist als Mittäter nach Auffassung des Senats dieses Mitsichführen der Waffe über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Daß er glaubte, P. werde die Waffe in seiner Kleidung mit sich führen, während sie sich tatsächlich im Handschuhfach befand, stellt einen für die rechtliche Bewertung unbeachtlichen Irrtum dar.
An einer Bestätigung der Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlichen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sieht sich der Senat indes durch die Rechtsprechung des 1. Strafsenats gehindert, wonach das Tatbestandsmerkmal des „Mitsichführens” in § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Täters auf die Schußwaffe verlangt und eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft ausschließt.
Entscheidungsgründe
II.
Diese Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz, daß bei gemeinschaftlicher Tatbegehung jeder vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Tatbeitrag eines Mittäters den übrigen als eigener zugerechnet wird (vgl. BGH NStZ 1990, 130; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 25 Rdn. 5 a), läßt sich nach Ansicht des Senats weder mit dem Wortlaut der Norm noch mit dem Gesetzeszweck begründen.
1. In seiner Entscheidung vom 14. Januar 1997 (BGHSt 42, 368) hat der 1. Strafsenat erstmals die Auffassung vertreten, daß nach dem Gesetzeswortlaut die Bewaffnung eines Mittäters den übrigen nicht nach allgemeinen Grundsätzen zugerechnet werden könne, weil die gegenüber dem Grunddelikt erhöhte Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG daran anknüpfe, daß der Täter selbst ausreichende Sachherrschaft über die Waffe ausübe. Zur Begründung hat er auf diejenigen Strafbestimmungen des Waffenrechts verwiesen, die den Erwerb, den Besitz oder das Führen von Waffen betreffen: Auch dort werde nur derjenige Täter erfaßt, der als unmittelbarer Besitzer eine gewisse, jederzeit zu realisierende Herrschaftsmöglichkeit über eine Waffe habe (BGH aaO S. 368 f. unter Verweis auf BTDrucks. VI/2678 S. 26; Steindorf, Waffenrecht 6. Aufl. § 4 Rdn. 4 und 18). Diese einschränkende Auslegung der Vorschrift werde auch durch einen Vergleich mit den ähnlich strukturierten Straftatbeständen des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB), des schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) sowie des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und des Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall (§ 113 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 125 a Nr. 1 StGB) nicht in Frage gestellt. Die genannten Tatbestände bzw. Strafzumessungsregeln knüpften die verschärfte Strafdrohung daran, daß der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führe. Diese Ergänzung, die in ihrer weit gefaßten Formulierung nicht nur die Bewaffnung eines Anstifters oder Gehilfen, sondern auch eines Mittäters erfasse, hätte auf Teilnehmer im engeren Sinn beschränkt bleiben können, wenn „einem unbewaffneten Täter sein Wissen um die Bewaffnung seines Mittäters schon nach allgemeinen Grundsätzen über § 25 Abs. 2 StGB als eigenes Waffenführen zugerechnet” werden könne (BGHSt 42, 368, 370).
2. Diese Rechtsprechung – bestätigt in den Beschlüssen vom 21. Januar 1997 (1 StR 763/96) und 16. September 1997 (StV 1997, 638) hat in der Literatur – teilweise ohne nähere Begründung – Zustimmung gefunden (vgl. Körner, BtMG 5. Aufl. § 30 a Rdn. 64 f.), ist aber auch auf Kritik gestoßen: Weber (BtMG § 30 a Rdn. 95) hält es für eine nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheidende Tatfrage, ob der Tatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt ist, wenn die Waffe nicht von einem Täter, sondern von einem Tatbeteiligten getragen wird. Nach Auffassung von Kessler (NStZ 1996, 500) ist nicht ersichtlich, warum das Merkmal des Mitsichführens im Betäubungsmittelstrafrecht eine andere Bedeutung haben solle, als im Rahmen von §§ 244, 250 StGB. Maßgeblich sei, ob sich die Waffe in unmittelbarer Nähe des Tatorts befinde, so daß sie bei Durchführung der Tat jederzeit zum Einsatz kommen könnte. Das sei auch dann der Fall, wenn sich der Täter eines bewaffneten Gehilfen bediene.
