Tenor
Die Sache wird nach § 132 Abs. 2 und 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung der folgenden Rechtsfrage vorgelegt:
Ist bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nur derjenige Täter des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, der selbst unmittelbar Zugriff auf die mitgeführte Schußwaffe hat, oder kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters auch den übrigen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden?
Tatbestand
I.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen „unerlaubte(r) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schußwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln” (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
Die Verurteilung gründet sich auf folgendem Sachverhalt:
Der Angeklagte war spätestens im Juli 2000 mit dem gesondert verfolgten … P. übereingekommen, künftig gemeinsam Drogen, insbesondere Ecstasy, in Holland zu erwerben und in Deutschland gewinnbringend weiterzuverkaufen. Ende Juli 2000 entschlossen sie sich, mit einem vom Angeklagten beschafften PKW nach Venlo zu fahren, um dort eine „connection” für den Drogenerwerb aufzubauen. Da der Angeklagte verhältnismäßig viel Geld bei sich trug und es sich um das erste Drogengeschäft mit noch unbekannten Dealern handelte, verlangte er von P., daß dieser „aus Sicherheitsgründen” seine Gaspistole (mit Gasaustritt aus der Laufmündung nach vorne) mitnehmen sollte. P. erklärte sich trotz anfänglicher Bedenken hierzu bereit. In Venlo angekommen, ließ er jedoch „aus Furcht, die Situation könnte eskalieren”, die Pistole im Handschuhfach liegen, was dem Angeklagten verborgen blieb. Auf dem Marktplatz in Venlo lernten der Angeklagte und P. den Drogendealer „T.” kennen, mit dem sie nach Roermond fuhren. Dort übernahm der Angeklagte von „T.” 1.000 Ecstasy-Tabletten mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 25 mg pro Konsumeinheit sowie 200 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Amphetamin-Base. Mit den erworbenen Betäubungsmitteln fuhren der Angeklagte und P. nach O. zurück. Dabei befand sich die geladene Gaspistole nach wie vor im Handschuhfach des PKW, was der Angeklagte allerdings nicht wußte. Er ging nach wie vor davon aus, daß P. die Waffe unmittelbar am Körper trug.
2. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
Der Generalbundesanwalt hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des 1. Strafsenats vom 14. Januar 1997 (BGHSt 42, 368) und 10. September 1998 (1 StR 446/98) beantragt, den Schuldspruch dahin abzuändern, daß der Angeklagte insoweit der Anstiftung zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Der Senat möchte die Verurteilung des Angeklagten nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Ergebnis bestätigen und den Schuldspruch insofern lediglich dahin abändern, daß der Angeklagte – unter Wegfall der zurücktretenden bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist.
Der Mittäter P. nahm auf ausdrückliche Weisung des Angeklagten und in dessen Interesse auf der Fahrt zu dem beabsichtigten Treffen mit noch unbekannten Dealern die Gaspistole mit, um bei der Abwicklung des geplanten Drogengeschäfts die Sicherheit beider Täter zu gewährleisten. Während der Verhandlungen mit dem Dealer „T.” trug P. zwar entgegen den Erwartungen des Angeklagten die Gaspistole nicht am Körper. Die anschließende Rückfahrt nach O., bei der die zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmten Betäubungsmittel in die Bundesrepublik eingeschmuggelt wurden, verwirklichte jedoch ebenfalls den Tatbestand des Handeltreibens, der jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit umfaßt (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1, 3, 4, 7, 18). Jedenfalls während dieser Fahrt konnte P. vom Beifahrersitz aus unmittelbar auf die im Handschuhfach des PKW befindliche Gaspistole Zugriff nehmen. Das reicht für ein Mitsichführen der Waffe bei der Tat im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zunächst für die Person des Mittäters P. aus (vgl. BGH, Beschl. vom 10. September 1998 – 1 StR 446/98). Denn der Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens ist bereits erfüllt, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem von mehreren Einzelakten der Tat verwirklicht wird (BGH JR 1998, 254, 255 m. w. N.). Ob der Angeklagte, der auch bei der Rückfahrt den PKW führte und auf dessen Anweisung hin P. die Waffe mitgenommen hatte, rein räumlich die Möglichkeit gehabt hätte, auf die Pistole Zugriff zu nehmen, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Tatsächlich wußte der Angeklagte auch nicht, daß die Pistole im Handschuhfach aufbewahrt wurde. Nach Auffassung des Senats ist dem Angeklagten aber das Mitsichführen der Waffe durch P. über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
II.