Der 2. Strafsenat hat in einem obiter dictum ebenfalls Bedenken erkennen lassen und betont, ein bewußt gebrauchsbereites Mitsichführen liege beispielsweise auch dann vor, wenn nicht der Täter selbst, sondern ein ihn begleitender Leibwächter die Waffe trage. Denn auch dann sei für den Täter die Waffe jederzeit verfügbar, sei es, daß er sich diese vom Waffenträger aushändigen lasse, sei es, daß dieser auf seine Weisung von der Schußwaffe Gebrauch mache (BGHSt 43, 8, 14; ebenso Weber aaO Rdn. 91; Zschockelt NStZ 1998, 238, 239).
3. Die vom 1. Strafsenat vertretene Auslegung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verleiht dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln den Charakter eines eigenhändigen Delikts. Eine derartige Einschränkung des Qualifikationstatbestandes kann aus Sicht des Senats mit den angeführten Argumenten nicht begründet werden.
a) Der Wortlaut des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, insbesondere das Fehlen des Zusatzes „oder ein anderer Beteiligter”, steht der Zurechnung der vom gemeinsamen Tatplan umfaßten Bewaffnung eines Mittäters auf die übrigen nicht entgegen.
Unstreitig handelt es sich bei dem Mitsichführen einer Schußwaffe im Sinne von § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG um ein tatbezogenes, qualifizierendes Unrechtsmerkmal, da es die besondere Gefährlichkeit der Tat näher umschreibt (BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 6 = NStZ 2000, 431, 432; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 a Rdn. 21). Tatbezogene Merkmale, für die § 28 Abs. 2 StGB nicht gilt, können grundsätzlich arbeitsteilig verwirklicht werden mit der Folge, daß sich jeder Mittäter die vom gemeinsamen Tatplan umfaßten Tatbeiträge der anderen als Teil seines eigenen Tuns zurechnen lassen muß (BGHR StGB § 22 Ansetzen 17; § 25 Abs. 2 Mittäter 20).
b) Etwas anderes würde nur gelten, wenn das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als eigenhändiges Delikt aufzufassen wäre. Das ist indes nicht der Fall.
Über die Frage, welche Straftaten eigenhändig sind und worin der tragende Grund der Eigenhändigkeit liegt, herrscht Streit (vgl. zum Meinungsstand Roxin in LK 11. Aufl. § 25 Rdn. 40 ff.; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 25 ff. Rdn. 86). Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob der Täter den Tatbestand nur persönlich durch sein eigenes Handeln erfüllen kann, das Unrecht also nicht maßgeblich in der Herbeiführung eines Erfolges, sondern in seinem eigenen verwerflichen Tun liegt (BGHSt 6, 226, 227). Dabei kann die Frage, ob das entscheidende Unrecht im Erfolg oder im Handeln selbst liegt, im Einzelfall nur nach dem Gesetz beantwortet werden, so daß die Eigenhändigkeit einer Straftat wesentlich von der Fassung des Tatbestands durch den Gesetzgeber abhängt (BGHSt 6, 226, 227; 41, 242, 243).
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt seinem Wortlaut nach nicht voraus, daß der Täter die Waffe selbst führt. Auch sonst läßt sich aus der Fassung des Gesetzes das Erfordernis eigenhändiger Begehung nicht ableiten, da der Begriff des Mitsichführens eines Gegenstandes weder nach allgemeinem noch nach juristischem Sprachgebrauch eine persönliche Ausübung der tatsächlichen Gewalt impliziert. In der unmittelbaren Sachherrschaft des Täters über die Waffe realisiert sich auch nicht der spezifische Unwert des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
Vor allem der Wille des Gesetzgebers und der Gesetzeszweck stehen der Einordnung des bewaffneten Handeltreibens als eigenhändiges Delikt entgegen. Den Gesetzesmaterialien läßt sich entnehmen, daß sich die erhöhte Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gegen alle Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts richten sollte, bei dem zumindest eine Waffe im Spiel ist. Der Gesetzgeber hat die Einführung der Vorschrift mit der „besonderen Gefährlichkeit von Straftaten der Betäubungsmittelkriminalität (begründet), bei denen die Täter Schußwaffen mit sich führen” (BTDrucks. 12/6853 S. 41). Diese Gefahr ist immer gegeben, wenn bei Begehung einer Straftat eine Schußwaffe mitgeführt wird, ohne daß es darauf ankommt, wer die unmittelbare Sachherrschaft über sie ausübt.
Der 1. Strafsenat ist der Ansicht, daß diese mögliche gesetzgeberische Motivation im Wortlaut des Gesetzes keinen ausreichenden Niederschlag gefunden habe (BGHSt 42, 368, 370 f.). Andererseits ist dem Gesetzeswortlaut nichts zu entnehmen, was einer Zurechnung des Mitsichführens einer Waffe durch einen Täter gemäß § 25 Abs. 2 StGB auf seine Mittäter entgegensteht. Seinem Wortlaut nach verlangt § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gerade keine unmittelbare Sachherrschaft des Täters über die Waffe. Dieses Erfordernis leitet der 1. Strafsenat vielmehr aus einem Vergleich des Qualifikationsmerkmals mit dem Begriff des Waffenführens nach dem Waffenrecht ab.
Die Straftatbestände des Waffenrechts können jedoch zur Auslegung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nur eingeschränkt herangezogen werden, weil das Waffengesetz eine andere Zielsetzung verfolgt. Seine Vorschriften dienen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit in einem umfassenderen Sinn als die sonstigen Strafbestimmungen, bei denen das Führen von Waffen Qualifikationsmerkmal bzw. Strafschärfungsgrund ist. Während letztere der besonderen Gefahr begegnen wollen, die in der spezifischen Tatsituation des jeweiligen Grunddelikts von einer mitgeführten Schußwaffe ausgeht, sind die waffenrechtlichen Straftatbestände zum Schutz gegen die ständigen Gefahren bestimmt, die sich allgemein aus dem illegalen Besitz von Schußwaffen und deren Weitergabe an Unberechtigte ergeben (BGHSt 29, 184, 186).
Der Gesetzgeber hat den Umgang mit Waffen als generell gefahrenträchtiges Verhalten deshalb einer strikten behördlichen Kontrolle unterworfen. Die waffenrechtlichen Straftatbestände knüpfen daher sämtlich an verwaltungsrechtliche Vorgaben an (Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. Vor § 52 a Rdn. 2). Das Führen einer Schußwaffe ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b bzw. Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b WaffG nur strafbar, wenn es „ohne die erforderliche Erlaubnis” geschieht. Erst das Fehlen der behördlichen Erlaubnis drückt der jeweiligen Tathandlung den „Stempel des Unrechtmäßigen” auf, so daß dieses „negative Tatbestandsmerkmal” jeweils zur Komplettierung des Unrechtstatbestands hinzukommen muß (Steindorf aaO Rdn. 10). Täter eines Waffendelikts ist demnach, wer verwaltungsrechtlich der Erlaubnis bedarf (Steindorf aaO Rdn. 50).