An einer Bestätigung der Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlichen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sieht sich der Senat indes durch die Rechtsprechung des 1. Strafsenats gehindert, wonach das Tatbestandsmerkmal des „Mitsichführens” in § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Täters auf die Schußwaffe verlangt und die nach allgemeinen Grundsätzen statthafte Zurechnung der Bewaffnung eines Mittäters ausschließt.
1. Auf Anfrage haben der 2., 4. und der 5. Strafsenat mitgeteilt, daß der beabsichtigten Entscheidung des vorlegenden Senats – soweit ersichtlich – eigene Rechtsprechung nicht entgegensteht, und – so der 2. Strafsenat – der Auffassung des vorlegenden Senats beigetreten bzw. – so der 5. Strafsenat – an möglicherweise entgegenstehender Rechtsprechung nicht festgehalten wird. Der 1. Strafsenat hat erklärt, daß er für den Fall des gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln an seiner einschränkenden Auslegung des Qualifikationstatbestandes des bewaffneten Handeltreibens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG festhält, die eine uneingeschränkte Zurechnung der Bewaffnung nach § 25 Abs. 2 StGB gegenüber einem Mittäter ausschließt (Beschl. vom 3. April 2002 – 1 ARs 14/02). Die Rechtsfrage wird deshalb dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG und wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung aber auch gemäß § 132 Abs. 4 GVG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die Gründe für seine Auffassung, daß auch bei einer mittäterschaftlichen Begehung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG die Zurechnung des Qualifikationsmerkmals des Mitsichführens einer Waffe gemäß § 25 Abs. 2 StGB möglich ist, hat der vorlegende Senat bereits in seinem Anfragebeschluß vom 14. Dezember 2001 – 3 StR 369/01 ausführlich dargelegt. Sie lassen sich dahin zusammenfassen, daß
– der Wortlaut des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, insbesondere das Fehlen des Zusatzes „oder ein anderer Beteiligter”, der Zurechnung der vom gemeinsamen Tatplan umfaßten Bewaffnung eines Mittäters auf die übrigen Täter nicht entgegensteht,
– es sich bei dem Mitsichführen einer Schußwaffe i. S. von § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG um ein nach allgemeinen Täterschaftsregeln zu beurteilendes tatbezogenes, qualifizierendes Unrechtsmerkmal handelt, das die besondere Gefährlichkeit der Tat näher umschreibt,
– das bewaffnete Handeltreiben kein eigenhändiges Delikt darstellt und die Straftatbestände des Waffenrechts zur Auslegung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wegen ihrer anderen Zielsetzung nur eingeschränkt herangezogen werden können,
– auch der Vergleich mit ähnlich strukturierten Qualifikationstatbeständen des Strafgesetzbuches, namentlich mit § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB und § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, nicht dazu zwingt, § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dahin auszulegen, daß die Zurechnung des Mitsichführens einer Waffe durch den Mittäter ausgeschlossen ist,
– vielmehr der Ausschluß der Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB beim Qualifikationsmerkmal des Mitsichführens einer Waffe hinsichtlich Grundtatbestand und Qualifikation zu einer aus dem Delikt selbst nicht begründbaren „gespaltenen Täterschaft” führt.
Beim arbeitsteiligen Zusammenwirken gleichberechtigter Täter ist nach Auffassung des vorlegenden Senats kein gesetzlicher oder dogmatischer Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die von der bei der Tat mitgeführten Waffe ausgehende Gefahr nicht allen beteiligten Mittätern gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Ob es dann angezeigt erscheint, wie der 1. Strafsenat in seinem Beschluß vom 3. April 2002 – 1 ARs 14/02 – erwogen hat, eine teleologische Reduktion der Qualifikation des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dahin vorzunehmen, daß sich beim Handeltreiben eine, wie auch immer zu bestimmende „qualifikationsspezifische Gefahrerhöhung” des Mitsichführens einer Waffe konkret im Einzelfall ausgewirkt haben muß, ist der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vorzubehalten.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2559832 |
NStZ 2002, 601 |