In ihrer „Verwaltungsaktsakzessorietät” (Steindorf aaO Rdn. 5) unterscheiden sich die waffenrechtlichen Straftatbestände von den sonstigen Delikten, die an das Mitführen einer Waffe anknüpfen. Der 1. Strafsenat hält den Begriff des Waffenführens im waffenrechtlichen Sinn lediglich insofern nicht für deckungsgleich mit dem des Mitsichführens im Sinne von § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, als jener gemäß § 4 Abs. 4 WaffG nicht die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Waffe innerhalb des eigenen befriedeten Besitztums umfaßt (BGHSt 42, 368, 369). Dagegen sollen sich die Begriffe hinsichtlich der von ihnen vorausgesetzten Sachherrschaft des Täters über die Waffe nicht unterscheiden (aaO). Dem kann nicht gefolgt werden. Mit der Bestrafung der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe will der Gesetzgeber der Gefahr begegnen, die in der jederzeit zu realisierenden tatsächlichen Herrschaft über die Waffe liegt. Sie geht nur von demjenigen aus, der jederzeit auf die Waffe zugreifen kann (BGH NStZ 1997, 604, 605; Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. § 4 WaffG Rdn. 5). Einem Mittäter kann die Sachherrschaft über die von einem anderen geführte Waffe nicht nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) als Täter zugerechnet werden (BGH NStZ 1997, 604, 605), weil die eigene unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis das spezifische Unrecht des Waffendelikts ausmacht (vgl. Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. Vor § 52 a WaffG Rdn. 29). Auf die Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, deren Unrecht sich gerade nicht im Fehlen einer an sich möglichen Erlaubnis verkörpert, kann dieser Gedanke nicht übertragen werden.
c) Auch ein Vergleich mit ähnlich strukturierten Qualifikationstatbeständen des Strafgesetzbuchs führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Gesetz folgt bei der Umschreibung des qualifizierenden oder straferhöhenden Umstands der Bewaffnung keinem einheitlichen Sprachgebrauch.
aa) Nach dem durch das 6. StrRG geänderten Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB, der zum Zeitpunkt der Entscheidung BGHSt 42, 368 noch nicht galt, trifft den Täter einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung eine erhöhte Strafdrohung, wenn er eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Nach den bislang hierzu geäußerten Meinungen verlangt dieser Qualifikationstatbestand – trotz seiner von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB abweichenden Fassung – keine eigenhändige Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals. Mittäter müssen sich vielmehr die Führung bzw. Verwendung der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs nach allgemeinen Regeln zurechnen lassen (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 29; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 177 Rdn. 26; Renzikowski NStZ 1999, 377, 382 f.).
bb) § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB und § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB setzen voraus, daß der Täter oder ein anderer Beteiligter bei Begehung der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Diese weit gefaßte Formulierung schließt nach einhelliger Auffassung Mittäter, Anstifter und Gehilfen ein. Da die Strafschärfung für den Diebstahl oder Raub mit Waffen ihren Grund in der objektiven Gefährlichkeit der Waffen für Leib und Leben des potentiellen Opfers hat, läßt das Gesetz hier schon das Beisichführen einer Waffe durch den Täter oder einen Teilnehmer ohne konkrete Verwendungsabsicht genügen (BGHSt 20, 194, 197; 24, 136, 137 f.; 30, 44, 45; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 244 Rdn. 2; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 250 Rdn. 3; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 6). Sinn und Zweck des Zusatzes „oder ein anderer Beteiligter” ist es aber nicht, daß bei mittäterschaftlicher Begehung eines Diebstahls oder Raubs auch demjenigen Mittäter, der die Waffe nicht selbst zur Verfügung hat, die Bewaffnung eines der Täter zugerechnet werden kann, um so eine nach den Grundsätzen der Mittäterschaft nicht mögliche Zurechnung sicherzustellen (so aber BGHSt 42, 368, 370). Vielmehr gewährleistet die weite Fassung der §§ 244, 250 StGB, daß das Mitführen einer Waffe bei der Tatbegehung allen Beteiligten, die darum wissen, straferhöhend zugerechnet werden kann. Dies gilt unabhängig von § 25 Abs. 2 StGB und auch dann, wenn sich der Waffenträger nur in Form der Anstiftung oder Beihilfe am Grunddelikt beteiligt oder der gemeinsame Tatplan das Mitführen einer Waffe nicht vorsah. Noch deutlicher kam diese Zielsetzung in der vor Inkrafttreten des 1. StrRG geltenden Fassung des § 243 Abs. 1 Nr. 5 StGB zum Ausdruck. Dort wurde der qualifizierende Umstand dahin umschrieben, daß „der Dieb oder einer der Teilnehmer (also nicht der Mittäter) am Diebstahle” bei Begehung der Tat Waffen bei sich führte. Der Begründung zu § 237 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches (StGB) vom 19. Juni 1962 (E 1962) – dem heutigen § 244 StGB – läßt sich nicht entnehmen, daß nach der Vorstellung des Reformgesetzgebers mit der geänderten Formulierung auch eine sachliche Änderung eintreten sollte (vgl. BTDrucks. IV/650 S. 406 f.).
cc) In den Regelbeispielen des Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall gemäß § 125 a Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB fehlt der Zusatz „oder ein anderer Beteiligter”; statt dessen verlangt das Gesetz, daß der Täter eine Schußwaffe bzw. in Verwendungsabsicht eine andere Waffe bei sich führt. Nach der herrschenden Meinung, die sich primär am Wortlaut der Norm orientiert, trifft die verschärfte Strafdrohung deshalb nur denjenigen, der das Regelbeispiel in eigener Person erfüllt (BGHSt 27, 56; BGH StV 1981, 74; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 125 a Rdn. 3; v. Bubnoff in LK 10. Aufl. § 125 a Rdn. 11 f.; a.A. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 125 a Rdn. 6; Rudolphi in SK-StGB § 125 a Rdn. 5). Für diese Auslegung des § 125 a StGB, die allerdings durch den Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend vorgegeben ist (anders noch Senat BGHSt 27, 56), sprechen insbesondere der Charakter des Landfriedensbruchs als eines Delikts, das aus einer Menschenmenge heraus begangen wird, sowie das daraus folgende Bedürfnis, den von der Strafschärfung erfaßten Personenkreis praktikabel abzugrenzen (vgl. BGHSt 27, 56, 59). Dem trägt eine Auslegung des § 125 a Satz 2 Nr. 1, 2 StGB Rechnung, die das Regelbeispiel der Bewaffnung nur durch denjenigen Täter verwirklicht sieht, der die Waffe selbst bei sich führt (BGHSt 27, 56, 59). Einer entsprechend restriktiven Auslegung bedarf es im Anwendungsbereich des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht. Der Aspekt der Beteiligung einer Menschenmenge spielt hier keine Rolle.
d) Es ist schließlich auch nicht nachvollziehbar, in Fällen wie dem vorliegenden stets eine „gespaltene Täterschaft” zwischen Qualifikation und Grunddelikt anzunehmen und den unbewaffneten Mittäter nur wegen Anstiftung zum bewaffneten Handeltreiben in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu bestrafen. Der Beschwerdeführer war es, der den Mittäter P. gegen dessen anfängliches Widerstreben zur Mitnahme der Gaspistole bestimmte. Die mitgeführte Waffe diente nach seiner Vorstellung in erster Linie seinem eigenen Schutz. Es fehlt hier an jener Distanz zum eigentlichen Tatgeschehen, wie sie für die Anstiftung im allgemeinen kennzeichnend ist.
4. Im Ergebnis ist deshalb dem 2. Strafsenat beizupflichten, wenn er dem Täter auch die von seinem Leibwächter getragene Waffe als von ihm mitgeführt zurechnen will. Allerdings kann man bei dieser Auffassung nicht stehenbleiben, weil sie – wovon der 2. Strafsenat bei seinen Überlegungen ausgehen konnte – die Unterordnung des Waffenträgers unter den Willen des Täters voraussetzt. Der Leibwächter muß bereit sein, jederzeit auf Weisung des Täters von der Waffe Gebrauch zu machen. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn – wie hier – mehrere gleichberechtigte Täter arbeitsteilig zusammenwirken. In diesen Fällen, die im Hinblick auf die von der mitgeführten Waffe ausgehenden Gefahr keine andere Beurteilung rechtfertigen, kann und muß die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den übrigen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 706718 |
NStZ 2002, 600 |
StV 2002, 486 |